Konrad sah das anders: „Warum sollen wir es ihm nicht heimzahlen? Erst streuen wir ein paar Gerüchte in die Welt und dann, wenn Drogo uns zur Rechenschaft ziehen will, darf er wieder einmal meinen Stab spüren.“
Es war eine grobschlächtige Methode, die Konrad vorschlug. Gewiss hatte sich Ering die Sache etwas eleganter vorgestellt. Ob grob oder elegant, letztendlich lief es auf das hinaus, was Konrad in so einfache Worte gefasst hatte: Eine Prügelei! Aber das wollte Faolán vermeiden.
„Hört auf damit!“, forderte er seine Freunde auf.
„Aber weshalb?“
Erneut blieb Faolán stehen und drehte sich seinen Freunden zu.
„Versteht ihr denn nicht? Wenn ich mich darauf einlasse, so würde ich ihn zwar mit seinen eigenen Waffen bekämpfen. Das hieße aber auch, dass ich mich auf sein Niveau herab begeben müsste. Ich würde ihm also folgen und er hätte auf diese Weise bekommen, was er wollte, selbst wenn er bei eurem Plan als Verlierer dastände. Damit hätte er in gewisser Weise in jedem Fall gewonnen. Zudem verbreitet er nur ein paar Gerüchte. Was können die schon anrichten? Sobald der Verband entfernt und die Wunde verheilt ist, wird sie niemand mehr hören wollen. Ein paar Gerüchte mehr werden mir nicht schaden.“
Während Konrad enttäuscht und ratlos die Hände in die Luft stieß, zeigte Ering mehr Verständnis.
„Vielleicht solltest du die Angelegenheit tatsächlich ohne Gegenwehr an dir vorüberziehen lassen. Doch täusche dich nicht, was die Macht der Worte angeht, seien sie geschrieben oder nur gesprochen.“
Ering hatte natürlich Recht, Faolán wusste das nur zu gut. Doch im Augenblick kümmerte es ihn nicht, was Worte oder Gerüchte anrichten konnten. Er hatte schlichtweg keine Lust, sich wegen Drogo den Kopf zu zerbrechen. Er wollte jetzt nur in aller Ruhe zum bevorstehenden Unterricht gelangen.
„Es ist Zeit für die Arithmetik. Wir müssen uns sputen!“, sagte Faolán und beendete damit das Thema. Die Erwähnung des Unterrichtes zeigte selbst bei Konrad Wirkung und zu dritt eilten sie zum Lehrsaal im Noviziat. Nach der Warnung seiner beiden Freunde hatte Faolán mehr Spott über seinen Verband erwartet, als ihm entgegengebracht wurde. Der Abend nach dem Zwischenfall blieb weitestgehend ohne abfällige Kommentare, wenn auch der Verband natürlich alle Blicke auf sich zog. Lediglich Drogo und seine Getreuen ließen Bemerkungen fallen, die jedoch wirkungslos blieben.
Am Morgen darauf war Drogo wesentlich gereizter. Offensichtlich ärgerte ihn die Tatsache, dass Faoláns Rattenbiss keinen Anlass zur Belustigung und zum Spott bot. Faolán fragte sich, ob er nicht somit und ganz ohne sein Zutun schon einen Erfolg gegen Drogo erzielt hatte. Er blieb aber weiterhin vorsichtig, denn missgelaunt war sein Widersacher noch gefährlicher als sonst.
Am Nachmittag stand der Wechsel des Verbandes an und Faolán machte sich auf den Weg zum Hospital. Er wollte den kurzen Weg ohne Konrads Begleitung zurücklegen. Vorsichtig schlich er über die Flure, um Drogo nicht in die Arme zu laufen. Leider vergeblich.
Sie hatten Faolán regelrecht aufgelauert, ganz in der Nähe des Hospitals. Es ging alles so schnell, dass der Novize das Geschehen erst begriff, als er umstellt war. Drei von Drogos Freunden blockierten plötzlich den Weg und ergriffen Faolán, bevor er fliehen konnte. Sie hielten ihn fest und zogen ihn bis zur Ecke des überdachten Säulenganges. Drogo kam auf Faolán zugeschlendert, die Arme gelassen hinter dem Rücken verschränkt und sprach ihn mit einem gehässigen Grinsen an: „Ich glaube, es ist Zeit, deine Wunde zu versorgen.“
Mit einem plötzlichen Ruck entfernte Drogo die Leinenbandage und riss dabei das anhaftende Tuch von der Wunde. Der Schmerz war so immens, dass Faolán kurz aufschrie. Drogo grinste zufrieden und inspizierte die Verletzung genauer. „Sieht doch schon viel besser aus, nicht wahr? Was meint ihr, meine sachkundigen Freunde?“
Einheitliches Grinsen breitete sich auf den Gesichtern der anderen Novizen aus. Faolán hatte keine Ahnung, was sie mit ihm vorhatten, doch Drogo ließ ihn nicht lange im Ungewissen. „Heute haben wir eine ganz spezielle Heilpaste für dich zubereiten lassen, lieber Faolán, von einem Meister seines Faches. Wir wollen doch auf jeden Fall vermeiden, dass dir noch ein paar Rattenzähne oder gar ein unansehnlicher Schwanz aus dem Hinterteil wächst. Das wäre selbst für dich zu abartig.“
Gespielte Sorge zeigte sich in Drogos Gesicht und Faolán spürte Zorn in sich aufsteigen. Doch Drogos Mitläufer hatten ihn fest im Griff, sodass er keine andere Wahl hatte, als zu hoffen, dass die anstehende Spezialbehandlung schnell vorübergehen würde.
