Gehen Sie also vertrauensvoll zu Ihrem Buchhändler, verlangen Sie entschlossen dieses Buch, bezahlen und schenken Sie es Ihrem besten Freund. Ihr Buchhändler ist so nah, Ihr Buchhändler ist immer für Sie da, während ich nicht immer für Sie da bin, weil ich zwischendurch in aus Ihrer Sicht wohl völlig fremden Welten bin, es sei denn, die fremden Welten sind vorübergehend geschlossen, und ich spaziere wie seinerzeit schon Robert Walser an einem müden Regentag zu meinem Buchhändler, der mich mit viel offeneren Armen empfängt als Robert Walsers Buchhändler Robert Walser empfangen hat. Ich begrüße den Buchhändler herzlich, kontrolliere meinen Bücherstapel am Kassatisch und plaudere mit ihm unverfänglich ein wenig über das Geschäft, wenn gerade nicht viel Geschäft ist. Manchmal kaufe ich dann aus alter Verbundenheit ein gutes Buch und schenke es meinem besten Freund. Ein guter Buchhändler wird immer auch versuchen, aus dem Autor bei der Gelegenheit zwischen Tür und Angel den Inhalt des nächsten Romans herauszukitzeln, aber ich persönlich bin da im Unterschied zu den Autokofferraumautoren eisern und verrate über schwebende Literaturverfahren und unerlegte Bärenfelle fremder Welten prinzipiell nicht das Geringste, sondern erfinde dem Buchhändler an Ort und Stelle der Buchhandlung einfach irgendeine Romanhandlung, damit er Gerüchte und Insiderwissen in andere Plaudereien der diesseitigen Welt zu setzen hat, befriedigt ist und ich meine die unmittelbare Schöpfung betreffende Ruhe habe. Tür und Angel ist freilich eine stehende Wendung, realiter ist die Buchhandlungstür eine Schiebetür aus Glas, die automatisch und elektrisch funktioniert, wenn auch nicht völlig geräuschlos, geräuschlos kann man die Buchhandlung weder betreten noch verlassen. Es ist freilich schon vorgekommen, daß mir nach Verlassen der Buchhandlung bei Fortsetzung des Spaziergangs durch den Regentag die soeben frei erfundene Romanhandlung plötzlich derart gut gefallen hat, daß ich den Roman dann tatsächlich geschrieben habe, und wenn der Buchhändler den fertigen Roman zwei, drei Jahre später in Buchform in die Buchhandlung geliefert bekommt, denkt er sich, während er die Plastikfolie abzieht: Was für ein ehrlicher, vertrauensseliger Künstler, was für ein unkomplizierter Charakter. Immer für ein offenes Wort zu haben.
Wenn Sie also so einen glücklichen Augenblick erwischen und zu der Stunde in die Buchhandlung kommen, in der auch ich in der Buchhandlung bin, würde der Buchhändler selbstverständlich sogar die Plauderei mit mir unterbrechen, um Ihnen mein Buch zu verkaufen, das Sie dann Ihrem besten Freund schenken, und nebenbei könnten Sie, während der Buchhändler mit sicherem Griff ein Exemplar vom Stapel nimmt, einen wohlwollenden Blick von mir ernten. Wenn Sie Ihre verständliche Schüchternheit mir gegenüber überwinden und mich bitten, das Buch zu signieren, schreibe ich Ihnen auf das erste unbeschriebene Blatt mit dem Wort gerne auf den Lippen ohne weiteres hinauf, wie ich heiße, falls Sie darauf Wert legen, schreibe ich auch hinauf, wie Sie heißen, nur müssen Sie es mir vorher sagen. Oder ich schreibe hinauf, wie Ihr bester Freund heißt, Ihr Vater, Ihre Mutter, Ihre Tochter, Ihr Sohn. Dafür kann ich morgens schlafen, solang es mir paßt. Oder ich weise in meiner Widmung auf der ersten Seite auf Ihre Widmung auf der zweiten Seite hin und erkläre mich mittels Unterschrift vollinhaltlich einverstanden, dann hätten wir schon ein kleines Stammbuch. Überhaupt bin ich dafür, daß viel mehr geschrieben wird, und alles sollte etwas persönlicher werden. In St. Pölten hat mich eine Dame einmal gebeten, ich soll ihr auf die erste Seite etwas ganz Schönes schreiben, und da habe ich ihr auf die erste Seite meines Buches kurzerhand ein Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke hineingeschrieben. Zu Rilke wäre prinzipiell zu sagen, daß es für einen Dichter einen enormen Vorteil darstellt, wenn er zwei Vornamen trägt, vor allem dann, wenn der zweite ein Mädchenname ist und der Dichter ein wenig dazu neigt, mit den ergötzlichen Ingredienzien der Melancholie zu operieren. Wenn Rilke bloß Rainer Rilke geheißen hätte und die ersten Seiten seiner Lyrikbände bloß mit Rainer Rilke beschriften hätte können, wäre aus Rilke bestimmt nicht der Rilke geworden, der aus Rilke geworden ist. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Jedenfalls glaube ich, daß dieses Exemplar meines Buches – ich nenne es: das niederösterreichische Happeningexemplar – in zweitausend Jahren recht viel wert sein wird, und die Erbnehmer der Dame sind schon heute zu beneiden.
