d) Zustellung des Bescheids
212
Die Ausfertigung des Beschlusses, also der Bescheid, ist gemäß § 41 Abs. 5 S. 1 Ärzte-ZV den Verfahrensbeteiligten[348] zuzustellen, in der Regel mit Postzustellungsurkunde oder mittels Einschreiben.[349] Hat sich für einen Beteiligten ein Verfahrensbevollmächtigter unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht bestellt (§ 13 Abs. 1 SGB X), ist an diesen zuzustellen.
213
In den Fällen des § 140f Abs. 3 SGB V erhalten die Patientenvertreterinnen und -vertreter gemäß § 41 Abs. 5 S. 2 Ärzte-ZV eine Abschrift des Beschlusses. Außerdem kann der Zulassungsausschuss gemäß § 41 Abs. 5 S. 3 Ärzte-ZV beschließen, dass auch andere Stellen Abschriften des Beschlusses erhalten, wenn sie ein berechtigtes Interesse nachweisen. Bei Zulassungsentziehungen kommen als andere Stellen bspw. die Approbationsbehörde und die Staatsanwaltschaft in Betracht.
e) Wirksamkeitszeitpunkt
214
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wirksamkeit des Beschlusses ist dessen Bekanntgabe, §§ 39 Abs. 1, 37 Abs. 1 SGB X. Die Bekanntgabe kann durch förmliche Zustellung oder in anderer Weise erfolgen. Deshalb kann der Beschluss bereits vor Zustellung, etwa durch seine Verkündung nach mündlicher Verhandlung (§ 37 Abs. 1 S. 1 SGB X)[350] oder durch schriftliche Mitteilung des Tenors[351] wirksam werden,[352] mit der Folge, dass er nicht mehr ohne weiteres geändert werden darf (§ 39 Abs. 2 SGB X).[353] Das Formerfordernis des § 41 Abs. 4 S. 1 Ärzte-ZV wird durch die schriftliche Abfassung des Beschlusses geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X analog).[354]
215
Demgegenüber beginnt die Widerspruchsfrist erst mit förmlicher Zustellung zu laufen (§ 9 VwZG).[355]
a) Funktionelle Zuständigkeit des Berufungsausschusses
216
Gegen alle Entscheidungen des Zulassungsausschusses können die Verfahrensbeteiligten[356] den Berufungsausschuss anrufen, § 96 Abs. 4 S. 1 SGB V. Der Zulassungsausschuss ist zum Erlass einer Abhilfeentscheidung (vgl. § 85 Abs. 1 SGG) nicht befugt.[357] Mit seiner Anrufung – § 44 Ärzte-ZV bezeichnet die Anrufung des Berufungsausschusses als „Widerspruch“ – wird der Berufungsausschuss im angerufenen Umfang funktionell ausschließlich zuständig.[358] Nach der Einlegung des Widerspruchs liegt die gesamte Verantwortung und Kompetenz für die Behandlung der gesamten streitbefangenen Zulassungssache bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens ausschließlich beim Berufungsausschuss.[359]
217
Bei dem Widerspruchsverfahren vor dem Berufungsausschuss handelt es sich um ein umfassendes Verfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz. Gemäß § 97 Abs. 3 S. 2 SGB V „gilt“ es als Vorverfahren i.S.v. § 78 SGG, so dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten erst durch den Widerspruchsbescheid des Berufungsausschusses eröffnet wird.[360] Gegenstand der Überprüfung durch den Berufungsausschuss ist die streitbefangene Zulassungssache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist ein hinsichtlich der Entscheidung originäres Verwaltungsverfahren, welches die Zulassungssache umfassend und abschließend regelt.[361] Der Beschluss des Berufungsausschusses tritt an die Stelle des Beschlusses des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand eines sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens.[362] Der Berufungsausschuss entscheidet daher nicht über einen Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses, der gegebenenfalls aufzuheben wäre, sondern er trifft eine eigene Sachentscheidung.[363] Etwaige Fehler im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss sind deshalb im sozialgerichtlichen Verfahren ohne Bedeutung. Dass der Bescheid des Zulassungsausschusses mit der Entscheidung des Berufungsausschusses rechtlich nicht mehr existent ist, hat nicht zur Folge, dass es dem Berufungsausschuss verwehrt wäre, auf die Inhalte des Bescheides des Zulassungsausschusses Bezug zu nehmen; der Bescheid des Berufungsausschusses schließt vielmehr den Bescheid des Zulassungsausschusses ein, soweit er diesen bestätigt.[364] Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung des Verfügungssatzes im Bescheid des Berufungsausschusses „Der Widerspruch … wird zurückgewiesen.“ nicht zu beanstanden.[365]
