116
Besteht eine Aussagepflicht, kann sie im Falle der Aussageverweigerung gemäß § 22 SGB X durch richterliche Vernehmung durchgesetzt werden. Besteht keine Aussagepflicht, gilt § 22 SGB X nicht.[102]
117
Zeugen und Sachverständige werden nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) entschädigt. Die Zulassungsgremien haben die Möglichkeit abweichende Vereinbarungen mit Sachverständigen zu treffen.[103] Die Entschädigungen gehören zu den Kosten des Zulassungsausschusses, die gemäß § 34 Abs. 8 Ärzte-ZV je zur Hälfte von der Kassenärztlichen Vereinigung einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Verbänden der Ersatzkassen andererseits getragen werden.[104]
cc) Beweislastentscheidung
118
Lässt sich ein Sachverhalt trotz aller gebotenen Ermittlungen nicht aufklären, hängt die Entscheidung davon ab, wer die Folgen der Sachverhaltsungewissheit zu tragen hat (Frage nach der materiellen Beweislast).[105] Da weder die Ärzte-ZV noch das SGB X Beweislastregeln enthalten,[106] ist auf den allgemeinen Grundsatz zurückzugreifen, wonach jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen bzw. die von ihm aufgestellte Rechtsbehauptung stützen.[107] Eine subjektive Beweisführungslast des Betroffenen besteht nicht.[108] Bsp.: Nach der Rechtsprechung des BSG liegt die materielle Beweislast für die tatsächlichen Umstände der Nichteignung i.S.d. § 20 Abs. 1, Abs. 2 Ärzte-ZV bei den Zulassungsgremien.[109]
dd) Rechtsfolgen einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
119
Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes ist nur dann erheblich, wenn in der Sache eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können.[110] Eine unvollständige Sachverhaltsaufklärung der Zulassungsgremien stellt einen Verfahrensfehler dar, der grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verpflichtung führen kann. Ergänzende Sachverhaltsermittlungen können sich aber erübrigen, wenn i.S.v. § 42 S. 1 SGB X offensichtlich ist, dass die unvollständigen Sachverhaltsermittlungen der Zulassungsgremien die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben.[111] Wer eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes geltend macht, muss daher darlegen, dass sich die Vorinstanz aufgrund ihrer eigenen Rechtsansicht zu bestimmten weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich hätte aufdrängen müssen. Ferner ist darzulegen, zu welchem Ergebnis die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit einer anderen Entscheidung folgt.[112]
c) Grundsatz des rechtlichen Gehörs und Informationsrecht des Betroffenen
120
Der betroffene Arzt hat das Recht, im Verfahren angehört zu werden und sich über den Inhalt der Verfahrensakten zu informieren. Das Gehörsrecht ergibt sich nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG,[113] sondern aus Art. 20 Abs. 3 GG.[114] Im Verwaltungsverfahren gelten geringere Anforderungen als in gerichtlichen Verfahren, was sich insbesondere darin manifestiert, dass ein Verstoß gegen § 24 SGB X gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt werden kann.[115] Das Anhörungsrecht dient insbesondere dazu, den Betroffenen vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, durch sein Vorbringen die Entscheidung zu beeinflussen.[116]
aa) Anhörungsgrundsatz (§ 24 SGB X)
121
