»Sie hat sich nie in ihre Karten sehen lassen«, entgegnete Maud, und der Tonfall ihrer Stimme hatte etwas neidvoll Gehässiges. »Sie hat doch auch Glubb an der Nase herumgeführt.«
»Wie kann man das verstehen?« fragte Mike Rander.
»Glubb war doch nur vorgeschoben«, erläuterte Maud Elga. »Der hat das doch nie gemerkt. Aber als Frau hat man so ein Gefühl dafür.«
»Ich bin leider in diesem Fall keine Frau.« Mike Rander grinste.
»Na, dreimal in der Woche war sie doch irgendwo anders«, berichtete Maud Elga. »Ich nehme an, sie hatte sich noch einen Freund zugelegt.«
»Tatsachen?«
»Sie ließ sich ja nicht in ihre Karten sehen«, wiederholte Maud Elga noch einmal. »Aber Sie können sich darauf verlassen, daß das stimmt, was ich gesagt habe.«
Er öffnete die Tür einen Spalt. Er war erleichtert, als er Leutnant Handy sah, der in Begleitung einiger Beamten war.
»Nur Sie allein«, sagte Mike Rander zu dem Polizeioffizier. Handy fragte erst gar nicht lange, sondern schickte mit einer knappen Kopfbewegung die Beamten zurück auf den Flur.
»Was ist denn los?« fragte Handy erregt, als sie in der Wohnung standen. »Auf der Straße, im Haus, überall erzählt man sich, daß man hier eine Frau erschossen hat.«
»Das ist aber sehr gut.« Mike Rander grinste.
»Ich habe noch nicht gewußt, daß Sie ein Gemütsmensch sind«, meinte Leutnant Handy erstaunt.
»Besser kann es gar nicht sein«, erwiderte Mike Rander, und im gleichen Moment entdeckte der Polizeioffizier auch schon die Frau, die mit blutverschmierten Tüchern bedeckt war.
»War sie sofort tot?« fragte der Leutnant und ging zur Couch hinüber.
»Sie hofft, von Ihnen die gleiche Chance zu bekommen wie Helen Tunney«, meinte Rander grinsend.
»Geht das in Ordnung?« machte sich die »tote« Frau bemerkbar und richtete sich auf.
»Verdammt«, entfuhr es dem Polizeileutnant. »Ich beginne zu begreifen. Das ist keine schlechte Idee, Rander!«
Sie blieben noch zwei, drei Minuten im Raum allein, und der Polizeileutnant einigte sich mit der Frau. Er sagte ihr wie Helen Tunney zu, daß er sie nicht nennen würde, falls sie nicht in ein Kapitalverbrechen verwickelt wäre. Dann ging Leutnant Handy zurück zur Tür und flüsterte mit ergriffener Miene seinen Beamten einige Anweisungen zu. Wenige Minuten später erschienen zwei Krankenträger mit einer Bahre, und kurz darauf schaukelte Maud Elga in eine Decke gehüllt die Treppe hinunter und wurde in den Krankenwagen geschoben.
Mike Rander fand vor dem Haus noch das Taxi. Der Fahrer, der sich nach seinem Anruf ungeheuer wichtig vorkam, schilderte Rander noch einmal dramatisch alle Phasen seines Anrufs.
»Wohin wollen Sie, Sir?« fragte der Fahrer des Wagens Mike Rander. Der Anwalt schreckte aus seinen Gedanken hoch. Ja, wohin sollte er fahren? Er mußte auf jeden Fall wieder mit Parker in Verbindung kommen.
Mike Rander nannte seine Adresse und stieg nach knapp zwanzig Minuten aus dem Wagen. Außer dem Fahrgeld reichte er dem Fahrer noch einen hohen Anerkennungsschein in Banknotenpapier. Dann ging Mike Rander auf sein Haus zu. Als er den Schlüssel in das Türschloß stecken wollte, wurde die Tür weich von innen aufgezogen.
»Sie können sofort essen«, hörte er die Stimme seines Butlers.
