Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955014674
Скачать книгу
»nimmt ihm ja nicht das Recht, Euch auf der Straße zu begegnen.«

      Da musste sie laut herauslachen. Ihr Mann aber, statt ihr einen Dolch in den Hals zu stoßen, brach bei diesem Lachen in bittre Tränen aus, und so schwer wurde ihm das Herz und so sehr verlor er alle Besinnung, dass er fast einen armen Teufel über den Haufen gerannt hätte, der sich von der vorübergetragenen königlichen Schönheit kitzeln ließ wie von den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne.

      Der Anblick dieser wunderbaren Blume, die man ihm ehemals als Knospe unter die Nase gehalten und die nun aufgeblüht war zu berauschendem Duft und Glanz gleich einer Märchenfee, machte den armen reichen Advokaten krank vor Schmerz und verliebter, als es menschliche Worte aussprechen können. Man muss einmal von einer Geliebten bis zur Tollheit berauscht gewesen sein, ohne sie zu besitzen, um zu begreifen, was in der Seele dieses Mannes vor sich ging; doch wird eine so heiße Leidenschaft wie die seinige zu aller Zeit eine seltene Sache sein.

      Er tat also bei sich einen heiligen Schwur, dass er Leben und Reichtum und Ehre darangeben wolle, um wenigstens einmal in den unverkürzten Besitz seines rechtmäßigen Eheweibs zu gelangen, und gründlich wolle er sie dann besitzen und ganz aus dem Effeff und wenn ihm darüber der Atem ausgehen sollte für immer.

      Die ganze Nacht tat er kein Auge zu, und tausendmal sagte er sich's vor: »Ja, ich werde sie haben, ich bin ihr Ehemann! Bei allen Teufeln! Bei allen Engeln Gottes!« Und er schlug sich vor die Stirn und wälzte sich auf seinem Lager.

      Es gibt aber in dieser Welt Zufälle, die von kleinen Geistern nicht geglaubt werden, weil sie fast wunderbar scheinen; indes die starken Köpfe keineswegs daran zweifeln, weil sie wissen, dass man dergleichen nicht erfinden könnte. Einen solchen wunderbaren Zufall erlebte unser Advokat just am andern Morgen nach der eben besprochenen Nacht und seinem einsamen Liebesjammer. Da trat in seine Schreibstube einer seiner Klienten, der ein vornehmer und mächtiger Mann bei Hofe war und Zutritt zum König hatte, sooft er wollte; dieser erklärte dem Advokaten, dass er ohne Aufschub zwölftausend Dukaten brauche, worauf der Mann im Pelzbarett zur Antwort gab, dass man zwölftausend Dukaten nicht eben auf der Straße auflesen könne, dass es nötig wäre, außer Bürgschaft und Sicherheit für die Interessen einen Mann zu finden, bei dem die genannten zwölftausend Dukaten mit gekreuzten Armen gerade müßig säßen, dass einem ein solcher Mann nicht an jeder Straßenecke begegne und was sonst die Herren Geldverleiher bei derartigen Gelegenheiten für ein Geschmus zu machen pflegen.

      »Ihr habt also wohl, gnädiger Herr«, forschte der Advokat, »einen unbequemen Gläubiger, der Euch in die Enge treibt?«

      »Gewiss, gewiss«, antwortete der andere. »Und es ist niemand anders – aber dass Ihr mir kein Wort darüber verliert – als die Geliebte des Königs; für nur zwölftausend Dukaten und mein Gut in Brie will ich ihr heute Abend Maß nehmen.«

      Bei diesen Worten erbleichte der Anwalt. In dem Höfling stieg eine Ahnung auf, dass er sich verplappert haben könne; er war erst aus dem Kriege zurückgekehrt und wusste nicht, dass das Königsliebchen einen Herrn Gemahl hatte.

      »Was ist Euch?« fragte er den Advokaten.

      »Ich habe ein wenig Fieber«, antwortete der Wucherer; »aber sagt mir, wem habt Ihr das Geld und den Kontrakt zu übergeben, doch nicht ihr in Person?«

      »Ihr ganz allein.«

      »Und Ihr habt keinen Unterhändler?«

      »O doch«, antwortete der Edelmann; »solche Kleinigkeiten und Bagatellen werden durch eine Zofe besorgt, die das geriebenste Kammerkätzchen ist, das man sich denken kann. Oh, die ist durch wie ein Sieb, und es wird schon etwas an ihren feinen Fingern hängenbleiben von dem Kaufpreis der Nächte, um die sie den König betrügt.«

      »Ich weiß einen befreundeten Wechsler«, erwiderte der Anwalt, »durch den Euch wohl geholfen werden könnte; aber keinen Finger will ich rühren, und von den zwölftausend Dukaten sollt Ihr nicht einen roten Heller bekommen, außer Ihr sorgt dafür, dass die genannte Kammerzofe selber hierherkommt und den Preis für die wundersame alchimistische Retorte, die Blut in Gold verwandelt, selber in Empfang nimmt.«

      »So recht«, sprach lachend der Edelmann; »Ihr werdet nicht vergessen, Euch die Quittung von ihr geben zu lassen.«

      Die Zofe kam zur festgesetzten Stunde und fand bei unserm Advokaten die Herren Dukaten bereits auf sie warten; in kleinen Säulen aufgereiht, schön geordnet wie Nonnen, die zur Vesper gehen, blinkten sie ihr entgegen auf dem Tisch des Anwalts. Selbst ein verprügelter Esel hätte ihnen ein freundliches Gesicht gemacht, so schön und leuchtend waren sie, diese braven, edlen, jungen Gesellen.

