Die Schale spaltete sich von der Unterseite aus in der Mitte und mit einem reißenden Geräusch ergoss sich ein gewaltiger Schwall zähflüssigen Fruchtfleisches über den Pfad. Die Frucht öffnete sich. Eine Wolke unterschiedlicher Gerüche wehte dem Affen ins Gesicht. Es roch nach süßen Früchten, Vanille und blühenden Sträuchern im Frühling.
Der Affe starrte konzentriert mitten in den zähen Haufen aus unförmigem Fruchtfleisch. Er nickte zufrieden, als sich dort etwas bewegte. Während sich die klumpige Masse langsam zu großen Pfützen aufteilte, wurde eine Gestalt sichtbar. Der Affe erkannte Beine und Arme, sowie einen kahlen Kopf. Es handelte sich zweifellos um einen Menschen. Er sah genauer hin.
Eine junge Frau, um genau zu sein. Aber schon ausgewachsen. Die Gestalt lag auf dem Rücken und hatte begonnen, desorientiert mit den Gliedmaßen zu zappeln. Jetzt rollte sie unbeholfen auf den Bauch und schob sich schwach in eine kniende Position. Sie stützte sich schwer auf die Arme, ließ einen Moment lang den Kopf hängen und begann, flüssige Schwalle aus rotem Fruchtsaft hervorwürgend, sich auf den Boden zu erbrechen. Mehr von dem süßen Geruch reifer Früchte wehte dem Schimpansen entgegen. Er sah der Gestalt eine Weile beim Würgen zu, während er gedankenverloren seine Banane schälte. Schließlich biss er nachdenklich in die Frucht, ohne seine Augen von dem Schauspiel zu nehmen.
„Das ist ja ekelhaft“, kommentierte er kauend.
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„Keine Sorge“, erklärte der Affe und sah aufmunternd über die Schulter zu seiner Begleiterin. „Wir sind gleich da.“
Sie liefen schon seit einer Weile den Astpfad entlang und waren ein paar Mal auf schmalere Wege abgebogen, die sich in weiten Kurven durch den Wald zogen und dabei immer wieder verzweigten. Der Schimpanse hielt die junge Frau bei der Hand und zog sie mehr oder weniger nachdrücklich hinter sich her. Zuerst war er zügig vorausgelaufen, doch sie blieb immer wieder stehen und sah stumm zum fernen Blätterdach empor. Die ganze Zeit über sprach sie kein Wort. Irgendwann griff er sie sanft bei der Hand und führte sie langsam, aber stetig die Pfade entlang, während er auf seine freie Hand gestützt vorweg ging.
Die Frau folgte ihm wie ein gehorsames, aber resigniertes Haustier, welches sich apathisch in sein Schicksal fügte. Er entdeckte keinerlei Anzeichen von Gegenwehr, geschweige denn überhaupt eine Reaktion. Sie schien auch vollkommen indifferent gegenüber ihrer Nacktheit oder dem klebrigen roten Schleim, der immer noch ihren ganzen Körper bedeckte. Gelegentlich wischte sie sich flüchtig über die Augen und blinzelte angestrengt. Danach starrte sie noch eine Weile lang ihre verklebte Hand an und bewegte sie hin und her, als wäre sie unschlüssig, was sie damit anfangen sollte.
Der Affe beobachtete dies und erklärte: „Ich weiß, es ist alles sehr verwirrend, aber das ist völlig normal. Dein Geist lag die ganze Zeit über in einem tiefen Schlaf und ist es noch nicht gewohnt, so viel Input zu verarbeiten. Es ist, wie aus einem tiefen Traum zu erwachen und nicht gleich wieder in die Realität zu finden. Das kann auch noch ein paar Stunden dauern.“
Die junge Frau schwieg und starrte wieder in den grünen Himmel empor. Sie zeigte keinerlei Furcht vor ihrer Umgebung, nicht einmal die tiefen Abgründe zu beiden Seiten des Weges schienen sie zu beeindrucken. Der Affe wusste noch nicht, ob er das als gutes oder schlechtes Zeichen werten sollte.
„Schau, da vorne ist schon unser Ziel. Das hat doch nicht lange gedauert, oder? Ich bin sicher, es wird dir gefallen.“
Der Astpfad wand sich einige Meter voraus in einer engen Spirale auf und bildete eine waagerechte Plattform mit einem Durchmesser von etwa fünf Schritt. Keine drei Meter darüber kreuzte ein anderer, breiter Weg. Dicht mit kleinen Blättern bewachsene Lianen hingen zu beiden Seiten herab und umgaben die Plattform wie ein Vorhang. Der Affe zog die Frau durch die Blätter in den kühlen Schatten und zeigte nach oben. Über ihnen hing eine Traube von großen sackartigen Früchten von der Unterseite des Astpfades herab. Die durchscheinenden Gewächse liefen spitz zu und endeten in dünnen Fortsätzen, die dicht über dem Kopf der jungen Frau baumelten.
