Pitt und Fox, die Liebeswege der Brüder Sintrup. Friedrich Huch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Huch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066113377
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Harald sei da und setzte mir einen Kranz von Kirschen auf den Kopf. Harald hat doch zu hübsche Ideen! — Als Pitt und Elfriede das Haus verlassen hatten, ging sie, nachdem sie genug geruht, in das Musikzimmer. Und als es später zu dunkeln begann, erleuchtete sie den ganzen Saal, um sich einzubilden, Elfriede übe. Das war viel angenehmer als sie wirklich üben zu hören.

      Pitt ging neben Elfriede her; die Abendluft war klar und mild, das Gewölk des Tages hatte sich verzogen, der Himmel war ein reines, tiefes Hellblau geworden, so tief, daß man endlos weit hineinschauen konnte, und dann sah man kleine schwarze Punkte, die sich hin und her bewegten, Vögel, die dort oben flogen. Pitt sah nicht hinauf. Seine Augen blickten immer in die höchsten Spitzen der Pappeln, die leise bewegt erschienen, obgleich kein Wind wehte. In ihnen lag goldene Abendsonne; er liebte die Sonne nur am Abend, und von allen Bäumen liebte er nur die Pappeln, mit ihren steilen, luftigen, unerklimmbaren Ästen, diese Bäume, deren Anschauen weit weg führt von den Menschen und von allem, was mit der Welt zu tun hat. Er war in einer ruhigen, schönen Stimmung. —

      Wenn das Leben immer so wäre wie in diesem Augenblick, sagte er nach einem Schweigen, wie wundervoll wäre das; aber man darf es nicht aussprechen: sogleich wird alles trivial. — Wenn ich Sie so reden höre, antwortete Elfriede, verstehe ich Sie nicht; mir scheint es schön, so etwas auszusprechen; wäre man immer stumm, so würde der andere niemals wissen, was in einem selbst vorgeht; und Sie sprechen wenig genug aus! Es tut mir doch wohl, zu fühlen, wenn ich einem andern wohltue. — Sie schwiegen beide, und es war Elfriede, als ob sie Pitt schon seit langem, langem kannte, und als ob sie sehr, sehr gute Freunde wären. — Wissen Sie, sagte er nach einer Weile, daß mein Vater auf den Gedanken kam, Sie für heute abend einzuladen? — Sie war zunächst überrascht, dann aber sagte sie mit einem Entschluß: ich gehe mit. — Er nahm dies anfänglich als einen nicht ernsten Einfall, aber sie blieb dabei: Es muß mich doch interessieren, jemand kennen zu lernen, der Ihnen so nahe steht! Ganz egal, ob Sie sich innerlich nahe sind oder nicht. Nach Hause würde sie telephonieren — sprach sie weiter — sie gehe ins Theater — so sehr lange würde das Zusammensein doch nicht währen — morgen früh oder ein andermal würde sie dann ihrer Mutter die Wahrheit sagen, wenn es nicht mehr so schlimm wäre. — Sie werden mich dann vielleicht nicht mehr so gern mögen, wenn Sie erst meinen Vater kennen! — Erst recht, wenn ich den Unterschied zwischen Ihnen sehe! Er fügte sich. — Als es endlich Zeit war, sich zum Hotel zu wenden, und wie sie über dem Reden stehen blieben und langsam umkehrten, warf sich plötzlich ein kleines, weißes, lebendiges Paket gegen Elfriedes Körper. Es war das Hündlein, welches sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte, weil es wußte, daß es eigentlich zu Hause bleiben müsse. Jetzt dachte es, man gehe sowieso heim und es könne sich somit durch sein plötzliches Zuerkennengeben nichts mehr zerstören. Es setzte sich mit einer pirouettenartigen Drehung dicht vor Elfriede auf die Hinterbeine, wie eine kleine Schildwache, den Rücken gegen ihr Kleid gelehnt, leckte sich den Mund, hob die Pfoten und blickte vernünftig drein aus seinen rötlich umränderten dunklen Augen, die so aussahen, als sei das Fell nicht genügend weit um sie herum ausgeschnitten. Elfriede durchschaute es völlig, lachte und stieß es leicht vorwärts. Es schnellte bis zur nächsten Straßenecke, blieb dann stehen, da es nicht wußte, ob man sich nach links oder geradeaus wenden würde, kam wieder zurück, bewegte ausnehmend läppisch sein Hinterteil und versuchte es dann unter den Bauch zu ziehen, da es dort besonders fror. So ein Tier, sagte Pitt, führt ein ideales Leben. Es tut das, was ihm der Augenblick eingibt, kennt keine Konflikte; Wollen, Fühlen, Handeln, alles ist wie ein einziger starker Schlag. Beneidenswerte Primitivität!

