Eine Klauenhand beschrieb einen Bogen durch die Luft, riss dem Tier das Herz heraus und wirbelte den leblosen Körper zur Seite. Es geschah mühelos, erforderte keinen Aufwand – so leicht war es – und er machte einen Satz nach vorn, um dem Gegner den Rest zu geben, wobei er dem panischen Schuss auswich, den der letzte Wachmann abfeuerte. Er schlug erneut zu.
Es war schnell vorbei.
Knurrend stand er über dem dampfenden, roten Schnee und drehte sich um, starrte hasserfüllt die schweren Metalltüren an, die die Einrichtung sicherten. Er stapfte vorwärts, und als er brüllend das Tor erreichte, warf er die enormen Arme in die Luft, ließ sie auf den Stahl herabsausen, wobei er mit einem Donnern die Hälften des Tores zertrennte.
Die Nachtaugen verengten sich sofort vor dem Licht und er sah eine Menge weiß gekleideter Menschen, die schrien und rannten, rannten und schrien. Er schlug zu, wieder und wieder, während er durch sie hindurchpflügte, um zu töten, zu töten …
Und zu töten …
Kapitel 1
»Fiese kleine Biester, oder nicht?«
Die Worte, unheilschwanger, kamen von einem grauhaarigen alten Mann in einem weißen Laborkittel. Er saß geduldig da, beobachtete den Schwarm roter Wanderameisen, manche so groß wie sein Daumen, die das angriffen, was er mitleidlos in das Terrarium geworfen hatte. Die Ameisen überwältigten die Ratte in Sekunden, töteten sie augenblicklich mit ihrem Gift und verzehrten sie dann. Nach drei Minuten war nur ein abgenagtes Skelett übrig.
Dr. Angus Tipler drückte den Knopf der Stoppuhr und sah nach unten. »Ja«, murmelte er, »absolut unbarmherzig.«
Er wandte sich den anderen im Labor des Tipler-Instituts zu, der führenden kryptozoologischen Forschungseinrichtung weltweit. Sein Gesichtsausdruck wirkte entsetzt. »Was sollen wir mit denen machen?«, fragte er sich selbst. »Sie töten mit Gift, noch lange bevor sie ihre Opfer zerteilen.« Er sah wieder zurück. »Ja, und deswegen müssen wir eine Art … Serum entwickeln, und wenn auch nur, damit uns die Leute nicht ständig auf die Nerven gehen. Hat irgendjemand das Molekulargewicht des Giftes berechnet?«
Eine Frau beugte sich über ein gewaltiges Elektronenmikroskop in der Mitte des Raumes und murmelte: »Noch nicht, Doktor. Ich brauche noch eine Minute.«
Dr. Tipler sagte nichts, während er sich wieder dem Terrarium zuwandte, in dem die Ameisen sicher – sehr sicher – eingeschlossen waren. Der Rest des Labors war buchstäblich mit jedem giftigen Tier der Welt gefüllt – Insekten, Säugetieren und Reptilien. Es gab schwarze Skorpione, indische Kobras, Kreuzottern und Steinfische, braune Einsiedlerspinnen und die tödliche Sydney-Trichternetzspinne, die gefährlichste Spinne der Welt. Ein einziger Biss des winzigen Tieres, der fast nicht zu spüren war, konnte einen erwachsenen Mann innerhalb eines Tages töten. Tipler selbst hatte das Gegengift kreiert.
»Es scheint, dass dieses Gift neuromuskulär wirkt«, sagte er mit kratziger, harscher Stimme in ein Aufnahmegerät. Er gab dem Techniker, der die grausige Episode aufgezeichnet hatte, mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er verschwinden sollte. »Das Gift, egal wo es injiziert wurde, scheint sich im Wirbelkanal auszubreiten und überwindet damit den Pons Varolii, um die unwillkürliche Atmung der Medulla oblongata zu hemmen. Wenn wir nun die …«
»Dr. Tipler?«
Tipler zog die buschigen weißen Augenbrauen hoch, als er sich umdrehte, und sah die junge Wissenschaftlerin mit den langen schwarzen Haaren. Die asiatische Frau war sichtlich nervös, weil sie ihn störte, obwohl sie wusste, dass der alte Mann den Ruf hatte, sehr geduldig zu sein.