218
Die Kompetenzverteilung zwischen Zulassungs- und Berufungsausschuss richtet sich danach, inwieweit die jeweilige Zulassungssache mit der Anrufung des Berufungsausschusses dort streitbefangen ist. Zur Kompetenzabgrenzung kommt es somit auf den Streitgegenstand an, der bei Anfechtungs- und Verpflichtungsansprüchen im Verwaltungsverfahren als der vom Begehren des Antragsstellers umfasste Lebenssachverhalt verstanden wird.[366] Weist der Zulassungsausschuss bspw. einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung gemäß §§ 19 Abs. 1 Ärzte-ZV, 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V, 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie zurück und wird hiergegen Widerspruch zum Berufungsausschuss erhoben, ist Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss der Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Dementsprechend entscheidet der Berufungsausschuss auch über den Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung, obwohl zunächst eine Sonderbedarfszulassung beantragt und erst nach Anrufung des Berufungsausschusses der Gesichtspunkt eines Zulassungsanspruchs nach den allgemeinen für Vertragsärzte geltenden Zulassungsregelungen geltend gemacht wurde. Denn die zunächst beanspruchte Sonderbedarfszulassung stellt grundsätzlich kein aliud gegenüber einer bedarfsunabhängigen Zulassung dar.[367] Dass die begehrte Zulassung auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen – solche mit und ohne Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien über das Vorliegen eines Versorgungsbedarfs – gestützt werden kann, ist eine bloße Frage der Begründung des Zulassungsanspruchs und macht ein Begehren, das auf beide rechtlichen Gesichtspunkte gestützt wird, nicht zu unterschiedlichen Streitgegenständen. Dementsprechend sind Antragsänderungen im Zulassungsverfahren vom Antrag auf Sonderbedarfszulassung zum Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung stets, also auch noch im Berufungs- und Revisionsverfahren, zulässig.[368] Da es sich um denselben Streitgegenstand handelt, sind ebenso umgekehrt Antragsänderungen von der bedarfsunabhängigen Zulassung zur Sonderbedarfszulassung oder der – gegebenenfalls hilfsweise – Antrag auf Zulassung mit nur hälftigem Versorgungsauftrag zulässig.[369]
b) Ausgestaltung des Verfahrens
219
Für das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gelten die §§ 36 bis 43 Ärzte-ZV entsprechend, § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV.
c) Verbot der reformatio in peius
220
Das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Verbot der reformatio in peius[370] gilt auch im Verfahren vor den Zulassungsgremien.[371]Der Umstand, dass der Berufungsausschuss mit seiner Anrufung im angerufenen Umfang funktionell ausschließlich zuständig wird,[372] steht dem nicht entgegen.[373] Der Vertrauensschutz darf durch die Einlegung des Widerspruchs nicht einschränkt werden; der Grundsatz der reformatio in peius steht einer Veränderung der mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren zu Ungunsten des Widerspruchsführers nur entgegen, wenn auch die Ausgangsbehörde aufgrund der Bindung des bereits erlassenen Verwaltungsaktes die Änderung nicht mehr hätte vornehmen dürfen. Soweit dagegen die Ausgangsbehörde auch nach Bestandskraft des Verwaltungsaktes berechtigt ist, Änderungen der Regelungen oder Feststellungen zu treffen, können diese ebenso im Widerspruchsverfahren getroffen werden.[374] Dies gilt auch im Verfahren vor dem Berufungsausschuss.[375] Sofern mit dem Verbot der reformatio in peius vereinbar, können im Verfahren vor dem Berufungsausschuss erstmals auch Nebenbestimmungen (§ 32 SGB X) getroffen werden;[376] der Betroffene muss zuvor gemäß § 24 SGB X angehört worden sein.[377]
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Das Verbot der reformatio