      Haben gnädiges Fräulein Gefallen am Verkehr mit einem Sprößling meines armen Hauses gefunden? So fragte Herr Sintrup, nachdem er zur Begrüßung die Hacken zusammengeschlagen und Elfriede eine tiefe, respektvolle Verbeugung gemacht hatte. Und er verbreitete sich darüber, wie angemessen der Ausdruck sei, in Rücksicht der „Weltfirma“ der van Loos. — Elfriede hätte am liebsten gelacht, so fremdartig und komisch kam ihr dieser Mann vor, der in so untertänigem, devotem Tone zu ihr sprach. Dies war Pitts Vater?! Er ließ seine Augen voll und biedermännisch auf ihr ruhen, ohne seine etwas vorgebeugte, respektvolle Haltung zu verändern. Sie wollte etwas erwidern, es fiel ihr aber nicht das geringste ein, und in halber Verlegenheit sagte sie: Ach da ist ja auch Herr Könnecke! Jawohl, rief Pitt, und Fräulein Nippe wird auch noch erwartet! — Ja, ja, meinte Herr Sintrup, schlichtes Souper, ganz schlichtes, einfaches Souper — und läutete dem Kellner, noch ein Gedeck mehr aufzutragen. Herr Könnecke, der sich bescheiden zur Gardine zurückgezogen hatte, trat jetzt vor, wischte sich die Hand ab — er war bei der vorangehenden Unterhaltung mit Herrn Sintrup etwas ins Schwitzen geraten — und begrüßte Elfriede mit einem kavaliermäßigen Bückling. Seine Cousine hatte ihm zu Hause eingeschärft, sich möglichst weltmännisch zu benehmen und „das schwere Brot der Schule hinter sich zu werfen“. — Und gnädiges Fräulein sind so vielseitig talentiert, wie mir Herr Könnecke mitteilte? Haben Interesse für Mathematik, für Kunst und Wissenschaft, und bilden sich in Musik aus? Herr Sintrup nagelte sie hierüber in ein Gespräch fest. Herr Könnecke, eingedenk der Ermahnungen seiner Cousine, wartete immer darauf, daß er auch ein Wort in die Unterhaltung einwerfen könne, fand den Moment aber nie, ähnlich einem alten Herrn, der noch gern Karussell fahren möchte, das Ding schon in Gang findet, eine leere Schaukel entdeckt und sich jedesmal, wenn sie vorbeikommt, erst dann zum Hineinspringen entschließt, wenn es schon zu spät ist, und nun warten muß bis eine neue Tour beginnt. Und da Pitt ebenfalls an dem Gespräch teilnahm, wandte er sich möglichst unbemerkt zur Seite und sprach zu dem Hündchen ein freundliches Wort. Es kam auch sogleich auf ihn zu, beroch ihn, und bewegte vergnügt sein Stummelschwänzchen; und wie er sich setzte, wollte es an seinen Beinen in die Höhe. Aber das gab Flecke, und er suchte es mit sanften Worten fortzudrängen. Es ließ sich jedoch nicht beirren, und schlug schließlich mit so rasenden Trommelbewegungen gegen seine Knie, daß ihm Angst wurde. Er sagte immer noch: du guter Hund, du guter Hund, — aber seine Bewegungen, es abzuwehren, wurden deutlicher, und endlich — es sah niemand hin zu ihm — packte er es mit dem Gedanken: Es ist ja schließlich doch nur ein Hund! — leicht im Genick und gab ihm, selbst erschrocken über seine Kühnheit, einen energischen, kleinen Schwung zur Seite. Das Hündchen quiekte, Elfriede rief es, und Herr Könnecke erhob sich rasch, trat möglichst unbefangen zu den andern und sagte: Nicht wahr Herr Direktor: Die Gymnasialbildung ist doch die gründlichste; ich meine die allseitigste, und wenn man dann hinterher noch studiert — — er wußte nicht weiter. — Wann kommt denn Ihre Cousine? fragte Elfriede, die ihm helfen wollte. — Die kommt bald! sagte Herr Könnecke lebhaft, so, als sei bisher von niemand anderm die Rede gewesen, oder als sei erst jetzt der eigentliche Gesprächsstoff erreicht. Und als ob seine Worte eine Beschwörungsformel gewesen wären, die Fräulein Nippe bei den Haaren gepackt, durch die Straßen geschleift und vor der Tür abgesetzt hätte, öffnete sich diese, und Fräulein Nippe, mit etwas zerzauster Frisur, stand auf der Schwelle. In ihren Armen hielt sie eine Fülle von Blumen. Sie sah lächelnd von einem zum andern, als wisse sie noch nicht, wen sie zuerst aus ihrem Füllhorn überschütten solle, entdeckte Elfriede, ließ sich ihr vorstellen, umarmte sie dezent, als sie eine Blume nahm, und wollte auf Herrn Sintrup zu, der inzwischen ebenfalls eine gewählt hatte. Aber der schob rasch einen Stuhl zwischen sich und sie, auf den sie sich auch sogleich dankend niederließ.

      Der Diener meldete, das Essen sei bereit. — Mit den Blumen, sagte Herr Könnecke, wollen wir die Tafel schmücken, das macht man immer so in feinen Häusern! — Herr Sintrup verbeugte sich vor Elfriede und reichte ihr mit einem achtungsvoll durchbohrenden Blick den Arm. Fräulein Nippe überwand schnell eine kleine Enttäuschung und näherte sich Pitt. Der blickte zurück auf Herrn Könnecke, der mit seinen Blumen bepackt dastand. Gewinnend lächelnd sah sie ihn an, und — hast du nicht gesehen! — fuhr ihr Arm in den seinen. Herr Könnecke folgte, das Hündlein machte den Beschluß, zerstreut die Ohren hängen lassend, bis ihm plötzlich einfiel, daß es zu Elfriede gehöre. Es jagte hinterher, witterte aber im Laufen den Geruch der Speisen, schoß an ihr vorbei und gelangte als erstes in den kahleleganten kleinen Raum, mußte sich dann aber bescheiden zu Elfriedes Füßen setzen. — Ist das aber mal ein schönes Zimmer! sagte Herr Könnecke, worauf Herr Sintrup zu Elfriede meinte: Na, Sie werden wohl zu Hause anderes gewöhnt sein. Seine hochzeremonielle Anrede vergaß er nach und nach.

      Diese ewigen Anspielungen auf Reichtum — Herrn Sintrups Bemerkungen enthielten