Diese aufkeimende Hoffnung erstarb jedoch schlagartig, als Drogo eine kleine Klinge unter seiner Kutte hervorzog. Es war nicht mehr als ein kurzes Küchenmesser, doch es wirkte auf Faolán sehr bedrohlich. Drogo drehte die Schneide im Glanz der Sonne und betrachtete das Lichtspiel scheinbar nachdenklich. „Ich glaube es wäre besser, die Heilpaste direkt auf die offene Wunde einwirken zu lassen.“
Mit diesen Worten festigten sich die Griffe um Faolán und hielten seinen Kopf, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, so sehr er sich auch wand. Das Messer kam bedrohlich nahe und setzte oberhalb der Wunde an. Aus Angst, die Klinge könnte ihm noch mehr schaden, erstarrte Faolán schlagartig.
Ein stechender Schmerz breitete sich auf seinem Gesicht aus, als Drogo mit groben Bewegungen die Verkrustung der Wunde abschabte. Natürlich achtete er nicht darauf, nur das alte Blut zu entfernen, sondern schnitt auch rücksichtslos in gesundes Fleisch. Faolán sog Luft durch die zusammengebissenen Zähne, nur so konnte er einen lauten Schrei unterdrücken. Blut begann wieder an seiner Wange herunterzulaufen.
Schließlich ließ Drogo von Faolán ab und betrachtete seine Arbeit zufrieden. „Das sieht doch erheblich besser aus … die Paste bitte!“
Einer der Hörigen löste seinen Griff um Faolán und reichte Drogo ein Leinenbündel, das dieser sorgfältig öffnete. Der Gestank, der dem Päckchen entstieg, verriet Faolán sofort, um welchen Inhalt es sich handelte. So war es für ihn keine Überraschung, als ihm ein Haufen frischer Schweinedung vor Augen gehalten wurde. Drogo rümpfte die Nase. Stärker als zuvor versuchte Faolán seinen Kopf wegzudrehen, doch er wurde noch immer wie in einer Presse festgehalten.
Zunächst schob Drogo den Dung direkt unter die Nase seines Opfers. Er erfreute sich an Faoláns Abscheu und höhnte: „Ich weiß, es riecht nicht angenehm, doch wer erwartet schon einen betörenden Duft? Wichtig ist doch nur, dass diese Paste auch ihre Wirkung zeigt. Ist da der Geruch nicht Nebensache?“
Drogo wog das Päckchen noch einmal in der Hand, dann presste er es auf die frische, blutende Wunde. Dort hielt er es fest, bis der Dung an den Seiten hervorquoll.
Faoláns Schmerzen waren unbeschreiblich!
Er versuchte mit aller Kraft zu entkommen, jedoch vergebens. Erst als er die Schmerzen nicht länger aushielt und einen lauten Schrei von sich gab, wurde er plötzlich freigelassen. Kraftlos fiel er zu Boden. Sofort wollte er sich die Wange säubern, doch Drogos Fuß war schneller. Er stellte sich auf eine von Faoláns Hände, um ihn so am Boden zu halten. Erneut schrie Faolán vor Schmerz auf.
„Was ist hier los?“, rief plötzlich eine durchdringende Stimme.
Überrascht drehten sich die vier gehässigen Novizen um. Faolán erkannte Bruder Notger, der soeben aus einer nahen Tür getreten war. Der Mönch kam zielstrebig auf die Jungen zu. Noch bevor er sie maßregeln konnte, kam ihm Drogo mit einer Erklärung zuvor. Faolán sei gestürzt und sie wären auf seinen Schrei hin sofort zu Hilfe geeilt.
Der Mönch beäugte Drogo zweifelnd. Da Faolán nichts Gegenteiliges berichtete, schenkte Bruder Notger ihm schließlich Glauben. Er gebot Drogo, den am Boden liegenden Novizen auf die Beine zu helfen und sich augenblicklich zum Noviziat zu begeben.
Bevor er ging, wandte er sich an Faolán:
„Du solltest dir besser das Gesicht waschen. Mir scheint, du bist in einen Haufen Dung gefallen und so stinkend werde ich dich auf keinen Fall in meinem Unterricht dulden. Das Blut solltest du ebenfalls abwaschen. Am Ende besudelst du mir noch eine meiner wertvollen Schriften.“
Faolán nickte kurz mit gesenktem