Verdammte Zustände! Da malt son Liebermann drei dumme Schafe auf einem Kartoffelfelde, oder er malt Kartoffeln auf einem Felde, oder er malt ein Feld und Weiber sammeln Kartoffeln, und er kriegt Geld und die goldne Medaille.
Und ich habe die ganze Menschheit gemalt und noch ein Stück darüber: das Unmenschliche – und habe nichts davon.
Nichts?! Dummer Mikita! Hast du nicht gesehen, wie sich der süße Pöbel in Hamburg und in Paris und natürlich in Berlin vor Lachen wälzte? Na! Das soll nichts sein?
Und der Ulk in den »Fliegenden Blättern«, hab ich nicht etwa dazu die Anregung gegeben?
Ich sollte Steuern zahlen?! Herr Gott, kein Brot zu fressen, und Steuern zahlen! Schöne Zustände! Mich wollen sie pfänden wegen rückstehender Verpflichtungen, die ich an den Staat haben soll? Was ist Staat? Wer ist Staat? Was habe ich damit zu tun?
– Sind das Ihre Gemälde?
– Freilich sind es meine! Das ist ein Wert von vierzigtausend Mark. Warum lachen Sie?
– Was soll ich nicht lachen? Wer kauft Ihnen die Dinger ab? Nicht einen Pfennig kriegen sie »davor«.
– Leider gibt es nichts zu pfänden bei Ihnen.
Na also, teure Isa, bin ich etwa nicht der große Künstler?
Er fing an zu malen und grinste.
Aber es bohrte in ihm und bohrte.
Merkwürdig! Was ist eigentlich an Falk? Ich bin doch nicht auch vom Tische gefallen, wie der kleine Eyolf. Mein Rückenmark ist doch ganz. Mein Gehirn hat doch auch Ideen ...
– Haben Sie den Aufsatz geschrieben, Mikita?
– Freilich hab ich ihn geschrieben, Herr Professor.
– Hat Ihnen Niemand dabei geholfen?
– Wer sollte mir helfen?
– Aber ich sehe deutlich fremde Beeinflussung, die sich in aktiver Agressive auf Ihren Aufsatz äußert.
– Gut gesprochen, Herr Professor, aber den Aufsatz hab ich selbst geschrieben.
– Mikita, seien Sie nicht verstockt, geben Sie doch zu, daß Falk seidne Flicken auf Ihre Filzpantoffeln gesetzt hat. Wo ist Falk?
Aber Falk war bei solchen Gelegenheiten nie in der Schule. Er meldete sich krank und schrieb Gedichte zu Hause.
Plötzlich wurde Mikita wütend.
Das ist doch schändlich, so von Falk zu denken.
Malen Sie mir, Herr Liebermann, diese zweite schändliche Seele, wie sie so Einem ein Stück Kot ins Gehirn hineinschmeißt! Malen Sie mir das und ich schenke Ihnen alle meine Gemälde, frei ins Haus!
Und Isa tanzt jetzt – mit Falk. Der versteht es.
Er fühlte Haß.
Falk, teurer Falk, wo ist das Weib, das dir widerstehen kann?
Isa tanzt, Isa ist Tänzerin.
– Hast du jemals an Etwas geglaubt? Weißt du, was Glaube ist?
Selbstverständlich wußte sie es nicht.
– Weißt du, wer du bist, Isa?
Nein, sie wußte nichts.
– Du bist dir selbst fremd, Isa?
Sie nickte.
Und er, dem ein Glaube von tausend Jahren im Leibe stak! Ja, ja, daher hatte er den lächerlichen Wunsch, ein Weib ganz zu besitzen, den Glauben an eine Liebe, die Jahrhunderte überdauert.
Er raffte sich auf.
Nein! Er wird nicht zum Iltis gehen: nein! Nun wird er zusehen, ob er sich nicht bezwingen kann ... Ja: hinkommen und dort stehn und zusehn, wie sie in seinen Armen liegt, so eng ...
Mikita riß sich seinen Arbeitskittel auf. Es wurde ihm schändlich heiß.
Da stehn und zusehn! Othello, den Dolch im Gewande.
Und Iltis zwinkert mit den Augen und sagt zum Säugling: »Dem geht Isas Tanz an die Nieren«.
Eine schmerzhafte Unruhe zerrte an seinem Gehirn.
Nein, nicht wieder! Das mußte er bemeistern können.
Hatte er Grund, an Isa zu zweifeln?
Nein! Nein!
Also, was wollte er?
Seine Unruhe wuchs. Der Schmerz war nicht auszuhalten.
Ja, er wird gehen. Er muß doch Isa zeigen, daß er jetzt überlegen ist, daß er das Zweifeln aufgegeben hat. Ja, lustig sein und tanzen!
Das kannst du nämlich nicht, lieber Mikita! Du hoppst ja wie ein Pudel in einer Jahrmarktsbude. Und klein bist du auch, kleiner als Isa.
Prächtiges Paar! Prächtiges Paar die Beiden!
Mikita mußte sich setzen. Es war ihm, als hätte man ihm mit der Sense alle Sehnen durchschnitten.
Donnerwetter, tut das weh!
– Mikita, kommen sie auf einen Augenblick.
– Was wünschen sie, Herr Professor?
– Sehen sie, Mikita, es ist doch eigentlich unverschämt von ihnen, ein solch dummes Zeug wie die Apologie zu schreiben. Und hätten sie wenigstens das Zeug allein geschrieben, aber das hat ja Falk getan.
Wie kam es nur, daß er den alten Kerl nicht geohrfeigt hatte?
Plötzlich stand er auf.
Bin ich denn verrückt geworden? Was will ich von Falk, was will ich von Isa?
Er bekam Angst. Das war ja schon mehr krankhaft.
Das wiederholte sich, das war nicht das erste Mal.
Wie er von Isa nach der Bretagne fuhr, um Studien zu machen ... ja Studien, wie man anfängt Gemütsblödigkeiten zu bekommen.
Komischer Mikita.
Plötzlich war er in den Zug gestürzt, so in einem Anfall von Tollwut, und raste nach Paris, daß er halbverrückt bei Isa ankam.
– Bist du schon hier? Sie fand ihn entsetzlich komisch.
Daß er sich damals nicht in die Erde verkrochen hatte vor Scham!
Siehst du, Mikita – er fing an laut mit sich selbst zu sprechen – du bist ein Esel, ein gründlicher Esel. Liebe muß man nehmen! Nicht zweifeln, nicht mit den Fingern betasten und ewig herumgehen wie die Katz um den heißen Brei, nein! Nehmen, an sich reißen, stolz, selbstverständlich ... Ja, dann gehts! Unterjochen! Nicht als Geschenk, nicht als Almosen! Nein, mein lieber Mikita, mit Betteln gehts nicht!
Na, sie tanzen jetzt ...
Er fing an zu singen, den einzigen Gassenhauer, den er behalten hatte:
Venant des noces belles,
Au jardin des amours
Que les beaux jours sont courts!
Herrlich! Und die Zeichnung dazu von Steinlen im Gil Blas. Ein komischer Clown, den das Mädchen so derb abfertigt. Herrlich! Herrlich!
Venant des noces belles,
J'étais bien fatigué.
Je vis deux colombelles,
Une pastoure, ô gué!
Und es war doch kein Zweifel! Nein, lieber Mikita, wie schön wärs eigentlich, wenn du nicht zu zweifeln brauchtest. Nicht wahr, Mikitchen?
Gestern in der Droschke ...
Er stand auf und ging mit hastigen Schritten auf und ab.
Sonst fragte sie mich doch: Was fehlt dir, Mikita?
Sonst streichelte