Astrozyten haben, je nachdem in welchem Teil des Nervensystems sie sich befinden, eigene Namen. Bergmann-Glia nennt man eine spezialisierte Astrozytenpopulation in Kleinhirn. Sie spielen dort unter anderem eine wichtige Rolle für die Migration der Nervenzellen während der Entwicklung.7 Müller-Zellen sind die Gliazellen der Retina. Diese versorgen die Ganglienzellen der Retina mit Nährstoffen und entfernen deren katabole Stoffwechselprodukte. Sie regulieren den pH-Wert und die Konzentration der Ionen im Extrazellulärraum. So nehmen sie z. B. Kaliumionen auf, welche die Bipolarzellen bei der Depolarisation in den Extrazellulärraum ausschütten und setzen sie bei Bedarf an anderer Stelle wieder frei („Kalium-Siphoning“). Ihnen wird darüber hinaus eine wichtige Funktion in der Entwicklung und bei regenerativen Prozessen zugeschrieben.8 Zu guter Letzt gibt es noch die Pituizyten. Dies sind spezifische Gliazellen des Hypophysenhinterlappens (Neurohypophyse).
Der Mechanismus der neurovaskulären Kopplung kann klinisch für die Darstellung neuronaler Aktivität (PET; Positronen-Emissions-Tomographie) ausgenutzt werden. Die Positronen-Emissions-Tomographie beruht im Wesentlichen auf einem lokalen Anstieg der zerebralen Durchblutung bei Gehirnaktivität, vermittelt durch Astrozyten. Eingesetzt wird diese Methode unter anderem bei der Diagnose des M. Parkinson. Hierbei handelt es sich um eine Störung dopaminerger Zellen. Radioaktiv markiertes Dopa hilft zusätzlich, die metabolische Störung im Striatum (dem beim M. Parkinson unter anderem betroffenen Gehirnteil) quantitativ darzustellen.
Oligodendrozyten und Schwann-Zellen
Oligodendrozyten und Schwann-Zellen bilden Myelin. Es handelt sich hierbei um eine lipidreiche Biomembran, welche die Axone der meisten Nervenzellen von Wirbeltieren spiralförmig umgibt und somit elektrisch isoliert. Myelin wurde 1854 von dem Pathologen Rudolf Virchow (1821–1902) mittels Lichtmikroskopie an Gewebeschnitten entdeckt. Er fand in Nervenfasern eine Markscheide und schlug vor, sie Myelin (griech. μυελός - „Mark“) zu nennen (Abb. 1.12).
Myelinscheiden
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines myeliniserten Axons im Bereich des Corpus callosum. Die Myelinscheide stellt sich in dunkelgrauen Schichten dar, die um das hellere Axon gewickelt sind.
Im Vergleich zu anderen Biomembranen weist Myelin einen besonders hohen Lipidgehalt (70 %) und einen relativ geringen Proteinanteil (30 %) auf. Daher erscheint Myelin in der makroskopischen Sicht weiß, weshalb stark myelinisierte Regionen im Zentralnervensystem auch als „weiße Substanz“ bezeichnet werden, im Gegensatz zur gering myelinisierten „grauen Substanz“. Darauf werden wir im nächsten Kapitel noch genauer eingehen. Myelinscheiden findet man nicht nur um die Axone des zentralen sondern auch des peripheren Nervensystems. Sowohl im zentralen als auch peripheren Teil des Nervensystems sind die Myelinscheiden entlang der Axone regelmäßig von den Ranvier-Schnürringen unterbrochen (siehe Lehrbücher der Physiologie). Nur an den Ranvier-Schnürringen entstehen Aktionspotenziale, nicht aber in den myelinisierten Bereichen des Axons (Internodien). Dieser Aufbau ermöglicht die saltatorische Erregungsleitung, welche deutlich schneller als die kontinuierliche Erregungsleitung nicht-myelinisierter Fasern ist. Außerdem spart diese Art der Erregungsleitung Energie, da ein Aktionspotenzial nur am Ort der Schnürringe und nicht kontinuierlich entlang eines Axons aufgebaut werden muss. Myelin wird im Zentralnervensystem von Oligodendrozyten, im peripheren Nervensystem von Schwann-Zellen gebildet. Ein wichtiger Unterschied bei den myelinbildenden Zellen besteht darin, dass eine Oligodendrogliazelle mehrere Axone mit Myelin versorgt, während jede Schwann- Zelle nur ein einziges Axon mit Myelin umgibt (Abb. 1.13).
Myelinisierung von Axonen
In der Peripherie werden die Myelinscheiden von Schwann-Zellen produziert. Im Zentralnervensystem übernimmt diese Funktion der Oligodendrozyt.
Durch die Myelinscheide springt ein Aktionspotenzial von einem Ranvier-Schnürring zum nächsten.
Die schnelle Weiterleitung des Aktionspotenzials ist funktionell von großer Bedeutung. Um die Geschwindigkeit dieses Impulses zu erhöhen, hat die Evolution zwei unabhängige Mechanismen entwickelt. Ein Mechanismus besteht darin, den Axondurchmesser zu vergrößern, wie es z. B. beim Tintenfisch der Fall ist (hier gilt: je größer der Durchmesser eines Axons, desto schneller die Leitungsgeschwindigkeit). Er beträgt hier fast einen Millimeter! Der zweite Mechanismus ist die Myelinisierung, also das Umwickeln des Axons mit den Membranen von Oligodendrozyten oder Schwann-Zellen. Funktionell wird durch die Myelinisierung die Membrandicke des Axons erheblich vergrößert und die Leitungsgeschwindigkeit stark erhöht.
Der Durchmesser des Axons und die Dicke der Myelinschicht stehen in einem direkten Zusammenhang. Je dicker ein Axon, desto dicker auch seine Myelinschicht und desto schneller seine Leitungsgeschwindigkeit. Dieser Umstand kann in der Forschung ausgenutzt werden. Axone, die im Rahmen einer demyelinisierenden Erkrankung, wie etwa der Multiplen Sklerose, ihre Myelinschicht verlieren, können sich regenerieren: man spricht von Remyelinisierung. Dieser Regenerations-Mechanismus ist jedoch nicht ganz so effektiv wie die Myelinisierung im Rahmen der Entwicklung. Die Folge ist, dass die Dicke der Myelinschicht im Verhältnis zur Dicke des Axons dünner als gewöhnlich ausgebildet ist. So kann erkannt werden, ob eine Remyelinisierung stattgefunden hat oder nicht.
Saltatorische Erregungsleitung
Die Reizweiterleitung durch elektrische Impulse ist eine Gemeinsamkeit, die alle Lebewesen miteinander teilen. Dennoch gibt es z. B. bei der Erregungsweiterleitung Unterschiede:
Bei einer kontinuierlichen Erregungsleitung wird die Erregung durch das Axon mittels einer fortlaufenden Bildung des Aktionspotenzials weitergeleitet. Folglich muss an jeder Stelle des Axons eine Depolarisation stattfinden. Eine kontinuierliche Erregungsleitung ist vor allem bei wirbellosen Tieren wie Tintenfischen oder Regenwürmern die Form der Erregungsweiterleitung. Tintenfische besitzen besonders dicke Axone (Riesenaxon), zurückzuführen auf evolutionäre Gründe: Die Geschwindigkeit der Erregungsleitung lässt sich bei der fortlaufenden Bildung eines Aktionspotenzials nur durch eine Vergrößerung