Das Anhörungsrecht besteht gemäß § 24 Abs. 1 SGB X nur in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt erlassen werden soll, der in Rechte eines Beteiligten eingreift. Ein solcher Eingriff liegt nur vor, wenn der vorhandene Rechtskreis eines Beteiligten durch die Verwaltungsentscheidung beeinträchtigt wird.[117] Nach der Rechtsprechung des BSG besteht das Anhörungsrecht daher grundsätzlich nur, wenn unanfechtbar zuerkannte Rechte wieder entzogen werden sollen.[118] Verwaltungsakte, die über Bestehen und Umfang eines vom Antragsteller behaupteten Rechts entscheiden, z.B. antragsablehnende Bescheide, werden teilweise als nicht anhörungspflichtig angesehen.[119] Diese Sichtweise kann man kritisieren, da ein Eingriff in die Rechte Beteiligter auch dann vorliegen kann, wenn ein Antrag abgelehnt wird. Gerade in Fällen des Erlaubnisvorbehalts besteht i.d.R. ein Grundrecht des Antragstellers, das durch die Ablehnung des Antrags endgültig beschränkt wird.[120] Der Schutz vor Überraschungsentscheidungen, den das Anhörungsrecht gewährleisten soll, ist auch in diesen Fällen geboten.[121] Nach der Rechtsprechung des BSG muss vor der Antragsablehnung jedenfalls dann eine Anhörung des Antragstellers erfolgen, wenn von einer im Antrag enthaltenen Tatsachenangabe zuungunsten des Antragsstellers abgewichen werden soll.[122] Unterbleibt die erforderliche Anhörung und wird sie nicht nachgeholt (z.B. im Verfahren vor dem Berufungsausschuss), so ist der Beschluss des Berufungsausschusses gemäß § 42 S. 2 SGB X allein aufgrund dieses Fehlers aufzuheben.[123]
122
Damit sich der Beteiligte zu den entscheidungserheblichen Tatsachen äußern kann, müssen sie ihm gegenüber benannt werden. Es müssen nicht nur die wesentlichen Ermittlungsergebnisse mitgeteilt, sondern auch die beabsichtigte Entscheidung nach Art und Inhalt hinreichend klar umschrieben werden. Sofern zum Verständnis der Position der Zulassungsgremien Rechtsnormen genannt werden müssen, muss auch dies erfolgen. Rechtliches Gehör wird erst gewährt, wenn der rechtsstaatliche Rahmen der beabsichtigten Entscheidung offen gelegt wird.[124] Die Stellungnahme des Beteiligten muss von den Zulassungsgremien zur Kenntnis genommen und ernsthaft berücksichtigt werden.[125]
bb) Aktenführung und Akteneinsicht (§ 25 SGB X)
123
§ 25 SGB X regelt ein Recht auf Akteneinsicht und setzt damit die Existenz von Akten voraus.[126] Das Recht und die Pflicht der Zulassungsgremien zur schriftlichen und vollständigen Aktenführung ergibt sich bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip.[127] Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es, die Verfahrensbeteiligten (§ 37 Abs. 2 Ärzte-ZV) über schriftliche Äußerungen von Zeugen und von Sachverständigen eingeholte Auskünfte sowie beigezogene Akten und Urkunden zu unterrichten.[128] Wer nicht Beteiligter des Verfahrens sein kann, kann auch keine Akteneinsicht beanspruchen (Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit).[129]
124
Das Einsichtsrecht steht in enger Verbindung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und ist Bestandteil des rechtsstaatlichen Verfahrens. Die Norm bezweckt eine möglichst umfassende Information der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand und damit die Herstellung der Waffengleichheit und Transparenz im Verfahren.[130] Das Recht auf Akteneinsicht ergänzt nicht nur den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 24 SGB X), sondern ist grundlegende Voraussetzung dafür, den Beteiligten das rechtliche Gehör überhaupt erst zu ermöglichen.[131] Damit diese Ziele erreicht werden können, bedarf es einer vollständigen und wahrheitsgetreuen Aktenführung durch die Zulassungsgremien.[132] Die Einsicht ist in alle schriftlichen Vorgänge, einschließlich Zeichnungen, Skizzen und Pläne, die im konkreten Verfahren eine Rolle gespielt haben und aus denen sich der wesentliche Inhalt und Ablauf des Verfahrens ergibt, zu gewähren.[133] Selbstverständlich erstreckt sich der Einsichtsanspruch auch auf EDV-technisch festgehaltene Vorgänge.[134]
125
Das Akteneinsichtsrecht beschränkt sich auf Aktenbestandteile, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen des Einsichtsberechtigten erforderlich ist.[135] Aus dem Begriff „soweit“ in § 25 Abs. 1 S. 1 SGB X ergibt sich aber keine Berechtigung der Zulassungsgremien, nur eine Teilakteneinsicht zu gewähren,[136] er verweist vielmehr auf das für den Einsichtsanspruch notwendige rechtliche