Sollten Sie bei Ihrem Buchhändler nun wie selbstverständlich mein Buch verlangen und er es, weil er schlecht sortiert ist, nicht vorrätig haben, und sollte ich also nicht für Sie da sein, so veranlassen Sie das Scheusal, ein Exemplar zu bestellen. Als Ihr Buchhändler, der für Sie da ist, wird er Ihnen diesen Service selbstverständlich bieten, obwohl er weiß, daß er an einem exklusiv bestellten Einzelexemplar nichts verdient. So züchtigen Sie ihn unauffällig und maßregeln ihn ob seines marketenderischen Kleinmuts. Ermutigen Sie in der Folge auch Ihren besten Freund, Ihren zweitbesten Freund, Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Enkel, Urenkel, Base, Nichte, Schwieger-, Stief-, Beichtvater, Geschäftspartner, Hausarzt, Steuerberater, sonstiges, bei diesem Buchhändler jeweils exakt ein Exemplar dieses Buches zu verlangen und bestellen zu lassen, und praktizieren Sie diese nervenkriegerische Methode so lange, bis dieser Buchhändler zermürbt aufgibt und von sich aus 100 Exemplare bestellt, wobei er bei einer Hunderterbestellung 130 Exemplare zum Preis von 100 bekommt. Ich appelliere da jetzt vor allem an die Kunden des Nordens, ich denke an die Buchhandlungen in Deutschland und Norddeutschland, die gemeinhin glauben, zeitgenössische österreichische Literatur sei nicht das Maß aller Dinge. Selbstverständlich wird Ihr Buchhändler, nachdem er sich bezüglich dieses urgierten Buches orientiert hat, Ihnen gegenüber untröstlich sein und sich auf den Vertrieb ausreden, der Vertrieb wird sich auf den Verlag ausreden, der Verlag wird sich auf den Vertreter ausreden, der Vertreter wird sich auf den Buchhandel ausreden, bestimmt kennen Sie dieses Geschwafel auch schon von Ihrer Kommunalpolitik. Hamburgerinnen und Hamburger! Lassen wir uns solche Einnebelungen nicht länger bieten, schreiten und schreiben wir zur Tat. Erzeuger und Endverbraucher wollen auch von etwas leben, Sie brauchen geistige Nahrung, ich Nahrung.
Mein Buchhändler zum Beispiel stellt dieses Buch nicht nur in die Auslage, er dekoriert ein eigenes Schaufenster ganz für mich allein und vollbringt dabei wahrhaft ein kleines Meisterwerk. Schon insofern rechnen sich die Spaziergänge an den müden Regentagen. Wenn Sie Glück haben, können Sie, wenn Sie in die Buchhandlung kommen, dieses Buch nicht nur kaufen, sondern Sie können, vor allem, wenn es frisch am Markt ist, einer Lesung beiwohnen und auf bequemen Stühlen mitanhören, wie ich Ihnen aus diesem Buch vorlese, was Sie anschließend nachlesen und wegschenken können, vielleicht lese ich im Rahmen der Lesung aus einer Laune heraus sogar genau diesen Text und bin vielleicht gerade an der Stelle, an der es im Text heißt, daß ich genau diesen Text vorlese, so gesehen ist ein Poetenleben schon ein Abenteuer. Am Ende der Veranstaltung stehe ich Ihnen wie immer für alle Fragen, die wie immer nicht gestellt werden, und für ein Gespräch, das wie immer nicht stattfindet, zur Verfügung. Eine Lesung ist eine schöne Sache, obzwar anstrengend, und wenn sie einmal gar zu langatmig ausfällt, was Ihnen bei mir im Unterschied zu den Autokofferraumautoren, die bei der Lesung gleich ihr ganzes Buch von der ersten bis zur letzten Seite loswerden wollen, wobei sich oftmals herausstellt, daß der vorletzte Satz eines Buches nicht mehr ganz so geschrieben ist, daß der Leser auch den letzten Satz noch unbedingt hören will, was Ihnen bei mir also nicht passieren kann, und Sie sich nicht mehr auf den Text konzentrieren können, konzentrieren Sie sich einfach auf das gänsehauterzeugende Schiebetürgeräusch, und schauen Sie, wer zu spät kommt und wer zu früh geht. Wetten Sie mit sich selbst, daß das ein Journalist ist, und in neun von zehn Fällen haben Sie auch schon gewonnen. Beobachten Sie dabei immer auch den vortragenden Autor, der das erbarmungslos gänsehauterzeugende Schiebetürgeräusch natürlich ebenfalls hört, aber von seinem Pult aus die Schiebetür nicht sehen, daher die Zuspätkommenden auch nicht von den Zufrühgehenden unterscheiden kann und also die ganze Veranstaltung lang im bangen Ungewissen bleibt. Wenn natürlich unmittelbar nach dem Ende eines Textes die Schiebetürgeräusche