»Wohin geht’s jetzt?« fragte der Beamte weiter. Endlich brannte seine Zigarette, und er gab die Streichhölzer sehr lässig an Butler Parker zurück.
»Lemon Street 296«, erwiderte Mike Rander. »Eddy Purcel.« Der Beamte atmete hörbar und genußreich auf, fluchte ausgiebig auf die zugeknöpften Herrenfahrer und verschwand zwischen den anderen abgestellten Wagen.
»Handy ist uns schon auf den Fersen«, meinte Rander lachend. »Aber ich muß Ihnen ehrlich sagen, Parker, daß mich das sehr beruhigt. Die Sache wird heißer, als ich angenommen habe.«
Kurz Zeit später bog Parker bereits in die Lemon-Street ein.
»Purcel hat einen erstaunlich komfortablen Bungalow«, stellte Rander etwas überrascht fest. »Außerdem scheint er auch noch auf zu sein.«
»Natürlich, es brennt ja auch noch Licht in seinem Haus«, stellte Butler Parker scharfsinnig fest. Gemeinsam stiegen sie aus dem Studebaker. Schon nach dem ersten Läuten sprang das Torschloß zum Garten auf.
»Mister Purcel scheint einen sehr gut geschulten Berufskollegen von mir zu beschäftigen«, mutmaßte Butler Parker. »Oder Purcel erwartet uns bereits und hat seinerseits Vorsorge getroffen, daß wir ihm schnell in die Arme laufen«, dämpfte Mike Rander seinen Butler. »Wundern Sie sich eigentlich nicht, Parker, wie ein kleiner Rauschgifthändler sich so einen Bau leisten kann?«
»Muß es denn wirklich nur ein kleiner Rauschgifthändler sein?« fragte Butler Parker zurück.
»Glubb nannte seinen Namen«, sagte Mike Rander. »Er sprach von ihm im gleichen Atemzug wie Snyder. Und auch Helen Tunney nannte Purcel gar nicht näher, als sie von der Rauschgiftgang sprach.«
»Was kann ich für Sie tun?« wurden sie in dem Moment von einem schlanken Mann angesprochen, der in der Tür des Bungalows stand.
»Mister Purcel?« fragte Mike Rander. Als der Mann nickte, stellte Rander seinen Butler und sich vor. Purcel bat sie ins Haus und führte sie in eine sehr bequem eingerichtete Bibliothek.
»Sie müssen entschuldigen, wenn Sie etwas lange an der Gartentür gewartet haben«, sagte er höflich. »Aber ich bin allein im Haus. – Sie nehmen einen Drink?«
Rander und Parker bejahten. Purcel mixte offen und sichtbar an einer kleinen, fahrbaren Bar einige Drinks und reichte ihnen Gläser. Als sie alle einen ersten Schluck genommen hatten, sah Purcel sie fragend an.
»Mister Glubb schickt uns zu Ihnen«, sagte Mike Rander langsam und sehr vorsichtig. Er machte nach dem Namen eine Pause und wartete ab, wie Purcel nun darauf reagieren würde. Aber der schlanke Mann, dessen Gesicht einen sehr intelligenten Ausdruck hatte, verzog sich um keine Nuance. »Es handelt sich eigentlich um Snyder«, redete Mike Rander weiter. »Sie wollten doch zusammen mit ihm gestern abend zu Glubb kommen, nicht wahr?«
Eddy Purcel zuckte mit keiner Miene. Aber sein Gesicht hatte sich in eine fleischgewordene Frage verwandelt.
»Auch Lutch hat Ihre Abwesenheit festgestellt«, bluffte Mike Rander verdrossen weiter. Er fühlte aber selbst, daß hinter seinen Worten wenig Überzeugungskraft stand. Er kam sich lächerlich und blamiert vor.
»Bitte lachen Sie nicht über mein erstauntes Gesicht«, meldete sich endlich Purcel zu Wort. »Aber ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen auf Ihre Feststellungen antworten soll. Die Namen, die Sie genannt haben, sind mir alle unbekannt.«
»Sie können offen reden«, versuchte es Mike Rander zum letzten Mal. »Mike hat uns geschickt.«
»Ich kenne auch keinen Mike«, erwiderte Purcel und lächelte amüsiert. »Ich muß wirklich annehmen, daß Sie einer Verwechslung zum Opfer gefallen sind.«
»Aber wir haben Zeugen, die Sie identifizieren können«, sagte Mike Rander. »Mister Eddy Purcel, Lemon-Street 296, das sind Sie doch, oder nicht?«
»Entschuldigen Sie eine Frage«, antwortete Purcel, ohne auf Randers Frage einzugehen. »Sind Sie von der Polizei? Wenn ja, dann zeigen Sie mir doch bitte Ihren Haftbefehl. Wenn nein, dann erklären Sie sich bitte!«
»Wir sind nicht von der Polizei«, erklärte Mike Rander. Er wußte, daß er von dem schlanken Mann geschlagen worden war. Elegant und tödlich, was dieses augenblickliche Gespräch anging.
