Der 4. Titel begründet die dinglichen Ansprüche des Eigentümers auf Herausgabe (§ 985), auf Beseitigung einer Störung (§ 1004 I 1) und auf Unterlassung künftiger Störungen (§ 1004 I 2). Sie sollen das Eigentum nach allen Seiten schützen und geben ihm erst Saft und Kraft. Hier findet man auch das in der Ausbildung so beliebte EigentümerBesitzer-Verhältnis (§§ 987 bis 1003) und die gesetzliche Eigentumsvermutung zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache (§ 1006).
Der 5. Titel regelt in vier mageren Vorschriften das Miteigentum in Gestalt des Bruchteilseigentums (§§ 1008-1011) als dingliche Ergänzung der schuldrechtlichen Gemeinschaft (§§ 741 ff.). Miteigentum nach Bruchteilen ist auch das Wohnungs- und Teileigentum des WEG, allerdings untrennbar verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung oder an einem anderen Raum (§ 1 WEG).
Das altdeutsche Gesamthandseigentum des Gesellschafters, Ehegatten in der Gütergemeinschaft und Miterben findet man verstreut im Schuld-, Familien- und Erbrecht.
2. Das absolute und umfassende Herrschaftsrecht an einer Sache
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Das Eigentum des BGB ist das umfassendste und stärkste Herrschaftsrecht an einer Sache, das die Rechtsordnung anerkennt, denn nach § 903 S. 1 darf der Eigentümer mit seiner Sache machen, was er will, und andere von jeder Einwirkung ausschließen[36]. Er darf sie vor allem gebrauchen, nutzen und verbrauchen, belasten und veräußern. Nutzung und Verwertung bilden den harten Kern des Eigentums. Das dingliche Recht auf Nutzung oder Verwertung ist denn auch Gegenstand der beschränkten dinglichen Rechte, die der Eigentümer von seinem Eigentum abspaltet, rechtlich verselbstständigt und durch Rechtsgeschäft einem anderen bestellt.
Das Recht, Dritte von jeglicher Einwirkung auf die Sache auszuschließen, ist gewissermaßen der notwendige Schutzschild des Eigentums in Gestalt starker dinglicher Ansprüche auf Herausgabe nach § 985 (RN 117 ff.), auf Beseitigung einer Eigentumsstörung nach § 1004 I 1 (RN 213 ff.) und auf Unterlassung künftiger Störungen nach § 1004 I 2 (RN 253 ff.). Der dingliche Eigentumsschutz wird ergänzt durch den schuldrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 I. Ohne diese Ansprüche wäre das Eigentum eine leere Hülse, sie aber machen aus ihm ein absolutes Recht, das im Gegensatz zur schuldrechtlichen Forderung von jedermann zu respektieren ist (RN 13).
Eigentum gibt es nur an Sachen, die § 90 als körperliche Gegenstände definiert (RN 1403). Unkörperliche Gegenstände wie Forderungen, Erfinder- und Urheberrechte sind nicht eigentumstauglich; darin unterscheidet sich das Eigentum des BGB vom Eigentum des GG (RN 94).
Eigentum gibt es nur an einzelnen Sachen, nicht an Sachgesamtheiten wie Inventar oder Warenlager und schon gar nicht an gewerblichen Unternehmen, freiberuflichen Praxen oder landwirtschaftlichen Betrieben (RN 1442). Derlei kann man zwar kaufen und verkaufen, aber nicht übereignen, vielmehr muss jeder einzelne Gegenstand nach seinen eigenen Regeln übertragen werden.
Das Eigentum des BGB besteht auch an öffentlichen Sachen, wird aber durch die öffentlichrechtliche Widmung und Zweckbestimmung überlagert (RN 1413). Für ein öffentlichrechtliches Eigentum gibt es keine Rechtsgrundlage. Jedoch ist die öffentliche Hand auch als Eigentümerin unmittelbar an die Grundrechte gebunden und dies schon dann, wenn sie die öffentliche Sache mehrheitlich beherrscht[37].
3. Die zivilrechtlichen Schranken des Eigentums
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Die rechtliche Herrschaft des Eigentümers über seine Sache ist keine Allmacht, sondern wird durch das Gesetz und die Rechte Dritter gebremst, denn nach § 903 S. 1 besteht sie nur, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“. Schon die §§ 904 bis 924, die vor allem die Rechte und Pflichten zwischen Grundstücksnachbarn regeln, setzen dem Eigentum mannigfache Grenzen. Die Stichworte lauten: Immissionen, Grundstücksvertiefung, Überbau und Notweg. Die Nachbarrechtsgesetze der Länder (Art. 122 bis 124 EGBGB) ergänzen das BGB. Die Rechte Dritter, die das Eigentum beschränken, sind in erster Linie die beschränkten dinglichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der §§ 1018-1259.
Aber die negative Formulierung des § 903 S. 1 („… soweit nicht …“) zeigt, dass die unbeschränkte Rechtsmacht des Eigentümers die gesetzliche Regel ist, die gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Beschränkungen hingegen gesetzliche Ausnahmen sind. Danach richtet sich im Streitfall die Beweislast. Wer sich gegenüber dem Eigentümer auf ein Recht an der Sache beruft, muss es beweisen, so der Besitzer nach § 986 sein Recht zum Besitz, mit dem er den Herausgabeanspruch aus § 985 abwehren will (RN 135), und ebenso der Störer nach § 1004 II sein Recht auf Störung, mit dem er sich gegen die Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung der Eigentumsstörung verteidigt (RN 229). Und wer fremdes Eigentum verletzt, muss die Verletzung besonders rechtfertigen, denn die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung wird gegen den Wortlaut des § 823 I vermutet[38].
4.1 Das gesetzliche System
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Nach dem BGB ist das Alleineigentum einer einzelnen Person der gesetzliche Normalfall.
Wo immer es Erwerb und Verlust, Rechte und Pflichten des Eigentums regelt, spricht es den Alleineigentümer an. Das Miteigentum taucht erst in den §§ 1008-1011 auf und beschränkt sich auf ein paar Sonderregeln. Im Übrigen unterliegt es den gleichen gesetzlichen Vorschriften wie das Alleineigentum.
Wo das BGB von Miteigentum spricht, meint es das Buchteilseigentum nach § 1008, dessen schuldrechtliche Grundlage die Gemeinschaft nach §§ 741 ff. bildet. Eine ganz andere Art von Miteigentum ist das Gesamthandseigentum der BGB-Gesellschafter nach § 719, der Ehegatten in Gütergemeinschaft nach § 1419 und der Miterben nach § 2033 II.
Bruchteils- und Gesamthandseigentum gibt es sowohl an beweglichen als auch an unbeweglichen Sachen.