»Ich …«, Bettina war froh, diese Frage nicht beantworten zu müssen, weil in diesem Augenblick Linde auf sie zugeschossen kam.
»Na, das hab ich gern, du hast den kürzesten Weg und kommst als letzte, liebste Freundin. Was soll ich davon halten?« Sie schaute Gregor an. »Entschuldigen Sie uns bitte einen Moment, ich muss mit meiner Freundin etwas besprechen.«
Sie zog Bettina mit sich weg, die seine Blicke in ihrem Rücken spürte. Sie war noch immer ganz durcheinander, denn Gregor Olsen hier zu treffen, damit hatte sie wahrhaftig nicht rechnen können.
Als sie aus der Sichtweite der anderen waren, wisperte Linde: »Christian hat mich angerufen.«
Schön, warum hatte Linde sie deswegen beiseiteziehen müssen?
»Er war ganz anders als beim letzten Mal.«
»Als er sich dir gegenüber nicht anders verhalten hat als der Arzt deiner Kinder«, konnte Bettina sich nicht verkneifen zu bemerken.
»Genau«, sagte Linde, die die Ironie nicht bemerkte. »Auf jeden Fall war es ein sehr schönes Gespräch, und wir haben vereinbart, jetzt regelmäßig miteinander zu telefonieren.«
»Das freut mich, Linde«, sagte Bettina, und das meinte sie ehrlich. »Hast du ihm auch gesagt oder wenigstens angedeutet, dass er dir etwas bedeutet?«
»Wo denkst du hin«, entrüstete Linde sich, »ich fall doch nicht mit der Tür ins Haus. Das wird sich schon ergeben, außerdem ist es besser, wenn er den ersten Schritt macht.«
»Den hat er gemacht, liebste Freundin, und du hast nein gesagt, schon vergessen?«
Linde winkte ab.
»Ich hab auch nach der Frau gefragt«, fuhr sie fort, »es handelt sich dabei um eine Kollegin, eine Chirurgin, die aus Berlin kommt und schon länger für Ärzte ohne Grenzen arbeitet. Sie verstehen sich gut, aber sie haben nichts miteinander.«
»Und woher willst du das wissen, Linde?«
»Na ja, weil ich ihn gefragt habe, ob er mit ihr ein Techtelmechtel hat, Christian hat sich schlapp gelacht.«
Babette bat ihre Gäste zu Tisch, wie selbstverständlich blieb Linde an ihrer Seite, zu ihrer Rechten saß Arno, was ihr nicht unangenehm war.
Gregor Olsen saß schräg gegenüber und konnte sie sehr gut beobachten, was er auch reichlich tat.
Babette hatte sich sehr viel Mühe gegeben, nicht nur beim Eindecken des Tisches, sondern auch mit der Zubereitung des Drei-Gänge-Menüs.
Zuerst gab es ein Carpaccio mit Rucola, verfeinert mit kalt gepresstem Olivenöl und frischem Zitronensaft, dazu grob gehobelter Parmesan.
Der Hauptgang waren Lammkoteletts mit kleinen Rosmarin-Kartoffeln und einem köstlichen Wirsinggemüse, das selbst Lenis Augen zum Leuchten brachte.
Der Nachtisch war einfach, schmeckte aber wunderbar und ließ einen an zauberhafte Tage und Nächte in Griechenland denken.
Es gab griechischen Joghurt, dezent verfeinert mit Sahne, mit Melone und Pistazienhonig.
Die dazu gereichten Weine waren natürlich vom Chateau, wie konnte es auch anders sein.
Da die meisten der Anwesenden sich kannten, war bald ein lebhaftes Gespräch im Gange, Toni verwickelte Gregor Olsen in ein Gespräch, was den allerdings nicht daran hinderte, zwischendurch verstohlene Blicke zu Bettina zu werfen. Die beiden anderen Gäste, die zur Selbsthilfegruppe gehörten, unterhielten sich mit Inge, und Babettes Freundinnen sprachen mit Babette und Yvonne, die an diesem Abend glücklicherweise ihre Leidensmiene abgelegt hatte und wieder etwas von dem erahnen ließ, was sie einmal war, ehe ihre Fixierung auf ein Kind erfolgt war.
Es war ein rundherum gelungener Abend, und das freute Bettina sehr, denn Toni und Babette hatten viel Arbeit auf dessen Gelingen verwandt.
Toni und Babette …
Das Herz ging einem auf, wenn man sah, wie nett sie miteinander umgingen und wie glücklich und verliebt sie sich anschauten.
