Ein dünnes Lächeln zerknitterte sein kantiges Gesicht.
Vor ihm stand, das wusste er aus seinen Tagen als Infanterist im Zweiten Weltkrieg, ein Lieutenant Colonel der Army, dessen Rang er am silbernen Eichenlaub auf der Uniform erkannte. Da war noch ein weiterer Mann in Uniform, ein Major, und ein unbekannter Regierungsvertreter in Zivilkleidung. Aber wie immer war es der Mann in zivil, der Tiplers Aufmerksamkeit erregte, denn er war an derlei Täuschungsmanöver gewöhnt. Tipler begrüßte die Gruppe, während der Mann im Hintergrund sich lautlos eine Zigarette anzündete und sich setzte.
»Dr. Tipler, ich bin Lieutenant Colonel Bob Maddox«, sagte der kleine, grauhaarige Mann betont. »Das ist Major Preston Westcott. Und das« – der Colonel machte eine vage Geste – »ist Mr. Dixon. Er ist ein Vertreter des Innenministeriums.«
Tipler lächelte, als er den Colonel betrachtete; der Offizier strahlte unhinterfragbare Autorität aus, als würde sein Selbstwert von seinem Rang abhängen. Seine Orden waren hochglanzpoliert, sodass sie auch einem Zivilisten sofort ins Auge sprangen. Er hatte ein pummeliges Gesicht und sein Bauch spannte den Uniformstoff. Er hielte die Hände bei seiner kleinen Ansprache hinter dem Rücken. »Danke, dass Sie uns so kurzfristig empfangen, Herr Doktor. Ich versichere Ihnen, wir werden Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.«
Etwas in seiner Stimme ließ Dr. Tipler ahnen, dass er bei der Sache keine Wahl hatte, aber er ließ sich nichts anmerken, als er sich an einen Tisch direkt gegenüber dem mysteriösen Mr. Dixon setzte. »Oh, ich bin immer bereit, dem Militär zu helfen, Colonel«, sagte er mit abgewogener Höflichkeit. »Ich habe sogar, wie Sie vermutlich wissen, gerade eine Zusammenarbeit mit einem Forschungsteam der Army abgeschlossen, bei der es um neue Strategien zum Überleben in der Arktis ging. Also fahren Sie bitte fort.«
Maddox hatte offensichtlich das Sagen, so schien es Tipler, und Westcott war nur anwesend, um bezeugen zu können, dass das Meeting stattgefunden hatte, oder um geistig ein paar Notizen zu machen. Ihm war noch nicht klar, wozu Dixon dabei war.
»Das ist einer der Gründe, wieso wir hier sind – Ihre Erfahrungen in der Arktis. Uns ist zudem klar, dass Sie der weltweit führende Experte für Kryptozoologie sind.« Maddox lief vor dem Tisch auf und ab. »Also hatten wir gehofft, Sie könnten uns bei einer bestimmten … Situation weiterhelfen.«
Tipler entschied sich fürs Erste, das Spiel mitzuspielen. Er würdigte Mr. Dixon keines Blickes. »Vielleicht«, antwortete er nonchalant.
Maddox ging eindeutig mit Fingerspitzengefühl vor. »Herr Doktor, wir würden Ihnen gern einige Fragen stellen, in Bezug auf ein bestimmtes Raubtier, das man am Polarkreis findet. Im Besonderen eine Spezies, die in Zentral-Alaska und dem Norden vorkommt.« Er machte beinahe behutsam einen Schritt nach vorn. »Vor Kurzem haben wir mehrere Mitglieder einer Eliteeinheit beim Training bei Tierangriffen verloren. Sie wurden getötet. Und wir wollen wissen, was für ein Tier es war.«
Tipler hörte zu, ohne eine Miene zu verziehen.
