Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Ulsenheimer
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783811406421
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Verpflichtung, sich über die Fortschritte der Heilkunde und anderweitig gewonnene Erkenntnisse bezüglich Nutzen und Risiken der von ihm angewandten Heilverfahren zu unterrichten. Er ist aus haftungsrechtlicher Sicht verpflichtet, sich in dem Umfang fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu seiner Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist.[259] Keinesfalls darf er sich neuen Lehren und Erfahrungen „aus Bequemlichkeit, Eigensinn oder Hochmut“ verschließen.[260] Dabei werden an die Fortbildungspflicht des Arztes außerordentlich strenge Anforderungen gestellt und ihm „grundsätzlich keine längere Karenzzeit bis zur Aufnahme der wissenschaftlichen Diskussion zugebilligt“.[261] Er muss Hinweise und neue Erkenntnisse aus Publikationen zeitnah umsetzen[262] und ist gehalten, „sich bis an die Grenze des Zumutbaren“ über neue Erkenntnisse und Erfahrungen zu unterrichten.[263] Jeder Patient muss nämlich darauf vertrauen können, dass der behandelnde Arzt sich über die aktuellen Entwicklungen seines Fachgebietes umfassend informiert, „gerade auch hieran besonders interessiert“ ist und „sich diese Kenntnisse auch nicht auf einem überholten Stand befinden“.[264] Ein niedergelassener Gynäkologe muss daher z.B. die üblichen Fachzeitschriften lesen, nicht aber laufend die ausländische Fachliteratur. Für Spezialisten und „klinisch tätige Kapazitäten“ kann allerdings eine solche Forderung gerechtfertigt sein.[265]

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3. Die Bestimmung des fachärztlichen Standards durch Gerichte und Sachverständige

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      Diese auch in ihrer Legitimation problematische „Übermacht“ legt dem Gutachter eine besonders hohe Verantwortung für die sachliche Richtigkeit seiner Ausführungen auf. Gibt es also z.B. mehrere medizinisch anerkannte Lehrmeinungen, gibt es einen „Schulenstreit“ und Leitlinien, so muss der Sachverständige das ganze Meinungsspektrum deutlich machen. Er darf nicht einseitig zugunsten der einen oder anderen Methode entscheiden. Neben hoher Fachkompetenz muss er ein gewisses rechtliches Grundwissen haben, ohne das er seiner Stellung und Funktion im jeweiligen Verfahren nicht gerecht werden kann. Die notwendige Beschränkung auf das eigene Fachgebiet zwingt zur Hinzuziehung eines Experten für spezielle Fragestellungen, die in andere Fachgebiete hineinreichen. Unverzichtbar ist auch die eigene berufliche Erfahrung, wenn es um die Beurteilung einer bestimmten Behandlungsmethode geht.

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      Die unzweifelhaft hohe Bedeutung des Gutachters zwingt die Verteidigung, sich insbesondere mit dem vom Gericht bestellten Gutachter und seinem Vortrag im Austausch mit dem regelmäßig selbst kundigen Mandanten intensiv auseinanderzusetzen. Schwachpunkte, insbesondere eines übermäßige Anforderungen vertretenden Gutachters (siehe Rn. 138 ff.), müssen gefunden werden, um damit insbesondere dem Gericht aufzuzeigen, dass es ggf. auch in eine falsche Richtung gelenkt zu werden droht. Vom Gutachter gleichsam versteckte Zweifel an vermeintlich bestimmt formulierbaren Ergebnissen sind offenzulegen. Stets ist auf mögliche Gründe der (zu besorgenden) Befangenheit zu achten (siehe § 74 StPO) und unter Abklärung der finanziellen Möglichkeiten die Einführung/Beantragung eines weiteren „Privatgutachtens“ zu erwägen, das die Zweifel kundig ausarbeiten kann.

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