»Dann also Ihre Erklärung«, sagte Purcel. »Ich muß Sie sonst bitten, zu gehen.«
»Sind Sie mit dem Vorschlag einverstanden, daß wir Ihnen das alles ausführlich erzählen?« fragte Butler Parker dazwischen. Als Purcel nickte, sagte Parker weiter: »Aber nicht jetzt, Mister Purcel, später vielleicht einmal. Unser Besuch bei Ihnen war uns sehr wertvoll, auch wenn Sie das noch nicht sehen können.«
»Ich muß doch sehr bitten«, wurde Purcel ärgerlich und stand auf, um seine beiden späten und keineswegs harmlosen Gäste zu verabschieden.
Mike Rander schimpfte laut. Butler Parker verstand diese Reaktion durchaus und überlegte ernsthaft, ob er nicht auch seinen Gefühlen freien Lauf lassen sollte. Aber im letzten Augenblick entsann sich der Butler seiner Erziehung und Würde. Es war doch wohl unmöglich, daß er ebenfalls laut schimpfte. Man durfte als englischer Butler schließlich der amerikanischen Jugend kein schlechtes Beispiel geben.
»Purcel hat uns ablaufen lassen wie selten einer«, sagte Mike Rander grinsend, als er sich wieder beruhigt hatte. »Es war heller Unsinn, zu dem Mann zu gehen. Wer soll wen identifizieren? Und ich möchte wetten, daß Purcel auch nicht den geringsten Kontakt mit Glubb gehabt hat.«
»Darf ich daran erinnern, daß Purcel auch gut ein geschickter Schauspieler sein könnte? Sein Name ist ja von zwei Personen genannt worden. Es gibt jetzt nur eine Möglichkeit: nämlich herauszufinden, ob ein gleicher Name noch einmal existiert.«
»Wie wollen Sie das denn feststellen?« fragte Mike Rander. Er konnte schon wieder grinsen.
»Sagten Sie nicht eben, wer identifiziert wen?« fragte Butler Parker auf einmal. Sein Gesicht hatte einen gespannten Zug bekommen.
»Donnerwetter, Parker«, sagte da auch Rander überrascht, der natürlich sofort verstanden hatte. »Ich hab ja nicht mehr an Helen Tunney gedacht Sie sprach ja auch von Purcel.«
»So richtig war das nicht«, schränkte Butler Parker sofort ein »Sie, Mister Rander, nannten die Namen, die in Betracht kamen. Und Miss Tunney hat die Richtigkeit dieser Namen pauschal bestätigt. Einzeln genannt wurde Purcel nicht.«
»Parker, drehen Sie bei! Wir müssen sofort in die Muria-Street. Und Sie können so schnell fahren wie Sie wollen. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«
»Was befürchten Sie denn?« fragte der Butler. Er hatte den Studebaker in Fahrt gebracht. Der schwere Wagen schoß wie eine Rakete durch die mittlerweile leergewordenen Straßen.
»Sprachen wir nicht bei Purcel davon, daß wir ihn identifizieren könnten?« sagte Mike Rander. »Wenn Purcel also wirklich der Mann ist, welcher mit der Rauschgiftgang, wenn auch unter anderen Vorzeichen, zusammenarbeitet, dann ist Miss Tunney in größter Gefahr. In dem Fall müßte Purcel ja wissen, daß nur noch sie ihn identifizieren könnte. Wenn wir sie antreffen, nehmen wir sie gleich mit zurück zu Purcel.«
»Eine Bestätigung seiner Person aber könnte man gleich an Ort und Stelle vornehmen«, sagte Butler Parker, als er den Wagen aus einer Kurve herausschießen ließ. »Ich habe mir erlaubt, ein Bild von Mister Purcel, das auf dem Schreibtisch stand, beim Weggehen mitzunehmen oder zu entleihen.«
*
Dank Parkers Fahrkunst erreichten sie die Muria-Street in Rekordzeit. Das Apartmenthouse war bis auf einige Fenster in den obersten Stockwerken nicht mehr erleuchtet. Als Mike Rander auf seine Uhr sah, war es kurz nach zwei Uhr.
»Eigentlich verdammt spät, einen Besuch zu machen«, sagte er zu dem Butler. »Wie kommen wir in das Haus, Parker? Ich möchte nicht erst stundenlang mit dem Portier verhandeln.«
»Die rückwärtigen Türen sind immer die besten, sagte einmal