»Essen ist zwar gut«, antwortete Mike Rander, »aber mich interessiert viel mehr, was Sie herausgefunden haben. Wohin ist Ann Torca gefahren, und vor allen Dingen, wer hat sie abgeholt?«
»Ich werde Ihnen die Fragen der Reihe nach ausführlich beantworten«, sagte Butler Parker würdevoll. »Nehmen Sie vorher einen Drink?«
»Warum machen Sie immer alles so spannend?« ärgerte sich Mike Rander laut. »Nun geben Sie schon einen Drink her, aber erzählen Sie um Gottes willen schnellstens, was Sie entdeckt haben.«
»Als Sie den Wagen verlassen hatten, Mister Rander«, begann der Butler weitausholend wie ein Rhapsode, »lenkte ich den Studebaker langsam an den Gehsteig heran und folgte Ihnen mit dem Wagen. Als Sie, Mister Rander …«
»Fassen Sie sich kurz«, unterbrach Mike Rander, der sich auf den Arm genommen fühlte. »Tatsachen will ich hören!«
»Sie folgten Miss Torca in ein Café. Miss Torca kam aus dem Café wieder heraus. Sie folgten ihr, sie stieg in einen Wagen, der auf sie entweder gewartet hatte oder von ihr bestellt worden war, und Sie mußten Zurückbleiben«, redete Butler Parker wie gewünscht in Stichworten. »Ich folgte dem Buick mit dem Wagen. Die Fahrt ging quer durch die Stadt, scheinbar, um eventuelle Verfolger abzuschütteln, dann wieder zurück in die City. In der Nähe des Main Houses stieg Miss Torca aus dem Wagen.«
»Wohin ging sie?«
»Sie verschwand in dem Hochhaus. Zu meiner Schande, Mister Rander, muß ich gestehen, daß ich Miss Torca nicht folgen konnte. Sie war in der Menge untergetaucht.«
»Resultat also?« fragte Mike sehr enttäuscht. »Abgesehen natürlich von Miss Torcas Auftreten in der Tide Street?«
»Immerhin die Nummer des Wagens, der sie durch die Stadt gefahren hat«, meinte Parker.
»Den Fahrer haben Sie nicht gekannt?«
»Ich hatte zwar den Eindruck, daß es Mister Lemming gewesen ist«, erwiderte der Butler. »Aber Eindrücke brauchen keine Tatsachen zu sein …«
*
Mike Rander erzählte dem Butler, was sich in der Trent Street ereignet hatte. Parker hörte schweigend zu, und als Mike Rander auf seine Idee zu sprechen kam, daß der zweite Freund von Miss Torca, von dem allerdings nur andeutungsweise gesprochen worden war, der geheimnisvolle Freund sein könnte, da nickte Butler Parker schwer.
»Ich bin wie Sie der Meinung, Mister Rander, daß wir unsere weiteren Nachforschungen nur noch auf Lemming, Purcel und dessen Neffen und auf Miss Torca auszudehnen brauchen. Ich glaube mit Sicherheit, daß einer von den drei genannten Männern der Leiter dieser Rauschgiftgang ist.«
»Wenn man streng logisch vorgeht, und dann noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit mit einkalkuliert, dann müßte Mike eigentlich Lemming sein.«
»Mister Rander«, begann wieder der Butler. »Wir haben bis jetzt Lemming und Purcel gesprochen. Miss Torca wird wohl erst nicht greifbar sein; aber sollten wir nicht einmal die Foto-Agentur besuchen und uns mit Purcels Neffen unterhalten?«
»Den Vorschlag hatte ich auch schon auf der Zunge«, warf Mike Rander ein. »Wenn Sie nicht allzu beleidigt sind, Parker, dann würde ich auf das Essen verzichten und sofort zum Maine House fahren.«
»Mister Rander, ich war und bin immer noch der Ansicht gewesen, daß die Arbeit vorgeht«, erwiderte Butler Parker.
Sie verließen den Bungalow, und Butler Parker, in schwarzem Mantel und schwarzer Melone, steuerte den Wagen in seiner schnellen und gekonnten Art durch den nachmittäglichen Verkehr in die City.
»Wir sind doch zu spät gekommen«, sagte Rander, und blieb unentschlossen stehen. »Schade, ich hätte mich verdammt gern mit Purcel unterhalten.«
»Ich werde versuchen, uns bemerkbar zu machen«, sagte Butler Parker. Er legte kurz entschlossen seinen Zeigefinger auf die Klingel und läutete anhaltend.
»Sie drücken sich ja nur den Finger wund«, sagte Mike Rander grinsend.
»Tut mir leid, daß es nicht …, da kommt ja doch noch etwas.«
Butler Parker, der sich noch nicht wie Mike Rander umgedreht hatte, sah einen Schatten, der sich gegen das helle Glas abzeichnete. Einige Sekunden später wurde die Tür spaltweit geöffnet.
»Wir möchten Mister Purcel sprechen«, sagte Mike Rander zu einem etwa dreißig Jahre