Prinzeß Lolo wollte sterben vor Lachen über alles was sie sah und genoß, oder vielmehr genießen sollte, denn es war wirklich nicht alles dafür geeignet, und Falkner hatte alle Mühe, laute Lachsalven und leise sein sollende Bemerkungen seiner übermütigen Braut durch Bitten zu dämpfen oder im Sinne von »Europens übertünchter Höflichkeit« auszulegen, denn wenn jemand uns etwas bietet mit der ersichtlichen Überzeugung, sein Bestes gethan zu haben, und wäre dieses Beste auch wirklich mehr außergewöhnlich und grotesk als unseren Lachmuskeln zuträglich ist, so haben wir immer noch nicht das Recht, den Geber ins Gesicht zu verhöhnen, selbst wenn wir die löbliche Absicht haben, ihn hinter seinem Rücken lächerlich zu machen. Im Grunde genommen ist eins so jammervoll wie das andere, aber obgleich das erstere noch wenigstens Mut bezeugt, so ist es doch peinlich für den Dritten, und so erging's Falkner auch bei den rücksichtslosen Heiterkeitsausbrüchen seiner kleinen Braut, und aus dem peinlichen Gefühl wurde heller Ärger, als er sah, wie sie sich, eines besseren Publikums sicher, an Dolores wandte, und diese, errötend über die taktlos lauten Witzeleien, auf dieselben nicht nur nicht einging, sondern sie sogar sehr kühl und entschieden ablehnte. Obgleich der herrschende Ton dieses Festes zwanglos und heiter war, so atmete Falkner doch auf, als die Wagen von Monrepos vorfuhren und der Abend damit ein Ende nahm. Und beim »Gute Nacht,« als Dolores ihm freundlich die Hand reichte, sagte er ihr: »Wenn Sie wüßten, wie oft ich Ihnen schon im Herzen abgebeten habe –«
»Aber wir haben ja abgemacht, am Vergangenen nicht mehr zu rühren,« sagte sie lächelnd und mit bittendem Blick.
»Ich meine ja nur so, Cousine, weil Sie meine Braut heut' vor ihrem Übermut bewahrt haben. Ich habe es wohl beobachtet.«
»O, das wird niemand scharf auffassen,« entgegnete Dolores, »denn Prinzeß Eleonore ist noch so jung, so voll von Lustigkeit –«
»Und Sie schon so alt und gesetzt!« erwiderte er scherzend.
Da lachte sie doch, trotz ihrer Bemühung, die Mißstimmung Falkners zu besänftigen.
»Vier Jahre Unterschied machen viel bei einer Frau,« meinte sie dann weise, »und außerdem,« fuhr sie ernster fort, »außerdem habe ich so etwas wie eine Schule des Lebens durchgemacht.«
»Ich wollte, Lolo hatte auch ein paar Klassen dieser Schule hinter sich,« murmelte Falkner. Er war ernstlich mißgestimmt, denn das Benehmen seiner Braut dünkte ihm weniger kindliche Lustigkeit als Mangel an Herz und Gemüt, und wenn ein Bräutigam das findet, so ist es ein schlimmes Zeichen für die künftige Ehe.
Dasselbe dachte Dolores auch, als sie, selbst kutschierend, durch die warme, sternenhelle Nacht nach Hause fuhr, und sie freute sich nur, daß er nicht dabei gewesen und es nicht gesehen, wie Prinzeß Lolo die Gräfin Schinga so lange gequält, bis diese ihre Schlangen holen ließ und um die Arme legte, und die Ahnungslose dann mit hellem Gelächter auf die vor Abscheu blasse Dolores zustieß, daß die kalten, glatten Leiber der ekelhaften Reptile sie berührten und das eine derselben zischend und züngelnd auf sie losfuhr. Diesen »Scherz« nannte sie ihrerseits nun wieder mit anderem Namen, um so mehr, als ihr bei dem bloßen Gedanken an die Berührung mit den verhaßten Tieren noch die Zähne zusammenschlugen vor Entsetzen. Über solche Abneigungen gegen gewisse Tiere zuckt die Wissenschaft nur die Achseln, nennt sie gelehrt Idiosynkrasie, aber eine Erklärung dafür hat sie noch nicht gefunden.