Babettes Freundinnen mussten als Erste aufbrechen, weil sie kleine Kinder hatten, die von einem Babysitter betreut wurden, und wenn jemand erst einmal den Anfang machte, dann folgten die anderen rasch, das war immer so. Und so verabschiedeten sich die beiden anderen Männer aus der Selbsthilfegruppe, und als Gregor Olsen merkte, dass es keine Chance gab, an Bettina heranzukommen, um mit ihr zu reden, ging auch er.
»Darf ich mich bei Ihnen …« Er hatte melden sagen wollen, doch Bettina unterbrach ihn einfach, auch wenn das nicht ihre Art war.
»Es war wirklich eine Überraschung, Sie hier zu sehen, Herr Olsen«, sagte sie, um dann das ein wenig banal klingende, »da kann man doch wieder einmal sehen, wie klein die Welt ist«, hinzuzufügen.
Yvonne und Markus hatten sich auch entschlossen zu gehen und schoben sich vor Gregor Olsen, um sich von Bettina zu verabschieden, dem nichts anderes übrig blieb als zu gehen, begleitet von Toni, der ihn noch bis zur Tür brachte.
Ein letzter, nicht zu definierender Blick traf Bettina, dann war er weg, und sie atmete erleichtert auf.
Er war ein sehr sympathischer Mann, aber sie wusste nicht, was er sich von ihr erhoffte. Sie war auf jeden Fall nicht interessiert. Sie hatte ihren Jan, den sie für nichts auf der Welt eintauschen würde.
Und zweigleisig zu fahren und nebenbei etwas laufen zu lassen, und sei es nur ein Flirt, das war nicht ihr Ding. Manche Frauen waren ja perfekt darin, Männern den Kopf zu verdrehen, nur um bewundert zu werden, sie vergaßen aber dabei, dass sie dabei Gefühle verletzten von den Männern, die sich vielleicht mehr versprachen und sich Hoffnung machten.
Und dann noch ein Mann wie Gregor Olsen. Bei dem musste man besonders vorsichtig sein, denn der war nicht umsonst in dieser Selbsthilfegruppe, weil er offensichtlich mit einem Schicksalsschlag nicht allein fertig werden konnte.
Toni kam zurück.
»Du gehst ja wohl noch nicht, Bettina, oder?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie. »Du weißt doch, der harte Kern bleibt immer bis zum Schluss.«
»Zu dem gehör ich zwar auch«, lachte Linde, »aber ich will dann jetzt auch schnell den Abflug machen, ehe ihr zum geselligen Teil übergeht. Amalia und Frederic können gnadenlos sein und losbrüllen, ohne Rücksicht darauf, ob ich noch müde bin oder nicht.«
Sie verabschiedete sich von allen.
»Du hast wunderbar gekocht, Babette«, sagte sie, und das meinte sie ehrlich. Die Zeit, in der sie in Babette eine Rivalin gesehen hatte, aus Angst, ihren Zwillingen könne etwas an Zuneigung genommen werden, weil die kleine Marie auf dem Fahrenbach-Hof lebte, war längst vorbei. Sie verstanden sich richtig gut und konnten sich in Bezug auf Kindererziehung, Kinderernährung und was auch immer, wunderbar austauschen, was sie auch hinreichend taten.
»Danke, Linde«, rief Babette erfreut.
Nachdem Linde gegangen war und nur noch die Dunkels, Bettina, Inge und die Gastgeber übrig geblieben waren, sagte Arno: »Und nun, finde ich, ist es an der Zeit, als Absacker ein Kräutergold zu trinken.«
Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden.
Babette stand auf, um die Gläser zu holen, Toni stellte das Kräutergold auf den Tisch und schenkte ein.
»Also dann«, rief Arno, der an diesem Abend erstaunlich gesprächig war, ein Zeichen dafür, dass er sich wohl fühlte, »nicht lang schnacken, Kopf in ’n Nacken.«
Ja, er war wirklich gut gelaunt, denn diesen Trinkspruch gebrauchte er nur, wenn es ihm besonders gut ging.
»Mann, Mann«, tadelte Leni, aber das meinte sie nicht wirklich ernst, »dass du diesen dummen Spruch nicht lassen kannst.«
»Ich find ihn klasse«, sagte Babette, »muss ich mir auf jeden Fall merken.«
»Woher kennst du Gregor?«, wollte Toni wissen,