Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Schellhammer
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811487345
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hat die Bank. Fraglich ist, ob beide auch Mitbesitz am Inhalt des Schließfachs haben, oder ob der Kunde Alleinbesitzer sei (dazu BGH NJW 93, 935; OLG Düsseldorf NJW-RR 96, 839; Werner JuS 80, 175). - Wertsachen werden derart hinterlegt, dass die Hinterlegungsstelle sie nur an mehrere Personen gemeinsam herausgeben darf, die dadurch qualifizierten mittelbaren Mitbesitz erlangen. 8. Kapitel Der Eigenbesitz

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      Nach § 872 ist Eigenbesitzer, „wer eine Sache als ihm gehörend besitzt“. Das tut nicht nur der Eigentümer, sondern auch jeder, der sich irrig für den Eigentümer hält oder wider besseres Wissen als Eigentümer aufspielt wie der Dieb und der Täter einer Unterschlagung. Zum Eigenbesitzer wird man demnach nicht durch sein Eigentum, sondern allein durch seinen Willen, die Sache wie ein Eigentümer zu besitzen[123].

      Wo es Eigenbesitz gibt, muss es zwangsläufig auch Fremdbesitz geben. Fremdbesitz ist jeder Besitz, der nicht Eigenbesitz ist, sondern fremdes Eigentum oder fremden höherstufigen Besitz über sich anerkennt. Fremdbesitzer sind Nießbraucher und Pfandgläubiger, Mieter und Pächter und viele andere[124].

      Auf der gleichen Besitzstufe ist man entweder Eigen- oder Fremdbesitzer; man kann nicht beides gleichzeitig sein[125]. Das ist nur auf verschiedenen Besitzstufen möglich, denn Eigen- und Fremdbesitz gibt es auch als mittelbaren Besitz nach § 868 (RN 83).

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      Eigenbesitz ist erforderlich für mancherlei außervertraglichen Eigentumserwerb durch Buchersitzung (§ 900), Aufgebotsverfahren (§ 927), Ersitzung (§ 937), Fruchterwerb (§ 955) und Aneignung (§ 958), außerdem für die Haftung aus § 836 wegen Gebäudeeinsturzes und für den Nutzungsersatz im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach § 988.

      Vor allem aber begründet der Eigenbesitz als die Normalform des Besitzes einer beweglichen Sache eine gesetzliche Eigentumsvermutung, denn § 1006 I 1 vermutet, dass der unmittelbare Eigenbesitzer einer beweglichen Sache mit dem Erwerb des unmittelbaren Eigenbesitzes zugleich Eigentum erwerbe[126]. Dass der erworbene Besitz Eigenbesitz gewesen sei, wird gleichfalls vermutet[127]. Im Streit um das Eigentum einer beweglichen Sache hat deshalb der unmittelbare Besitzer solange die besseren Karten, bis ihm sein Gegenspieler entweder einen Fremdbesitzerwerb oder einen Eigentumsverlust nachweist (RN 1165 ff.).

      Schließlich wird die Nachfolge in den Eigenbesitz einer streitbefangenen Sache prozessual wie eine Rechtsnachfolge behandelt, so dass sich die Rechtskraft des Urteils nach § 325 I ZPO auch auf den Besitznachfolger erstreckt[128].

9. Kapitel Der Herausgabeanspruch aus dem besseren „Recht“ zum Besitz

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      § 1007 ist zweifache Anspruchsgrundlage für die Herausgabe beweglicher Sachen[129], im 3. Abschnitt: „Eigentum“ aber falsch platziert, weil er zum Besitzrecht gehört. Dort ist er ein Lückenbüßer für die seltenen Fälle, dass ein Anspruch auf Herausgabe aus § 985 oder §§ 861, 862 entweder nicht besteht oder nicht beweisbar ist.

      Rechtsfolge der ersten beiden Absätze des § 1007 ist je ein selbstständiger Herausgabeanspruch des früheren gegen den jetzigen Besitzer.

      Der Herausgabeanspruch aus § 1007 I hat drei Voraussetzungen:

- früheren Besitz des Anspruchstellers,
- jetzigen Besitz des Anspruchsgegners und
- bösen Glauben des Anspruchsgegners beim Besitzerwerb.

      Bösgläubig ist ein Besitzer dann, wenn er kein Recht zum Besitz hat und dies beim Erwerb des Besitzes weiß oder grob fahrlässig nicht weiß[130].

      Der Herausgabeanspruch aus § 1007 II setzt voraus: Die bewegliche Sache ist dem Anspruchsteller abhanden gekommen, also unfreiwillig aus dem Besitz gefallen und befindet sich jetzt im Besitz des Anspruchsgegners. Bösgläubig muss dieser nicht sein, der unfreiwillige Besitzverlust des Anspruchstellers genügt.

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      Der Anspruchsgegner hat nach § 1007 III 2 alle Einwendungen aus seinem Recht zum Besitz[131].

      Der Herausgabeanspruch ist nach § 1007 III 1 auch dann ausgeschlossen, wenn der Anspruchsteller entweder beim Erwerb seines früheren Besitzes nicht im guten Glauben war oder den Besitz aufgegeben hat. Im bösen Glauben war er dann, wenn er beim Erwerb des Besitzes kein Recht zum Besitz hatte und dies wusste oder grobfahrlässig nicht wusste. Besitzaufgabe ist freiwilliger Besitzverlust durch den unmittelbaren Besitzer.

      Der Herausgabeanspruch aus § 1007 II ist schließlich dann ausgeschlossen, wenn der Anspruchsgegner Eigentümer ist oder die Sache schon vor dem Besitzverlust des Anspruchstellers seinerseits unfreiwillig verloren hat („… es sei denn, dass …“); für Geld und Inhaberpapiere gilt dies nicht.

2. Teil Das Eigentum – Inhalt und Grenzen 1. Kapitel Das Eigentum des Grundgesetzes

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      Vom Eigentum handelt nicht nur das BGB, sondern auch Art. 14 GG, der es – zusammen mit dem Erbrecht – verfassungsrechtlich gewährleistet (I 1), freilich unter dem Vorbehalt des Gesetzes, das Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt (I 2). Überdies verpflichtet Eigentum (II 1), und sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen (II 2). Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt sogar eine Enteignung (III 1), aber nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes, das zugleich Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (III 2), die unter gerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen (III 3) und im Streitfall von den ordentlichen Gerichten festzusetzen ist (III 4). Auf diese Art und Weise wird der Zivilrichter – aus historischen Gründen, die heute überholt sind – mit der öffentlichrechtlichen Enteignung befasst.

      Art. 14 GG „gewährleistet“ das Eigentum in zwei Richtungen: als elementares individuelles Grundrecht des Einzelnen gegen staatliche Willkür und als fundamentale Einrichtung des Zivilrechts. Die verfassungsrechtliche Garantie des Eigentums soll dem Menschen helfen, sich frei zu entfalten und sein Leben eigenverantwortlich zu gestalten[1]. Um so wichtiger ist es, die Grenze zwischen zulässiger Inhaltsbestimmung nach Art. 14 I 2 GG und unzulässigem staatlichen Übergriff verfassungsrechtlich richtig zu ziehen und das Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlichen Garantie und der Sozialbindung des Eigentums aufzulösen[2].