      Aber der Anwalt hatte dieses Schauspiel nicht für einen alten Esel berechnet, und das Kammerkätzchen – er hatte es so vorausgesehen – leckte sich bei ihrem Anblick die Lippen, war mehr Kätzchen in diesem Augenblick als je und sah das Gold mit Augen an – ihr könnt euch denken, mit was für Augen!

      »Das soll alles Euch gehören!« flüsterte ihr der betrogene Ehemann ins Ohr.

      »Ah«, wispelte sie, »so teuer bin ich noch nie bezahlt worden.«

      »Mein Schätzchen«, sprach der Mann, »Ihr sollt die gelben Vögel haben ohne das, was Ihr meint. Einstweilen sagt mir eins. Euer Auftraggeber hat Euch wohl nicht meinen Namen genannt? So wisst, ich bin der richtige und wahrhaftige Ehemann der Dame, die sich der König zu seinem Vergnügen hält und die Eure Herrin ist. Bringt ihr diese Dukaten und kommt hierauf zurück, so will ich Euch zwölftausend andere vorzählen, und Ihr sollt mit meiner Bedingung dafür zufrieden sein.«

      Die Zofe erholte sich rasch von ihrem ersten Erstaunen; sie war nur zum Sterben begierig, wie sie die zwölftausend Dukaten verdienen könne, ohne den Geldmenschen auch nur zu berühren, und ließ also mit ihrer Rückkunft nicht lange auf sich warten.

      »Nun gib acht, mein Schätzchen«, sprach der Ehemann, »hier sind zwölftausend Dukaten. Mit zwölftausend Dukaten aber, musst du wissen, kauft man Landgüter, Menschen, Weiber und das Gewissen von wenigstens drei Pfaffen; so zweifle ich nicht, dass ich für diese zwölftausend Dukaten auch dich kaufen kann mit Leib, Seele, Eingeweiden und was dazu gehört. Und ich habe Vertrauen in dich, das Vertrauen eines Wucherers, der gibt, um zu erhalten. Höre also, was ich von dir verlange. Du wirst ohne Aufschub zu dem Edelmann gehen, der glaubt, dass er diese Nacht von meiner Frau erwartet wird, und wirst ihm weismachen, dass er sich diesen Gedanken für heute Abend aus dem Kopf schlagen und sein Pferd für diesmal in Gottes Namen in einem andern Stall einstellen müsse, da in letzter Stunde der König sein Nachtmahl bei der Dame bestellt habe ... Dann wirst du dafür sorgen, dass ich die Nacht an seiner und des Königs Stelle sei.«

      »Aber wie?« fragte das Mädchen.

      »Oh«, antwortete er, »ich habe dich gekauft, dich und deinen Witz. Ich bin auch überzeugt, dass du die Dukaten nicht zweimal zu betrachten brauchst, ohne den Weg zu entdecken, der mich zu meiner Frau führt. Du wirst ohnedies dabei deine Seele nicht mit der geringsten Sünde belasten. Vielmehr wird es ein gottgefälliges Werk sein, zwei Eheleute zusammenzubringen, die sich ihre Hand gegeben haben vor dem Priester.«

      »Bei meiner Kleinen«, sagte sie, »Ihr sollt Euch nicht geirrt haben. Kommt heute Abend, nachdem alle Lichter ausgelöscht sind, und Ihr sollt Eures Weibes froh werden, vorausgesetzt, dass Ihr den Schnabel halten könnt, solang Ihr bei ihr seid. Sie selber pflegt bei solchen Gelegenheiten mehr zu kreischen als zu reden und alle Fragen mit ihrem Körper, der von großer Eloquenz ist, zu beantworten. Denn sie ist sehr schamhaft und hasst unsaubere Reden, die sonst bei den Damen vom Hof so beliebt sind ...«

      »Brav«, sagte der Advokat; »nimm diese zwölftausend Dukaten, und ich verspreche dir noch einmal doppelt soviel, wenn ich wie ein Dieb in der Nacht mir nehmen kann, was mir gehört vor Gott und den Menschen.«

      Sie besprachen dann miteinander genau die Stunde, die Gelegenheit des Ortes, was sie ihm für ein Zeichen geben wolle und alles; dann machte sich die Zofe auf den Weg, begleitet von den lustigen goldenen Groschen, die, einer nach dem andern, den Witwen, Waisen und auch andern Leuten mit den bekannten Advokatenkniffen aus der Tasche gelockt waren und die nun alle in die besagte alchimistische Retorte wanderten, in der