DIE KATAKOMBEN. Jeremy Bates. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jeremy Bates
Издательство: Bookwire
Серия: Die beängstigendsten Orte der Welt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353862
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für eine gerechtfertigte Vorwarnung, weil meine Knie wortwörtlich nachgaben und ich in den Sessel fiel.

      Bridgette sagte: »Ich wollte nicht, das du es auf Facebook oder so rausfindest …«

      »Ich benutze kein Facebook.«

      »Du hast einen Account.«

      »Seit wann kennst du diesen Kerl?«

      »Wir haben uns im März kennengelernt.«

      »Zwei Monate? Nicht mehr? Und ihr seid verlobt?«

      »Wir … ich bin schwanger«, sagte sie. »Es war nicht geplant«, fügte sie schnell hinzu. »Aber … dann … plötzlich war mir morgens immer schlecht und ich hab einen Test gemacht. Und … und wir entschieden, dass es das Beste wäre, zu heiraten.«

      Ich hörte zu, aber ich hörte nicht hin. Meine Gedanken waren tausend Meilen weit fort, rasten im Schnellvorlauf durch die Jahre, die ich mit ihr verbracht hatte. Wie gut sie zu mir gewesen war. Wie sie zu mir gestanden hatte, als es kein anderer getan hatte. Wie sehr ich sie geliebt hatte. Wie ich alles für sie getan hätte.

      Wie konnte sie mit jemand anderem verlobt und mit seinem Kind schwanger sein?

      Sie gehörte mir. Sie hatte immer mir gehört.

      Ich stand wieder auf. Wut tobte in mir, verschlang mich von innen nach außen. Mein Kiefer war zusammengebissen, meine freie Faust öffnete sich, schloss sich, öffnete sich. Ich wollte das Telefon aus dem Fenster werfen, so weit ich konnte.

      Stattdessen schloss ich die Augen und neigte den Kopf nach hinten. Ich atmete stumm durch. Was war mein Problem? Verdammt, ich hatte erst neulich mit Danièle geschlafen. Bridgette hat jedes Recht, dasselbe mit jemand anderem zu tun. Sie hatte nicht vorgehabt, schwanger zu werden. Es war passiert. Was wollte ich also von ihr? Dass sie abtrieb? Den Typen nicht mehr sah? Wozu sollte das alles gut sein? Zwischen uns war es aus.

       Aber das war’s nicht. Ich wäre zurückgekommen, wir hätten noch mal von vorne angefangen …

      »Will?«, fragte Bridgette. »Bist du noch dran?«

      »Ja, ich bin noch dran.«

      »Ich weiß, wie sich das alles anhören muss …«

      »Ich verstehe es. Und … Glückwunsch. Ich freu mich für dich.«

      Sie sagte nichts. Die statischen Störgeräusche der Fernverbindung zischelten in der Leitung.

      Dann: »Danke, Will.« Ihre Stimme war heiser und ich glaubte, dass sie womöglich weinte. »Das bedeutet mir eine Menge.«

      Ein Stimmenchor erklang im Hintergrund.

      »Ich sollte gehen«, sagte sie.

      Ich widersprach nicht. Es gab nichts mehr zu sagen.

      »Will?«

      »Ja?«

      »Du bist mir sehr wichtig. Das wirst du immer sein.«

      »Du bist mir auch wichtig.«

      Ich legte nicht sofort auf. Sie anscheinend auch nicht, weil die Verbindungsgeräusche noch weitere fünf Sekunden anhielten.

      Dann Stille, vollkommene Stille.

      Sie war fort.

      ***

      Irgendwann später, als die Abenddämmerung hereinbrach und die Schatten vor meinem Fenster länger wurden, begann ich, eine Tasche zu packen.

      Kapitel 3

      Der Name des Pubs, den Danièle vorhin auf die Serviette geschrieben hatte, war La Cave. Die Fassade war unscheinbar und ich lief auf meinem ersten Gang über die Rue Jean-Pierre Timbaud zweimal direkt an der Holztür und dem kleinen Neonschild vorbei.

      Das Innere besaß die Intimität, die Faszination und das Geheimnisvolle einer Mondscheinkneipe. Rote Kegellampen, die von der Tonnengewölbsdecke herabhingen, warfen ein karamellfarbenes Licht über die kapitonierten Sofas und Sessel und die niedrigen Holztische. Die Bar war in eine Ecke geschmiegt. Hinter der Theke aus Räuchereiche listete eine Tafel eine Vielfalt von Cocktails auf. In einer anderen Ecke stand eine weiße, klauenfüßige Badewanne voller Eis und grünen Flaschen, die nach selbst gebrautem Bier aussahen. Freundliche alte Herren plauderten neben Scharen jüngerer Hipster, deren Stimmen und Gelächter zu lärmender Heiterkeit erhoben waren.

