Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027226405
Скачать книгу

      Was gehen mich Ihre Schuhe an? Laufen Sie nackt! Mit bloßen Sohlen!

      MAX

      Das tue ich ja!

      MÜLLER

      So passen Sie auf, daß Sie in keinen Reißnagel treten!

      MAX

      Man dankt für Ratschläge! Helfen Sie mir lieber die Schuhe suchen!

      MÜLLER

      Ich helfe keine Schuhe suchen!

      MAX

      Meine armen Zehen!

      MÜLLER

      Was gehen mich Ihre Schweißfüß an!

      MAX

      Schweißfüß?! Herr, das sind Zehen! Gepflegte Zehen! Polierte, rosige, zarte, zerbrechliche – das sind schon gar keine Zehen mehr, das sind Zehlein!

      MÜLLER

      brüllt: Halten Sie Ihr loses Maul! Woher will er wissen, was ich für Zehlein habe?!

      MAX

      Ich?

      MÜLLER

      Schluß! Ich möchte den Direktor Strasser! Aber sofort!

      STRASSER

      tritt aus dem Speisesaal rasch ein: Herr Generaldirektor!

      MÜLLER

      Ich bin kein Generaldirektor! Sie scheinen mich ja vergessen zu haben?

      MAX

      Wer das könnte!

      MÜLLER

      zu Strasser: Ich will Sie erinnern. Sie werden sich schon noch erinnern! Sie sollens nimmer vergessen! Garantiert!

      STRASSER

      Ach, Sie sind ja der Herr Müller! Ja, richtig! Der Müller von Hergt und Sohn – Ich habe Sie jetzt verwechselt. Verzeihen Sie, daß ich Sie mit meinem Freunde Generaldirektor Müller verwechselt habe. Aber diese Ähnlichkeit! Dasselbe markante Mienenspiel!

      MAX

      Natürlich! Aber natürlich!

      MÜLLER

      Finden Sie?

      STRASSER

      Frappant! Frappant! Stille.

      MAX

      Diese Schuhe – diese Schuhe – Bekümmert ab nach oben.

      STRASSER

      bietet Müller Platz an: Bitte –

      MÜLLER

      wehrt ab: Keine Konferenz! Selbst wenn ich Generaldirektor wäre, hier wird nicht geredet, hier wird bezahlt! Es dreht sich um jene sechs Kisten Sekt. Geliefert am siebzehnten Februar. Voriges Jahr.

      STRASSER

      Am fünfzehnten.

      MÜLLER

      Am sechzehnten! Bezahlen Sie, bezahlen Sie! Ja oder nein?

      STRASSER

      Nein.

      Müller setzt sich und schlägt wütend die Beine über Kreuz. Strasser beugt sich über den Tisch. Nein. Er setzt sich. Aber ich bin selbstverständlich bereit, Möglichkeiten zu erwägen –

      MÜLLER

      unterbricht ihn: Ich lasse pfänden, Herr! Pfänden!

      STRASSER

      Defizit. Garantiert.

      MÜLLER

      Ich lasse alles beschlagnahmen!

      STRASSER

      »Alles«? Ein unsolider Begriff!

      MÜLLER

      Und dann erstatte ich Strafanzeige: wegen Betrug!

      STRASSER

      Ach! Sie wollen sich selbst stellen?

      MÜLLER

      Mich selbst? Was soll das? Wieso?

      STRASSER

      Ich kenne nämlich einen Generaldirektor, einen gewissen Müller, der verkauft auch Autos, so nebenbei – und hat auch so nebenbei einen gewissen Strasser betrogen – ›betrogen‹ ist dabei noch galant formuliert.

      MÜLLER

      Wann soll denn das gewesen sein?

      STRASSER

      Am dritten März. Voriges Jahr.

      MÜLLER

      Was war das für ein Wagen?

      STRASSER

      Ein rotbrauner –

      MÜLLER

      unterbricht ihn: Ach, der Kleine!

      STRASSER

      Klein oder nicht klein! Der Staatsanwalt kennt nur Pferdekräfte!

      MÜLLER

      Sie wollen erpressen?

      STRASSER

      Ich könnte erpressen, aber ich will zu anständig sein.

      MÜLLER

      Was verdienen Sie dabei?

      STRASSER

      Nichts. Nichtmal sechs Kisten Sekt. Ich bin so und so bankrott.

       Draußen weht der Wind.

      Der Sommer war verregnet. Zu Weihnachten blühte der Flieder. Zu Ostern fiel Schnee. Schlechter Schnee. Kein Wintersport, nur Grippe. Verseuchte Saison. Kaum ein Gast. Ich hänge hier zu sehr vom Wetter ab.

       Der Regen klopft auf ein Dach.

      Hören Sie?

      MÜLLER

      Was?

      STRASSER

      Wie es regnet. Pfingsten naht. Wieder verregnet.

       Schweigen.

      MÜLLER

      Ich gratuliere. Sie haben ja einen außerordentlich vorteilhaften Vertrag mit dem lieben Gott. Solange Sie Grammophon spielen, scheint die Sonne – aber wie einer um sein Geld kommt, gibt es sogleich einen Wolkenbruch.

      STRASSER

      Also abgesehen vom lieben Gott: sehen Sie denn nicht, daß das Gras schon zur Türe hereinwächst? Die Kräuter?

      MÜLLER

      Was für Kräuter?

      STRASSER

      Mann, Müller! Sehen Sie doch nur diese ungeheure Verwahrlosung! Diese Einsturzgefahr! Man wagt ja kaum mehr Platz zu nehmen!

      MÜLLER

      Nanana! Der Stuhl unter ihm bricht zusammen; er stürzt zu Boden.

      STRASSER

      Es geht abwärts. Er zündet sich eine Zigarette an.

       Schweigen.

      MÜLLER

      am Boden: Bankrott. Hm – Was verdienen Sie dabei? Er grinst.

      STRASSER

      Sie fallen vom Stuhl!

      MÜLLER

      Würde Ihnen so passen!

      STRASSER

      Sie können es sich anscheinend nicht mehr vorstellen, daß jemand wirklich zu Grunde gehen kann?

      MÜLLER