249
Entscheidend ist, ob der Anfechtende eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat.[435] Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob sich faktisch der Patientenkreis des Anfechtenden mit dem Patientenkreis des Begünstigten in relevantem Maß überschneidet.[436] Bei Ermächtigungen ist von sich überschneidenden Einzugsbereichen auszugehen, wenn die durchschnittliche Anzahl der vom ermächtigten Arzt mit den gleichen Leistungen behandelten Patienten aus dem Leistungsbereich des Anfechtenden 5 % der durchschnittlichen Gesamtfallzahl der Praxis dieses Leistungserbringers überschreitet.[437]
250
Grundsätzlich muss der Anfechtende das Leistungsspektrum und den Einzugsbereich darlegen, erst dann ist der Berufungsausschuss zu weiteren Ermittlungen verpflichtet.[438] An die Darlegungspflicht des Anfechtenden sind keine hohen Anforderungen zu stellen, wenn die Überschneidungen auf der Hand liegen, etwa bei einem eng umgrenzten Fachgebiet.[439] Im Falle großstädtischer Planungsbereiche oder großräumiger Landkreise bestehen hohe Anforderungen an die Darlegung der sich überschneidenden Einzugsbereiche, da hier ein weiter Beurteilungsspielraum bezüglich des Ausmaßes der Versorgungsdichte besteht.[440] Im Zusammenhang mit der Erteilung einer Sonderbedarfszulassung gemäß § 37 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie ist das Bestehen eines faktischen Konkurrenzverhältnisses im Verhältnis von zwei deutlich weniger als 10 km voneinander entfernt liegenden Dialysepraxen plausibel; bei einer solcher Nähe und einem so engem Leistungszuschnitt bedarf es weder näherer Darlegungen des Anfechtenden noch näherer Ermittlungen durch die Zulassungsgremien oder Gerichte; es ist ohne Weiteres ein real bestehendes Konkurrenzverhältnis anzunehmen.[441]
251
Von der Möglichkeit einer nicht nur unwesentlichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Anfechtenden wird man umgekehrt nicht ausgehen können, wenn bspw. dessen Budget bereits ausgelastet und die angegriffene Ermächtigung auf die Überweisung durch niedergelassene Fachärzte begrenzt ist.[442]
252
Beispielsweise soll nach der Rechtsprechung ein niedergelassener Kinderarzt die Ermächtigung eines Sozialpädiatrischen Zentrums gemäß § 119 SGB V zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern nicht anfechten können, weil er nicht die gleichen Leistungen anbietet. Ein allein tätiger Kinderarzt kann den Zweck eines Sozialpädiatrischen Zentrums, nämlich eine multidisziplinäre ganzheitliche Behandlung mit entsprechender Personal- und apparativer Ausstattung, nicht gewährleisten. Außerdem ist mit einem auf Fachärzte für Kinder- und Jungendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie zugeschnittenen Überweisungsfilter sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum nur von denjenigen Ärzten zu treffen ist, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen.[443]
bb) Anfechtungsbefugnis bei Willkürentscheidungen
253
Liegen die vom BSG entwickelten Grundvoraussetzungen zur Drittanfechtungsberechtigung nicht vor, kommt eine Anfechtungsberechtigung des Dritten nur in Betracht, wenn sich der Beschluss als willkürlich erweist (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).[444] Allerdings ist die Grenze zur Willkür erst dann überschritten, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht, weil die einschlägigen Normen nicht berücksichtigt wurden oder ihr Inhalt in krasser Weise missgedeutet wird.[445]
c) Widerspruchsfrist
254
Sofern dem Dritten der Beschluss des Zulassungsausschusses zugestellt wurde, gilt gemäß § 97 Abs. 3 S. 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 1 S. 1 SGG eine Widerspruchsfrist von einem Monat. Erfolgt gegenüber dem Dritten keine Bekanntgabe der Entscheidung, kann nach neuerer Rechtsprechung[446] Widerspruch (nur) innerhalb der Jahresfrist des § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG eingelegt werden, wobei die Frist mit der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit durch den Begünstigten läuft. Im Interesse der Planungssicherheit für den von der Zulassung Begünstigten und nicht zuletzt im Interesse der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung müsse ausgeschlossen werden, dass der Status eines Vertragsarztes noch Jahre nach seiner Begründung durch Rechtsbehelfe von Konkurrenten in Frage gestellt werden kann. Dabei könne unwiderleglich vermutet werden, dass für den niedergelassenen Arzt eine solche Konkurrenz binnen eines Jahres erkennbar wird.[447]
255
Vom BSG wird unter Hinweis auf etwaige Amtshaftungsansprüche des Betroffenen betont, dass die Geltung der Jahresfrist gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG nicht die Pflicht der Zulassungsgremien mindere, im Verfahren gemäß § 12 Abs. 2 SGB X diejenigen zu informieren und ggf. zu beteiligen, zu deren Gunsten Drittschutz besteht.[448]
d) Verwirkung
256
Der Konkurrentenwiderspruch kann ausnahmsweise wegen Verwirkung unzulässig sein, wenn der Dritte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die die späte Einlegung des Widerspruchs als missbräuchlich erscheinen lassen.[449] Eine Verwirkung kommt in Betracht, wenn der Dritte Kenntnis von der Teilnahme des Begünstigten an der vertragsärztlichen Versorgung hatte und er sie mit Wissen des Begünstigten hinnimmt.
e) Aufschiebende Wirkung
257
An sich wirkt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auf den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Beschlusses zurück und endet auch nicht etwa rückwirkend im Falle der späteren Zurückweisung des Widerspruchs.[450] Allerdings entfaltet die Drittanfechtung nach neuerer Rechtsprechung des BSG ex nunc mit ihrer Einlegung bzw. mit Kenntniserlangung des Betroffenen aufschiebende Wirkung.[451]
f) Rechtsschutz über Bestimmungen des UWG?
258
Soweit nach den in ständiger Rechtsprechung des BSG entwickelten vertragsarztrechtlichen Grundsätzen kein Drittschutz gegenüber der als rechtswidrig angesehenen Begünstigung eines Konkurrenten geltend gemacht werden kann, kann ein abweichendes Ergebnis auch nicht über die entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG erreicht werden.[452]
a) Gebührenpflicht
259
Das Widerspruchsverfahren vor dem Berufungsausschuss ist grundsätzlich[453] gebührenpflichtig. Die Widerspruchsgebühr gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 lit. d Ärzte-ZV wird mit Einlegung des Widerspruchs fällig, § 46 S. 2 Ärzte-ZV. Durch die Rücknahme des Widerspruchs bei Eintritt der Rücknahmefiktion gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV wird die Zahlungspflicht nicht beseitigt.
260
Die Widerspruchsgebühr kann vom Vorsitzenden gestundet werden, § 45 Abs. 3 i.V.m. § 38 S. 2 Ärzte-ZV.
b) Rücknahmefiktion
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