»Bestimmt«, sagte er schließlich, »können Ihnen die offiziellen Wildhüter mehr helfen, als ein alter Knacker wie ich. Und ich bin mir nicht sicher, inwieweit mein Ruf als Kryptozoologe damit zu tun hat. Kryptozoologie ist das Fachgebiet, das sich mit Tieren beschäftigt, die man lange für ausgestorben hielt, die es in Wahrheit aber nicht sind. So wie einige der maritimen Reptilien, die auf einem japanischen Fischerboot, der Zuiyo Mam, an einer Leine angebissen haben, die 300 Meter in den Pazifik reichte, 1977 in der Nähe von Christchurch, Neuseeland. Oder«, konnte Tipler sich nicht verkneifen hinzuzufügen, »vielleicht wie das Monster unbekannten Ursprungs, das die U.S.S Stern Anfang der 1980er-Jahre angriff und das Sonarsystem lahmlegte, indem es hunderte Zähne in den Stahl bohrte. Das wurde von einer Abteilung der Navy dokumentiert und das Schiff vom Naval Oceans Center untersucht. Sie kamen zu der faszinierenden Schlussfolgerung, dass der Schaden am Sonar durch den Angriff eines großen, unbekannten, im Ozean lebenden Tieres verursacht wurde.«
Maddox schwieg. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. »Ja, Doktor. Diese Vorfälle sind uns bekannt. Das ist mit Sicherheit eine Bestätigung, dass da … mehr dran ist. Aber wir sind nicht wegen dieser Fälle hier.«
»Davon bin ich ausgegangen.« Tipler lächelte. »Also, sollen wir zum Grund Ihres Besuchs kommen? Ich stecke bis zum Hals in Arbeit.«
Bedächtig, fast ängstlich, legte Maddox eine Reihe gruseliger, großer Farbfotos auf den Tisch. Tipler rückte behutsam die Brille zurecht und lehnte sich auf breiten Händen über den Tisch, um sie genauer zu betrachten. Er war so konzentriert, dass es wirkte, als wäre er nach wenigen Sekunden gar nicht mehr richtig anwesend.
Der alte Mann gab keinen Ton von sich, als er die Fotos studierte, aber mit jedem Bild vertieften sich die Falten auf seiner Stirn. Er schürzte leicht die Lippen, betrachtete eins ums andere noch ausgiebiger, kehrte dann oft zum ersten zurück und inspizierte sie erneut. Schließlich hob er ein einzelnes Foto hoch und hielt es sich direkt vor die Nase, um es sich ganz genau anzusehen. »Colonel«, sagte er und ließ den Blick langsam über die verstümmelten Leichen schweifen. »Dieses Wunden, das war alles dieselbe Kreatur?«
Die Antwort kam ohne Zögern. »Ja.«
»Sind Sie da sicher?«
»Ja, Doktor, wir sind sicher.«
»Und wie können Sie da sicher sein? In der Wissenschaft gelten sehr strikte Kriterien für diese Sicherheit.«
Maddox verzog leicht das Gesicht. »Es gab verschwommene Videoaufnahmen. Man konnte nicht viel erkennen, aber wenigstens einen Blick darauf erhaschen, was immer es auch war. Die Spezies ließ sich nicht bestimmen. Und, unabhängig von dem, was ich vorher sagte, können wir, äh, nicht absolut sicher sein, ob es eines oder zwei davon waren. Nur die Indizien, abgesehen von einigen dieser Fotos, scheinen darauf hinzuweisen.«
Ohne zu antworten, schob Tipler mehrere der Bilder von massakrierten Soldaten hin und her, bis er das detailreichste und schrecklichste gefunden hatte. Er legte eine Hand darauf und berührte das Abbild der Verletzungen so behutsam, als würden die Soldaten selbst vor ihm liegen. Schließlich murmelte er: »Das ist nicht das Werk eines Ursus arctos horribilis.«
Maddox bemühte sich eindeutig, geduldig zu sein. »Könnten Sie etwas genauer sein, Doktor?«
»Das ist nicht das Werk eines … eines Grizzlys.« Tipler starrte erneut auf das Foto, das er aufgehoben hatte, eine Nahaufnahme von Spuren, die über festen Sand verliefen. Die länglichen Fußabdrücke liefen in gerader Linie über einen Uferabschnitt und verschwanden in der Ferne, aber einige waren bis zu einem Meter seitlich versetzt. Die Spuren verliefen also nicht völlig hintereinander, auch wenn die Kreatur eindeutig geradeaus gerannt war. Im Flusslauf lagen mehrere große Felsen verstreut.
»Nun …«, fuhr der alte Mann aufrichtig verwirrt fort, »das ist allerdings merkwürdig.«
»Was?«, fragte Maddox.
»Dass die Spuren unterbrochen sind.«
»Das haben unsere Spurenleser auch gesagt, Doktor. Ich meine, trotz der Kameras wollen wir darüber mehr wissen. Glauben Sie, es könnten zwei gewesen sein?«
Tipler überlegte eine ganze Weile. »Ich bin kein Experte im Spurenlesen, Colonel Maddox. Das kann ich nicht sagen. Aber ich glaube nicht, dass zwei Kreaturen an dieser … dieser Katastrophe beteiligt waren.«
»Wie erklären Sie dann, dass manche der Spuren so weit von den anderen entfernt