Der Krimscher. Manfred A. Sahm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manfred A. Sahm
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347119673
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runter! Was dann der Flugkapitän, übrigens ein ehemaliger Bundeswehrpilot mit Tausenden von Flugstunden, und die Co-Pilotin vollbrachten, war eine absolut fliegerische Meisterleistung. Nach dem Ausfall der Triebwerke blieben nur wenige Sekunden, um den Flieger zu landen.

      Als »Notlandepiste« bot sich das genau unter ihnen befindliche, gerade erst fertiggestellte Teilstück der Bundesautobahn A 7, wenige Kilometer nördlich von Hamburg an, die noch wenig befahren war. Es gelang, das Flugzeug nach Unterfliegen einer Hochspannungsleitung unversehrt auf der westlichen Fahrbahn zu landen. Äußerst schwierig aber dürfte es gewesen sein, die Maschine zum Stehen zu bringen. Zwar sind die Scheibenbremsen an den Rädern wesentlich stärker als die bei Autos, aber das weitere Bremssystem, nämlich der Umkehrschub, wobei der Antriebsstrahl der Triebwerke einfach in die entgegengesetzte Richtung umgelenkt wird, funktionierte natürlich nicht! Also schleuderte das Flugzeug unter sehr starkem Abbremsen – wie es Bremsspuren auf der Autobahn zeigten – mit trotzdem noch hoher Geschwindigkeit vorwärts. Doch dann erwies sich eine Autobahnbrücke bei km 45,5 als verhängnisvolles Hindernis. Das Flugzeug prallte schräg auf das Brückenbauwerk, in der Folge wurden beide Tragflächen abgerissen. Ein Brückenpfeiler trennte das Cockpit vom Rumpf, es wirkte wie abgeschnitten oder abgeschlagen. Es drehte sich und landete neben der Autobahn. Auf den vorderen Sitzreihen gab es die ersten toten Passagiere. Das Höhenleitwerk wurde von der Brücke abgetrennt und flog über die Brücke auf die Autobahn. Auch der Rumpf drehte sich nach Aufprall auf einen Baum und kam erst 150 m hinter der Brücke neben der Fahrbahn zum Liegen. Es dauerte noch gut 5 Minuten, bis der Rumpf in Brand geriet. In diesen Minuten gelang es den meisten Fluggästen, sich aus dem Wrack zu retten. Wer das Szenario gesehen hatte, konnte es kaum für möglich halten, dass tatsächlich 99 Menschen diesen Wahnsinns-Crash überlebt haben. Allerdings blieb diese Zahl tagelang nicht verifizierbar – die Schwierigkeiten hatte ich schon angesprochen.

      Noch als das Flugzeug in der Luft war, wurde der Notruf abgesetzt. Daraufhin folgten sowohl die Flughafenfeuerwehr vom Airport Hamburg als auch Löschzüge der Hamburger Berufsfeuerwehr der Maschine. Dadurch waren sie relativ schnell an der Unglücksstelle und konnten mit den Rettungsund Löscharbeiten beginnen. Die Freiwilligen Feuerwehren von Hasloh und den umliegenden Gemeinden sowie Rettungsdienste bis hin zum späteren Einsatz der Bundeswehr ergänzten die umfangreichen Maßnahmen. Bis zu 300 Rettungskräfte waren bis spät in die Nacht im Einsatz. Das Löschwasser musste z.B. mit Tanklöschfahrzeugen herbeigeschafft werden, auch sie wurden von Schaulustigen behindert! Hydranten oder offene Wasserstellen gab es nicht in der Nähe.

      Auch wenn hinterher versucht wurde, die Leistung der Cockpitbesatzung, des Flugkapitäns, der Co-Pilotin und des Co-Piloten zu bemäkeln und kleinzureden, ich bleibe dabei, sie haben eine fliegerische Meisterleistung vollbracht. Daran ändern auch die leider zu verzeichnenden 22 Opfer nichts. Und das hat nichts damit zu tun, dass etwa Opfer und Überlebende gegengerechnet wurden.

      Für alle Beteiligten bot die Unglücksstelle das Bild eines Schlachtfelds. Bei vielen werden die Bilder auch später immer noch wieder hochgekommen sein. Für jeden galt es, die Erlebnisse zu verarbeiten. Das konnte am besten in der Gruppe erfolgen, gemeinsam mit Kameraden der Feuerwehren oder mit Kollegen in den Dienststellen der Polizei und der Kriminalpolizei. Professionelle Hilfe durch entsprechend ausgebildete Psychologen, Berater oder Seelsorger gab es seinerzeit noch nicht. Jeder musste sehen, wie er selbst für sich damit fertig werden konnte.

      Ich will dieses Kapitel nicht abschließen, ohne ein paar Worte der Co-Pilotin zu widmen. Die zum Unglückszeitpunkt 32 Jahre junge Frau war der erste weibliche Flugkapitän in Deutschland. Sie hatte diese Flugkatastrophe überlebt und flog auch nach der Notlandung weiter. Ich hätte nie geglaubt, dass sich nach dem Vorfall in Hasloh noch einmal unsere Wege kreuzen würden. Wer konnte denn in jenem September 1971 ahnen, dass knapp 16 Jahre später, am 31. Mai 1987, sie wiederum als Co-Pilotin ein zweites Mal abstürzen würde. Bei diesem Absturz kam sie dann aber ums Leben.

