(2) Gleichwertige Verfahren, u.a. Videoidentifizierungsverfahren, § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG
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Das GwG lässt in Anbetracht der fortschreitenden technischen Entwicklung sonstige Verfahren zur Identitätsüberprüfung zu, sofern diese ein im Vergleich zur Vor-Ort-Prüfung gleichwertiges Sicherheitsniveau haben. Hierunter fällt neben den oben unter Rn. 70 aufgeführten elektronischen Legitimationsmitteln auch das Videoidentifizierungsverfahren.[78]
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Die BaFin hat folgende Voraussetzungen an die Durchführung des Videoidentifizierungsverfahrens geknüpft:[79]
– | die Mitarbeiter müssen zu geldwäsche- und datenschutzrechtlichen Vorschriften geschult sowie zu den Prüfverfahren der im Rahmen des Videoidentifizierungsverfahrens akzeptierten Dokumente und ihren prüfbaren Sicherheitsmerkmalen ausgebildet sein; die Schulung muss vor Aufnahme der Identifizierungstätigkeit abgeschlossen sein und mindestens einmal jährlich aktualisiert werden, im Rahmen der Aktualisierung sind insbesondere Änderungen der aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu vermitteln; |
– | die Mitarbeiter müssen sich während der Videoidentifizierung in abgetrennten und nur mit Zugangskarte zugänglichen Räumlichkeiten befinden; |
– | das Einverständnis der zu identifizierenden Person zur Aufzeichnung des Identifizierungsprozesses ist aufzuzeichnen; |
– | bei der Zuteilung von Identifizierungsvorgängen an die Mitarbeiter müssen Mechanismen eingesetzt werden, die einer vorhersehbaren Zuteilung und der dadurch bestehenden Manipulationsmöglichkeit entgegenwirken; |
– | die Videoidentifizierung muss in Echtzeit und ohne Unterbrechung erfolgen; |
– | es sind nur Ende-zu-Ende verschlüsselte Videochats zulässig, die die Empfehlungen der Technischen Richtlinie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik einhalten (BSI TR-02102); |
– | zum Videoidentifizierungsverfahren sind nur Ausweisdokumente zugelassen, die über ausreichende Sicherheitsmerkmale verfügen;[80] |
– | der Mitarbeiter muss sich davon überzeugen, dass das Lichtbild sowie die Personenbeschreibung auf dem verwendeten Legitimationsdokument zu der zu identifizierenden Person passen; |
– | das Videoidentifizierungsverfahren ist abzubrechen, wenn die visuelle Überprüfung bzw. die sprachliche Kommunikation zwischen Mitarbeiter und zu identifizierender Person beeinträchtigt sind; |
– | während der Videoidentifizierung muss die zu identifizierende Person eine an sie per Email oder SMS gesendete Ziffernfolge (TAN) online eingeben und an den Mitarbeiter zurücksenden; die erfolgreiche Bestätigung der TAN schließt das Videoidentifizierungsverfahren ab; |
– | der gesamte Prozess der Videoidentifizierung ist aufzuzeichnen, die Aufzeichnung ist gem. § 8 Abs. 3 GwG fünf Jahre aufzubewahren. |
(3) Identitätsüberprüfung durch Dritte (insbesondere Postident-Verfahren)
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Kreditinstitute können die Identifizierung und die Identitätsüberprüfung auf Dritte übertragen.[81] Besonders praxisrelevant ist in diesem Zusammenhang die Nutzung des Postident-Verfahrens, dass nicht unter die nach § 17 Abs. 1 GwG (kraft Gesetz zur Ausführung der allgemeinen Sorgfaltspflichten geeignete Dritte) fällt. Stattdessen ist § 17 Abs. 5 GwG anwendbar, der die vertragliche Auslagerung auf „andere Personen und Unternehmen“ regelt.
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An sich wäre daher insbesondere eine vertragliche Vereinbarung zwischen Kreditinstitut und der Deutschen Post AG über die Auslagerung der Identifizierung und Identitätsüberprüfung erforderlich. Da das Postident-Verfahren jedoch in der Vergangenheit als „per se“ zuverlässig angesehen wurde, ist davon auszugehen, dass auch zukünftig weder eine vertragliche Vereinbarung noch eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 17 Abs. 7 GwG erforderlich sein dürften.[82]
f) Identifizierung und Identitätsüberprüfung von juristischen Personen als Vertragspartner
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Im Vergleich zur Identifizierung natürlicher Personen ist für einen Großteil der Kreditinstitute die Identifizierung juristischer Personen in der täglichen operativen Arbeit weitaus zeit- und arbeitsintensiver. Im nachfolgenden Abschnitt sollen die wesentlichen Aspekte für die in der Praxis relevanten Rechtsformen erläutert werden.
aa) Einzelne praxisrelevante Rechtsformen
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Im Rahmen der Identifizierung und Identitätsüberprüfung von juristischen Personen als Vertragspartner sind für viele Kreditinstitute insb. die folgenden Rechtsformen nach deutschem Recht praxisrelevant.
(1) Juristische Personen des Privatrechts
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Hierzu zählen insbesondere:
– | Aktiengesellschaften (AG); |
– | Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH); |
– | Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA); |
– | Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR); |
– | Offene Handelsgesellschaften (OHG); |
– | Kommanditgesellschaften (KG); |
– | eingetragene Genossenschaften (e.G.); |
– | Partnerschaftsgesellschaften (PartG); |
– | eingetragene Vereine (e.V.); und |
– | Stiftungen des Privatrechts. |
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Nicht als juristische Person zu qualifizieren, aber nicht weniger praxisrelevant sind die Identifizierung von:
– | nicht rechtsfähigen Vereinen; und |
– | Wohnungseigentümergemeinschaften. |
(2)