MÜLLER
schnellt empor und läuft schäumend hin und her: Zuviel! Viel zuviel! Keine Kartoffel, keine Gurke, kein Schwein!
MAX
Herr Müller!
MÜLLER
Kein Schwein! Was haben Sie denn?!
MAX
Sie laufen ja!
MÜLLER
immer hin und her: Das geht Sie nichts an, Sie! Ich frage: was bekommt hier der, der Hunger hat? Zeigen Sie mir keine Speisekarten –
MAX
Nur Formsache!
MÜLLER
– geben Sie mir etwas zum fressen! Was haben Sie, was haben Sie?! Die Wahrheit!
MAX
Ich muß erst nachsehen.
Ada und Karl erscheinen.
ADA
Ha, der Herr Generaldirektor!
MÜLLER
Irrtum, Baronin! Ich bin kein Generaldirektor.
ADA
lächelt: Inkognito? Sie setzt sich an den bunt gedeckten Tisch.
MÜLLER
setzt sich auf seinen Platz: Mein Name ist Müller, Vertreter der Firma Hergt und Sohn, Weingroßhandlung, kurherzogliche Hoflieferanten, gegründet 1678 –
ADA
unterbricht ihn: Charmant! Sie werden mir immer charmanter – das haben Sie sich ja charmant ausgeklügelt, und ich will Ihren Willen tun – hören Sie, großes, dickes Kind: Ihren Willen tun, aber Sie dürfen ihn nicht falsch auffassen – Wir wollen auf unseren Willen trinken! Los! Mit Sekt! Mit dem Willen versetzt man bekanntlich Berge, wenn es sein muß. Ich hätte ja ursprünglich ein Mann werden sollen, ich wäre ein Cäsar geworden, ein Nero – Quo vadis, Herr Generaldirektor? Glotz nicht! Sekt! Sekt! Aber keinen von Hergt und Sohn! Faule Firma!
MAX
zu Müller: Ganz meine Meinung!
ADA
Daß man hier nichts anderes ausschenkt, als Jauche in Pullen!
MAX
stellt Gläser auf den Tisch: Darum trinken ja auch Herr Generalgeschäftsreisender meistens Wasser.
ADA
Aber was kann man denn machen, wenn man anstoßen will?! So trinken wir eben mit Jauche auf unsere Ideale!
KARL
hatte sich neben Ada gehockt: Pupille! Pupille! Max entkorkt eine Flasche mit Krach.
ADA
Salut! Und zusammen die Tische! Zusammen! Es geschieht. Ich lade ein! Ihr seid bei mir zu Gast, Herr Generaldirektor! Nach unserem Geschmack! Sie schnellt empor. Still! Sie starrt in sogenannte Fernen; lallt. – Ist das die Sehnsucht? Still! Jetzt zieht ein Choral durch meine Seele – Wenn ich die Wörter nur verstehen würde, diese Silben aus einem anderen Reich, so könnten wir singen –
KARL
Nur nicht singen!
MÜLLER
Schwätzt die immer so viel, wenn sie besoffen ist?
KARL
zu Müller: Sauf! Auf daß du Generaldirektor wirst!
MAX
hatte Flaschen auf den Tisch gestellt und sich gesetzt: Ihr habt auch schon gar keinen Sinn für Poesie.
KARL
Ich verblöde nie!
ADA
Sphärenmusik –
MÜLLER
nippt an seinem Glase: Ich finde den Sekt recht ordentlich. Oder?
MAX
Oder.
KARL
säuft aus der Flasche: Außerordentlich!
MÜLLER
Außerordentlich! Er leert sein Glas.
KARL
Wenn man dabei nur nicht hungern müßte!
MÜLLER
Dito!
MAX
Schwalbennester wären noch da.
MÜLLER
höhnisch: Sonst nichts?
MAX
Und Krücken.
Müller stiert ihn an; leert hastig sein Glas.
Emanuel erscheint.
ADA
erblickt ihn: Heiliger Himmel, du lebst ja auch noch! Was die Medizin vermag! Dieser Kopf! Wie er zittert, wie der zittert! Halt! Halt! Daß du ihn nur nicht verlierst! Die Würfel sind gefallen, aber das Resultat wird erst eine Sekunde vor Schluß verkündet – sonst ginge ja die Spannung flöten, und ich hasse die Langeweile – eine Sensation muß das werden! Eine Sensation!
MÜLLER
lacht: Jetzt hab ich das Wort! Sie sind ein Original, Baronin!
ADA
Nicht? – Nimm Platz! Darf man bitten, Sensation! Ohne Vorwort, und keine Kritik!
Emanuel nähert sich widerwillig.
MÜLLER
schnellt empor und schlägt die Haken zusammen: Müller!
Emanuel steif; murmelt; setzt sich an die weißgedeckte Seite.
KARL
Emanuel Freiherr von Stetten, genannt Bubi – Grün ist die Hoffnung, Schwager! Ex!
Emanuel schnellt empor; eilt an die Rampe; faßt sich an das Herz.
ADA
Was hat er denn? Was ist ihm denn schon wieder?
KARL
Der Idiot.
Ada schleicht zu Emanuel.
MÜLLER
zu Karl: Diese Beleidigung!
MAX
Ex! Saufen.
ADA
zu Emanuel: Daß du parierst! Daß du parierst!
EMANUEL
Kreuzige mich! Aber verlange nicht von mir, daß ich mit Kellner und Chauffeure an einem Tische trinke!
ADA
Das ist kein Kellner! Das ist kein Chauffeur! Das sind standesgemäße Personen! Die scheinen nur zum niederen Volke zu gehören, weil sie Unglück hatten. Das sind keine Arbeiter, keine Handwerker und so – der eine ist Ästhet, der andere war Plantagenbesitzer in Portugal, der dritte Star und Offizier! Die zählen nicht zum Volke, zur Masse, zum Plebs! Die gehören in die Salons! – Pech kann ein jeder von uns haben. Auch du. Bedenke! Darum habe Mitleid mit den Enterbten. Emanuel, ich appelliere an dein Standesbewußtsein, an Ritterlichkeit und Christentum!
EMANUEL
verbeugt sich ergriffen und küßt ihre Hand; eilt an den Tisch und erhebt sein Glas: Auf das Wohl, die Herren! Er leert sein Glas und schleudert es in den finsteren