„Nur zu“, ermunterte der Affe und wies auf die Wurzeln. „Einfach ausprobieren.“
Die Angesprochene starrte einen Moment lang ausdruckslos zu den Früchten empor, dann griff sie zaghaft nach einer der Wurzeln und zog vorsichtig daran. Die Frucht über ihr gluckerte leise und öffnete zahllose kleine Poren auf ihrer Unterseite. Ein warmer Regen aus duftendem Wasser fiel auf die Frau herab.
Der Affe war einige Schritte zurückgewichen, sorgsam darauf achtend, nicht nass zu werden, und beobachtete die Frau aufmerksam. Diese stand eine Zeit lang einfach regungslos unter dem Wasser und sah zu den Früchten empor, während sich das schleimige Fruchtfleisch langsam von ihr löste und zu Boden rann. Schließlich sah er, wie sich ihre Schultern langsam entspannten, und hörte ein kleines, wohliges Seufzen. Er erlaubte sich ein erleichtertes Lächeln.
Soweit, so gut. Warmer Regen ist bei Menschen immer erstaunlich effektiv.
Er beobachtete die Frau, die weiter regungslos unter dem fließenden Wasser stand und musterte sie kritisch. Zuerst glaubte er, ein Kind vor sich zu haben. Hauptsächlich wegen der schmalen Hüften und der sehr kleinen Brüste. Aber sie war zu groß und bewegte sich falsch. Die Art, wie sie ihren Körper benutzte, verriet eine deutlich ältere Person.
Ich frage mich, ob das Absicht ist, oder ob ich es schon wieder mit korruptem Code zu tun bekomme. Egal, wir werden es herausfinden. So oder so.
Die Wasserfrucht hatte ihren Inhalt derweil vollständig entleert und die junge Frau aktivierte bereits die nächste. Ein Schwall herben Kräuterduftes zog über den Affen hinweg. Er nickte langsam und zog sich für einen Moment auf die andere Seite des Vorhangs zurück, um entlang des Astpfades nach etwas Essbarem zu suchen. Er fand eine große, orange Frucht mit spitzen roten Stacheln, die an einer Liane dicht neben dem Pfad wuchs und angelte sich seinen nächsten Imbiss. Vorsichtig brach er die Frucht auf, knabberte aber nur ein wenig an dem fleischigen Inhalt herum. Als er kurz darauf durch den Blättervorhang trat, stand die Frau bereits unter der dritten Wasserfrucht. Diesmal roch es nach Rosen. Der Affe nahm wieder Platz und wollte sich gerade seinem Imbiss widmen, als die Frau die Augen öffnete und ihn zum ersten Mal direkt ansah.
Er erstarrte mit offenem Mund und versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, was ihm jedoch nicht gelang.
Es ist tatsächlich eine Intelligente, dachte er fassungslos.
Die Frau starrte ihn schweigend an, während der Affe mit offenem Mund vergaß, seine Frucht zu kauen. Schließlich sprach sie mit leiser Stimme: „Ich kann mich nicht erinnern.“
Der Affe schluckte schwer.
„Das …“, stammelte er, „das ist völlig normal. Dein Hirn muss erst noch lernen, richtig zu arbeiten. Es kann eine Weile dauern.“
Die Frau machte nicht den Eindruck, als hätte sie auch nur ein Wort davon gehört.
„Dieser Ort …“, fuhr sie fort und verstummte. Sie blinzelte und versuchte es erneut: „Was ist dies für ein Ort? Er ist so seltsam.“
„Oh, glaub mir“, erwiderte der Affe und bemühte sich um einen aufgeräumten Tonfall. „Das ist noch gar nichts. Wir sind erst am Anfang. Von hier an wird es nur noch viel seltsamer.“
Sie starrte ihn weiter aus regungslosen Augen an und der Affe rutschte nervös am Boden umher.
„Ich hole dir mal etwas zum Abtrocknen“, verkündete er schließlich laut, ließ die Frucht fallen und verschwand schnell wieder auf der anderen Seite des Vorhangs. Dort atmete er tief durch und blickte suchend umher. Er wanderte ein Stück den Weg zurück und fand das Gesuchte schließlich am Rand eines unscheinbaren Seitenpfades.