      Darum geht es in dem Kapitel: »Dim the light! – Flugzeugabsturz des MP Dr. Dr. Uwe Barschel in Lübeck«.

       Was lange währt, wird endlich gut!

      Deutsches Sprichwort

       Erfolg nach 4 Jahrzehnten

      Wenn eine Mordkommission wegen der Besonderheit eines Falles, eines gewaltigen Arbeitsaufkommens und der schon erwähnten Eilbedürftigkeit nicht mit dem Stammpersonal auskam, mussten schon immer Kräfte von anderen Kommissariaten oder Dienststellen zur personellen Verstärkung zugeordnet werden. Dazu gehörten in schöner Regelmäßigkeit auch sämtliche Kriminalanwärter, die dann, oft zum Unwillen ihrer jeweiligen Ausbildungsleiter, alles stehen und liegen lassen mussten / durften und keiner sagen konnte, wann sie wieder zurück sein würden.

      Es war im Juni 1969, als auch mir als Kriminalanwärter diese »Ehre« zuteil wurde. Im Kreis Segeberg, nördlich der Hansestadt Hamburg, war im Vorgarten eines Hauses die Leiche einer 22-jährigen jungen Frau gefunden worden. Ihr Unterleib war entblößt, die Unterwäsche war zerrissen, sie war Opfer eines Sexualmörders geworden! Die Tatortarbeit war den fachkundigen taktischen und technischen Beamten der Mordkommission vorbehalten, wir als »Hilfskräfte« wurden bei der Absuche der näheren Umgebung des Tatortes und bei der Befragung der Anwohner eingesetzt. Auch diese Tätigkeiten waren nicht nur unumgänglich sondern auch dringend geboten. Derartige Befragungen trugen und tragen auch heute noch die treffende Bezeichnung »Klinkenputzen«. Wir gingen von Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung, klapperten einen ganzen Ortsteil ab, teilten mit, was der Anlass unseres Besuches war und stellten immer wieder dieselben Fragen: »Haben Sie etwas gesehen? Können Sie sachdienliche Angaben machen? Wer wohnt noch bei Ihnen, den wir auch fragen könnten?«, denn wir konnten uns ja nicht auf die gerade anwesenden Personen beschränken.

      Es war wie stets ein mühseliges Unterfangen, nicht immer trifft man jemanden an, weil viele Leute tagsüber zur Arbeit sind. Also – mehrfach versuchen! Überstunden waren vorprogrammiert, da wir oftmals erst am Abend zum Erfolg kamen. Während die Mordkommission weiterhin unermüdlich versuchte, einen Täter zu ermitteln, waren wir Anwärter relativ schnell wieder bei unseren Stammdienststellen. Selbstverständlich aber verfolgte ich den Fortgang der Ermittlungen, schließlich war ich ja auch »stolzes« Mitglied einer Mordkommission gewesen! Und das sogar schon am Anfang meiner Laufbahn.

      Eine Erfolgsmeldung blieb leider für Monte aus. Wie hieß es so schön, aber lapidar: die Ermittlungen dauern an. Sie hatten u.a. ergeben, dass der Täter sein Opfer an einer Bushaltestelle traf und in seinem Fahrzeug mitgenommen haben musste. Wo er die junge Frau dann später tötete, blieb unbekannt. Die Rechtsmediziner stellten fest, dass sie vergewaltigt und erwürgt worden war. Hinweise, die auf einen Tatverdächtigen hindeuten könnten: Fehlanzeige! Auch wenn sie seinerzeit noch nicht einem Tatverdächtigen zuzuordnen waren, gab es immerhin eine Reihe von kriminaltechnischen Spuren, die gefunden und gesichert wurden. Sie wurden für den Fall aufbewahrt, dass irgendwann in der Zukunft ein Abgleich möglich sein könnte.

      Stattdessen ein neuer Fall: im September 1969 meldeten Angehörige ihre 16 Jahre alte Verwandte als vermisst. In dem gleichen Gebiet des Mordes vom Juni war das Mädchen verschwunden. Da läuteten bei den Kriminalisten sämtlicher Dienststellen alle Glocken!

      Dieses Verschwinden der jungen Frau wurde deshalb nicht nur als Vermisstensache bei der örtlich zuständigen Dienststelle bearbeitet, auch wurde sofort wieder eine verstärkte Mordkommission eingesetzt. Und wieder gehörten wir zu den Verstärkungskräften, also sämtliche Kriminalanwärter der Behörde.

      Die 16-Jährige wurde zuletzt gesehen, als sie gegen 20.00 Uhr eine Diskothek verließ. Zeugen beobachteten sie zuletzt an einer stark befahrenen Durchgangsstraße, wo sie versuchte, als Anhalterin mitgenommen zu werden. Dass ein derartiges Verhalten sehr gefährlich sein konnte, war allgemein bekannt. Nicht nur die kriminalpolizeilichen Vorbeugungsratschläge, die Medien und auch die Eltern minderjähriger Kinder hatten ständig auf diese Gefahren hingewiesen. Damals war die Motorisierung von Disko-Gängern noch längst nicht auf einem mit heute vergleichbaren Stand. Und das Leistungsangebot des öffentlichen Nahverkehrs mit Bussen, Bahnen oder sogar »Disko-Bussen« ließ doch noch stark zu wünschen übrig! Taxis waren zu teuer.Also, was blieb? Trampen! Und es kam, was kommen musste: in einem der Fahrzeuge, das anhielt, saß