DIE KATAKOMBEN. Jeremy Bates. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jeremy Bates
Издательство: Bookwire
Серия: Die beängstigendsten Orte der Welt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353862
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und drücke auf Play. Das Bild war exakt dasselbe.

      »Was …?«

      »Hör hin.«

      Ein erschütternder Schrei explodierte aus den blechernen Lautsprechern. Er klang weit fort, als käme er aus der Tiefe im Inneren der schwarzen Tunnel. Er steigerte sich in bansheegleiche Raserei …

      Der Bildschirm wurde schwarz.

      »Was ist passiert?«, wollte ich wissen.

      Danièle sah mich an. »Die Kamera ist ausgegangen. Das war’s.«

      Kapitel 2

      »Was meinst du mit das war’s?«, fragte ich mit einem Stirnrunzeln.

      »Du hast es gesehen«, sagte Danièle. »Der Akku hat den Geist aufgegeben.«

      »Und?«

      »Und nichts.«

      »Du weißt nicht, was mit ihr passiert ist?«

      »Woher denn? Niemand hat sie je wieder gesehen.«

      »Wie kannst du das wissen?«

      »Okay, ich weiß es nicht«, gab sie zu. »Aber sie hat die Kamera dort gelassen. Sie ist nicht zurückgekommen, um sie wiederzuholen. Und du hast sie gehört.«

      Ich lehnte mich zurück. Mein Magen war aufgewühlt, als hätte ich gerade ein Schnapsglas voll Farbverdünner getrunken. »Ist das echt?«

      »Natürlich, Will.«

      »Wie bist du an die Kamera rangekommen?«

      »Pascal hat sie gefunden.«

      »Warum war er so tief in den Katakomben?«

      »Das tut er eben. Er erkundet, sogar mehr als ich. Er hat die Katakomben schon hunderte Male zuvor besucht.«

      Ich sah Danièle an, dann den Laptop, dann wieder Danièle.

      »Du warst also nicht mit ihm zusammen?«, fragte ich.

      »Nein, war ich nicht.«

      »Wo ist die tatsächliche Kamera?«

      »Pascal hat sie. Ich habe die Dateien auf meinen Computer kopiert.«

      »Spielt er dir vielleicht einen Streich?«

      »Warum bist du so skeptisch, Will?«

      »Warum? Weil das aussieht wie etwas aus dem Blair Witch Project

      »Pascal hat sich das nicht ausgedacht.«

      »Dann vielleicht die Frau.«

      »Warum sollte sie das tun? Die Katakomben sind sehr groß. Wie ich gesagt habe, die Kamera war tief drinnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sie findet, war gering. Außerdem gibt es keine Aufnahmen von ihr. Auf keinem einzigen der Videoclips. Nur ihre Stimme. Die Kamera könnte niemals zu ihr zurückverfolgt werden. Sie würde niemals wissen, wer sie gefunden hat, falls jemand sie gefunden hat. Warum sollte sie so einen Scherz machen?«

      »Sie ist gerannt, richtig?«, fragte ich. »Am Ende ist sie gerannt. Sie hatte Angst. Sie dachte, etwas wäre hinter ihr her. Aber sie filmte weiter? Würdest du das tun? Die Kamera weiterlaufen lassen, das machen die nur in diesen Found-Footage-Filmen.«

      »Nein, Will. Sie hat nicht gefilmt. Sie hat die LEDs der Kamera benutzt, um etwas zu sehen. Wenn sie die Kamera ausgeschaltet hätte – da unten ist es komplett dunkel.«

      Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. »Was denkst du also, was passiert ist? Sie hat geglaubt, jemand wäre hinter ihr her. Ist jemand an der Kamera vorbei gerannt, um sie zu verfolgen?«

      »Nein.«

      »Wer hat sie dann zum Schreien gebracht?«

      »Darauf habe ich keine Antwort.«

      Ich kannte Danièle gut genug, um zu erkennen, ob sie mich auf die Schippe nahm oder nicht. Als ich sie jetzt ansah, glaubte ich das nicht. Ob es stimmte oder nicht, sie war davon überzeugt, dass es sich um echtes Filmmaterial handelte. Eine Frau hatte sich in den Katakomben verirrt und sie hatte das Pech gehabt, jemandem über Weg zu laufen, der ihr etwas Schreckliches angetan hatte.