      Ich konnte Danièle nirgendwo entdecken und ich sah auf meine Armbanduhr, eine sechshundert Dollar teure Hamilton, die sich Bridgette anlässlich meines vierundzwanzigsten Geburtstag geleistet hatte.

      Es war Viertel nach acht. Danièle hatte gesagt, sie würde zwischen acht und neun hier sein. Hatte sie sich anders entschieden und war früher gegangen?

      »Entschuldigung?«, sagte ich zu einem Kellner, der einen gerade frei gewordenen Tisch abwischte. Er war ein adretter Kerl mit einem wieder in Mode gekommen Vokuhila, hochgerollten Ärmeln und einer schwarzen Schürze. »Haben Sie eine Frau gesehen, kurze schwarze Haare, viel Wimperntusche?«

      »Warum benutzen Sie nicht ihre Augen und suchen sie selbst?«, blaffte er mich an und wendete sich von mir ab.

      Angepisst starrte ich auf seinen Rücken, aber ich ließ es gut sein. Man sagt, die Franzosen seien unhöflich, aber ich hatte festgestellt, dass dieses Klischee hauptsächlich auf Servicekräfte zutraf, die sich so eingebildet verhalten konnten wie Popstars; zweifelsfrei hatten sie keinen Respekt für die angelsächsische Maxime: »Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie.«

      Ich setzte meine Suche nach Danièle fort und war nach fünfzehn erfolglosen Minuten bereit, aufzugeben und zu gehen, als ich eine Treppe entdeckte, die in eine Kellerebene hinunterführte. Ich stieg einige steile, schmale Stufen hinab, die in einem ausladenden Bereich endeten, der im Stil des Erdgeschosses ausgestattet war, nur dass die Wände aus Backstein anstelle von vertäfeltem Holz bestanden und es keine Fenster gab. Sofort entdeckte ich Danièle und Pascal und einen dritten Kerl alleine abseits sitzen, an einem Ecktisch.

      »Will!«, sagte Danièle und sprang auf, als sie mich näherkommen sah. Wir machten dieses Luftkuss-Ding, dann drehte sie sich zu den anderen um, um uns vorzustellen. »Du erinnerst dich an Pascal?«

      »Hey«, sagte ich und strecke meine Hand aus.

      Er schüttelte sie, stand aber nicht auf. Er war ein gut aussehender Kerl, dunkelhäutig, mit dichten Augenbrauen, grüblerischem Blick und langen braunen Haaren. Er trug Gammler-Schick, mit einem zerknitterten Leinen-T-Shirt und einer Tweedjacke mit braunen Ellbogenaufnähern. Das T-Shirt war tief ausgeschnitten und zeigte ein bisschen zu viel haarloser Brust, die ein locker geknoteter Schal nicht verdecken konnte. Es war die Art übertrieben durchdachter Aufzug, den man Rockstars tragen sah, die beweisen wollten, dass sie noch immer den Finger am Puls der Zeit hatten. Er trug dieselbe schwarze Wollstrickmütze wie an Danièles Geburtstagsparty.

      »Und, Will«, sagte Danièle, »das ist Robert.«

      »Nur Rob, Boss«, sagte er zu mir, stand auf und schüttelte mir die Hand. Er war ein kleiner, bulldogengleicher Kerl, dessen Körper nicht nur kompakt war, sondern fest und muskulös wie der eines College-Ringers. Er hatte jede Menge Sommersprossen, die nicht mit der Zeit verblasst waren, wie es Mütter immer versprachen, lebhafte, graue Augen und schütteres Haar, das sehr kurz geschnitten war. Ich vermutete, dass er der Älteste unseres bunten Haufens war, vielleicht dreißig.

      »Du bist Amerikaner?«, fragte ich. Nach Pascals stummer Begrüßung hatte ich mich unwillkommen gefühlt und es war nett, zu wissen, dass ich nicht der einzige Außenseiter war.

      »Nein, Kanadier, aber egal, richtig?«

      »Wir haben gerade bestellt«, sagte Danièle zu mir. »Aber keine Sorge. Es gibt genug für dich.«

      »Ich habe keinen Hunger«, sagte ich.

      »Du solltest trotzdem etwas essen. Du wirst bis zum Morgen keine Gelegenheit mehr dazu bekommen.«