Dolores war's jedenfalls lieb, daß Falkner der Schlangenscene nicht beigewohnt hatte, denn wozu Flecken werfen auf das Bild seiner Auserwählten. Freilich waren ihr schon Zweifel gekommen, ob Prinzeß Lolo wirklich sein Ideal, seine Erwählte sei, oder ob nicht der Vorfall in und an der Gruftkapelle ihn dazu verpflichtet hatte, ihre Hand zu erbitten. Das allerdings begriff sie nicht, warum die herzogliche Familie sich so schnell bereit gefunden hatte, diese fürstliche Hand dem Vasallen zu bewilligen, denn am Ende war die öffentliche Liebeserklärung der Prinzeß ja nicht vor der ganzen Welt, sondern vor einem kleinen Kreise geschehen, dem man durch ein Wort hätte bedeuten können, von dem Gehörten keinen Gebrauch zu machen.
Aber es geschehen mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als jedermann sich erklären und zusammenreimen kann, und darum grübelte Dolores auch nicht weiter darüber, »wie es wohl gewesen sein könnte,« aber mit tiefem Schmerz im Herzen sagte sie sich, daß Glück und innere Befriedigung ihm durch diese Braut wohl nicht erblühen könnte. Und dieser Gedanke machte sie unsäglich traurig, und sie verwünschte die Fügung, die sie vor Jahr und Tag zur Bühnenlaufbahn gedrängt, denn längst hatte sie diese als Wurzel alles Übels erkannt, und das war's, was ihr die Wiederaufnahme derselben zur Unmöglichkeit machte, wenn auch Prinzeß Alexandra freudig ihre Überredungsgabe als das Entscheidende bei diesem Entschlusse pries. Erst hatten der Stolz und der Widerspruchsgeist sich in ihr aufgebäumt gegen den Entschluß, aber nicht, weil Prinzeß Alexandras engerer Horizont die Tiefen einer echten Künstlerlaufbahn nicht umspannte, sondern weil Falkner sich in Antipathie davon abwandte, und sie um keinen Preis ihn hätte glauben machen wollen, es geschehe seinetwegen, daß sie ihrem zuerst gewählten Berufe entsagte. Und dann hatte der Impuls eines Momentes die Entscheidung gebracht, und nun – nun that es nichts mehr zur Sache, was er sich dabei dachte. Sie hatten Frieden geschlossen miteinander, ehrlichen Frieden durch sein männlich mutiges Eingeständnis seiner Vorurteile und des daraus entsprungenen Unrechts – was wollte sie weiter?
Am Eingang zum Falkenhofer Park hielt sie die Pferde an und sprang vom Wagen – es gelüstete sie, bis zum Hause zu gehen, um die Kühle nach dem heißen Tage noch zu genießen. Nachdem sie dem Groom die Zügel gegeben und ihm empfohlen hatte, im Schritt zum Stalle zu fahren, bog sie in eine Seitenallee des Fahrwegs ein, nahm den Hut ab und ging langsam dahin – kaum daß der Kies unter ihrem leichten Fuß knirschte.
In einem Rondel, das sie durchschreiten wollte, sah sie eine Cigarre glühen und erkannte in dem Raucher bald den Doktor Ruß, welcher also in seiner Weise den schönen Abend genoß. Eigentlich lag ihr nichts an einem erneuten Plauderzwang, aber da sie fürchten mußte, in dem weißen Kleide, das sie der Hitze wegen mit dem schwarzen heut' zum erstenmal vertauscht hatte, auch in dem Dunkel des Baumschattens entdeckt zu werden, so ergriff sie lieber die Initiative und rief heiteren Tons:
»Wo man raucht, da laß uns ruhig harren,
Bösewichter führen nicht Cigarren.«
»Dolores, sind Sie's?« rief Doktor Ruß aufspringend. »Ich hörte den Wagen zurückkehren und dachte Sie nun längst in Ihren Zimmern.«
»Die schöne Nacht verlockte mich noch zu einem Spaziergange,« erklärte sie. »Doch ich bin auf dem direkten Wege zum Hause und bitte Sie, sich nicht stören zu lassen.«
»Ganz und gar nicht,« versicherte Ruß. »Es ist ohnedem Zeit zur Ruhe, und meine Frau wird mir eine Gardinenpredigt halten wegen Nachtschwärmens.«
Dolores mußte bei dieser affektierten Pantoffelheldenerklärung lächeln, denn sie zweifelte, ob Frau Ruß die Courage zu einer ganzen Predigt finden würde. Sie traute der verschlossenen und von ihrem Gatten wohltrainierten Frau kaum das tadelnde Wort zu, das sie vielleicht erleichtert hätte, während sie ihre Mißbilligung in sich hineinwürgte und mit vermehrter Bitterkeit an ihrem Herzen nagen ließ.
Ruß erkundigte sich nun, wie es bei Schingas gewesen sei. Er hatte