      Und warum nicht?, dachte ich. Warum pochte ich darauf, dass es nicht so war? Jeden Tag passierte große Scheiße in der Welt. Eine Menge großer Scheiße. Ziemlich schreckliche Scheiße. Man konnte so tun, als wäre es nicht so, aber damit verarschte man sich nur selbst.

      »Habt ihr der Polizei eine Kopie gegeben?«, fragte ich.

      »Der Polizei?« Danièles Augen weiteten sich überrascht. »Natürlich nicht.«

      »Aber wenn es echt ist, dann ist dieser Frau etwas zugestoßen. Ihr müsst es der Polizei sagen.«

      »Und was würde die deiner Meinung nach tun, Will?«

      »Ich dachte, du hättest mir mal erzählt, dass es diese Polizisten gibt, die in den Katakomben auf Streife gehen?«

      »Catacops, ja. Aber die patrouillieren nur in den gängigen Bereichen. Sie stellen sicher, dass niemand irgendwas kaputt macht oder Knochen stiehlt. Sie gehen nicht auf Verbrecherjagd. Sie gehen nicht in die unkartierten Gebiete. Die Katakomben sind hunderte Kilometer lang. Es gibt viele Ebenen.«

      »Ich denke trotzdem, dass ihr es ihnen sagen solltet.«

      »Wir machen etwas Besseres. Wir werden nach ihr suchen.«

      »Heute Abend?«, fragte ich. »Ihr geht heute Abend auf die Suche nach dieser Frau?«

      Sie nickte.

      »Und ihr glaubt, ihr werdet sie finden?«

      »Wir wissen es nicht. Aber wir werden es versuchen.«

      »Diese Kamera könnte schon Jahre da unten liegen.«

      »Das Video hat einen Zeitstempel von vor drei Wochen.«

      »Bist du nicht … ich weiß auch nicht … Hast du keine Angst?«

      »Du hast ihre Schreie gehört. Wenn wir sie finden, wird es wahrscheinlich nur ihre Leiche sein. Wer immer sie angegriffen hat, wird längst weg sein.«

      »Und was, wenn nicht?«

      »Wir werden zu viert sein.«

      »Zu viert? Du hast gesagt …«

      Sie nahm meine Hand. »Ich möchte, dass du mit uns kommst.«

      Ich blinzelte. »Machst du Witze?«

      »Ich will, dass wir diese Erfahrung zusammen machen.«

      »Auf keinen Fall werde ich auf der Suche nach irgendeiner verschwundenen Frau durch die Katakomben latschen, Danièle, und ich denke, du solltest dir auch noch mal überlegen, ob du hingehst.«

      »Da gibt es nichts zu überlegen.«

      »Das ist kein Spiel. Soweit du weißt, könnte diese Frau ermordet worden sein. Damit willst du nichts zu tun haben.«

      »Dann komm mit mir – beschütze mich.«

      Ich zog meine Hand zurück. »Grundgütiger, Danièle. Hast du gerade nicht dasselbe Video gesehen wie ich? Was du vorhast, das ist gefährlich und unverantwortlich.«

      »Wenn die Frau oberirdisch gefilmt hätte, in einer Gasse, und sie hätte die Kamera fallen lassen und geschrien, würdest du dich weigern, diese Gasse nach ihr abzusuchen?«

      »Das ist nicht dasselbe.«

      »Ich fühle mich in den Katakomben absolut wohl.«

      »Warst du schon mal so tief drin, so weit, wo Pascal die Kamera gefunden hat?«

      »Ich hab doch gesagt, Pascal …«

      »Nicht er. Du.«

      »Nein, war ich nicht.«

      Ich