»Ja, Gina?« Seine Stimme war sanft. »Was ist los?«
»Es sind ein paar Herren hier, um Sie zu sehen, Sir.«
Tipler lachte und winkte ab, als er sich wieder umdrehte. »Es sind immer irgendwelche Herren da, um mich zu sehen, meine Liebe. Sagen Sie ihnen, sie müssen warten. Die Kantine sollte immer noch offen sein. Die servieren ein exzellentes Brathähnchen. Das empfehle ich am liebsten.«
»Ich glaube nicht, dass die Herren warten wollen, Sir.« Sie trat näher und senkte die Stimme. Ihre Augen weiteten sich. »Es sind drei und sie tragen Uniformen.«
Tipler lachte kurz und bellend. »Uniformen! Was für Uniformen?«
»Von der Army, Sir.«
Tipler lachte wieder und schüttelte den Kopf, als er aufstand. »Okay, Gina. Helfen Sie Rebecca dabei, das Molekulargewicht dieses Giftes zu bestimmen. Und, wenn Sie so freundlich wären, extrahieren Sie das Gift von … sagen wir fünfzig dieser infernalischen Kreaturen. Betäuben Sie sie einfach mit Chloroform und benutzen Sie die Elektroschockmethode – dieselbe Prozedur, die wir bei den Schwarzen Witwen verwenden.« Er nahm mit einem Seufzen die Brille ab und stand auf. »Und ich werde mich um diese ungeduldigen Männer in Uniformen kümmern.«
»Ja, Sir. Sie warten im Beobachtungsraum.«
»Danke, meine Liebe.«
Als er die drei Männer sah, blieb Tipler stehen. Man hatte ihm oft genug gesagt, dass er auf den ersten Blick nicht viel Eindruck machte, also hatte er keinerlei Illusionen. Er war 72 Jahre alt, klein und dick, mit breiten Augenbrauen und schlohweißem Haar, das von der Stirn aus glatt nach hinten gekämmt war. Aber er wusste, dass seine Augen, blau, wie das Wasser der Arktis, ihn von anderen Männern abhoben, wegen ihrer beeindruckenden Farbe und der genauso imposanten Intelligenz, die daraus sprach. Und auch deswegen, weil sie blitzschnell zum Herz eines Problems vordringen konnten. Und es war diese schnelle Auffassungsgabe, eine Mischung aus Wissenschaft und Intuition, die ihn zum besten Paläontologen und Kryptozoologen der Welt machte.
Die Kryptozoologie war selbst ein relativ unbekanntes biologisches Forschungsgebiet. Weniger als ein Dutzend renommierte Wissenschaftler auf der Welt widmeten sich ihr mit solcher Hingabe. Und wenige Wissenschaftler wussten, dass überhaupt jemand sich damit beschäftigte. Aber es war im Grunde ein systematisches und äußerst strenges Forschungsgebiet, das darauf abzielte, herauszufinden, ob bestimmte Spezies, die als ausgestorben galten, noch auf dem Planeten vorkamen.
Tipler hatte schon in verschiedenen Phasen seiner Karriere enorme Erfolge erzielt und 1983 in den Anden in Chile die letzten überlebenden Atacama-Kondore entdeckt. Später eine Spezies, die als der Blinde Steinfisch identifiziert wurde. Der Fisch, der in tiefen Wassern lebt, wurde für ausgestorben gehalten, seit dem Paläolithikum, aber Tipler hatte eine Theorie aufgestellt, dass sie immer noch in dem nach Süden fließenden Ostgrönlandstrom existierten, der direkt dem arktischen Meer entspringt. Er vermutete außerdem, dass der Fisch näher am Polarkreis lebte, geschützt von den weitläufigen Polkappen. Aber fehlende Finanzierung hatte eine weitere Erforschung verhindert.
Seine erstaunlichen Entdeckungen hatten ihm allerdings eine bescheidene, weltweite Bekanntheit eingebracht, die wiederum die Aufmerksamkeit einiger reicher Philanthropen weckte, die der Meinung waren, sein einzigartiges Non-Profit-Unternehmen sei es wert, gefördert zu werden. Also hatte er mit enormer Finanzierung und einer großen, besser ausgebildeten Belegschaft, das Tipler-Institut gegründet. Nun, ein Jahrzehnt später, war er weltweit anerkannt als der führende Experte für unbekannte Spezies und deren Aussterben oder Überleben. In seiner Karriere hatte er sich intensiv mit tödlichen Schlangen, Fischen und Spinnen beschäftigt, und zu seiner Überraschung festgestellt, dass er mit erstaunlichem Talent die molekularen Charakteristiken der verschiedenen Gifte bestimmen konnte.
Gifte zu erforschen war zu Beginn schlicht eine Möglichkeit gewesen, den wenigen medizinischen Instituten zu helfen, die bereits überfordert waren, die vielen neuen Giftstoffe zu analysieren. Aber er arbeitete erfolgreich mit den Centers for Disease Control zusammen und schloss sich diesen Bemühungen an, indem er in den vergangenen zehn Jahren über ein Dutzend wirksamer Gegengifte synthetisiert hatte. Er empfand das nicht als Ablenkung von seiner Arbeit. Auch wenn er als Autor, Redner und