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Erledigt sich die Verfassungsbeschwerde (z. B. wegen Rückgabe einer vorläufig entzogenen Fahrerlaubnis[47] oder bei Absehen von der Vollstreckung eines Beschlusses[48]), so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen gem. § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu erstatten. Dabei findet im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine überschlägige Beurteilung der Sach- und Rechtslage regelmäßig nicht statt.[49] Wesentliche Bedeutung kann aber insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, zukommen. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, ohne dass dies auf einer Veränderung der Sach- und Rechtslage beruht, ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen zuzubilligen.[50] Das Gericht wird davon allerdings absehen, wenn sich eine (noch) unzulässige, der Sache nach aber begründete Verfassungsbeschwerde erledigt[51] oder bereits in einem Parallelverfahren eine verfassungsgerichtliche Überprüfung mit gleicher inhaltlicher Zielrichtung angelaufen war, soweit der Prozessbevollmächtigte auch dort mandatiert ist.[52] Von der in § 34a Abs. 3 BVerfGG gewährten Befugnis macht das Gericht allerdings nur äußerst restriktiv Gebrauch.[53] In aller Regel wird es letztlich bei einer Festsetzung auf den Mindestwert oder einer nur geringfügigen Erhöhung bleiben.
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Gemäß § 3 Abs. 3 lit. a ARB sind Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht rechtsschutzversicherbar.
3. Prozesskostenhilfe
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Häufig wird beim BVerfG Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Das betrifft angesichts der nicht selten mittellosen inhaftierten Beschwerdeführer insbesondere strafrechtliche Verfahrensgegenstände. Auch über diese Fragen sollte sich der Rechtsanwalt also kurz orientieren. Nach der ständigen Praxis des Gerichts[54] ist im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde die Bewilligung von PKH an den Beschwerdeführer grundsätzlich gem. §§ 114 ff. ZPO (analog) zulässig, allerdings nur dann, wenn dies unbedingt erforderlich erscheint. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung muss hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen. Der Beschwerdeführer darf ersichtlich nicht selbst in der Lage sein, seine Rechte angemessen wahrzunehmen. Besonders streng werden die Voraussetzungen gehandhabt, wenn der Beschwerdeführer die Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. § 121 ZPO, §§ 45 ff. RVG) für das gesamte Verfahren begehrt, da eine anwaltliche Vertretung im Verfassungsbeschwerdeverfahren gem. § 22 Abs. 1 S. 1 BVerfGG nur in der mündlichen Hauptverhandlung zwingend vorgeschrieben ist.[55] Nur in absoluten Ausnahmefällen wird PKH tatsächlich gewährt.[56]
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Dies ist im Sinne einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“ auch insofern bedenklich, als es dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer umso schwerer fallen wird, auch nur die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde zu erfüllen[57] – womit gleichzeitig die Erfolgsaussichten im Ganzen regelmäßig verneint werden müssen. Das Gericht verfehlt hier unter offensichtlich fiskalischen Vorzeichen teilweise die von ihm selbst bei den Fachgerichten angemahnte Rechtsprechung,[58] wonach an die Antragstellung einer unbemittelten Partei im Prozesskostenhilfeverfahren und an die Verfassungsbeschwerde eines nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürften.
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Wird dem PKH-Gesuch und dem Beiordnungsantrag ausnahmsweise (im Beschlusswege) doch einmal stattgegeben, werden von der Erstattung in der Regel die Kosten für ein verfassungsrechtliches Gutachten eines früheren Bundesverfassungsrichters oder Universitätsprofessors nicht umfasst, es sei denn, die Beschwerde betrifft die Klärung einer außergewöhnlich schwierigen Frage.[59] Das Gericht erwartet von dem Rechtsanwalt, der das Mandat annimmt, dass er sich mit der verfassungsrechtlichen Materie selbst ausreichend vertraut macht und auseinandersetzt, die Rechtsprechung des Gerichts zu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Verfassungsbeschwerde eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen seiner Prüfung verhält.[60]
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Dieser Auffassung der Karlsruher Judikatur lässt sich aus praktischer Sicht entgegenhalten, dass es dem Anwalt innerhalb der vorgegebenen Zeit von einem Monat kaum einmal möglich sein wird, sich ein wirklich umfassendes Bild der verfassungsrechtlichen Lage zu machen. Im Gegensatz zu den sachkundigen staatlichen Äußerungsberechtigten (§ 27a BVerfGG), die sich ihre Arbeitsanteile zudem regelmäßig in mehrköpfigen Arbeitsgruppen aufteilen können, wird den im materiellen Verfassungsrecht regelmäßig unerfahrenen Rechtsanwalt auch die intensive Lektüre der einschlägigen Kommentare, Aufsätze und Entscheidungen nur schwerlich in die Lage versetzen, ein ähnlich fundiertes Vorbringen formulieren zu können.[61]
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Der Antrag auf Prozesskostenhilfe erledigt sich denknotwendig mit der bei erfolgreicher Verfassungsbeschwerde ergehenden Anordnung der Kostenerstattung nach § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.[62]
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Es ergibt sich aus alledem, dass ein Verfassungsbeschwerdeverfahren jedenfalls vom wirtschaftlichen Standpunkt aus keine lohnende Investition für den Rechtsanwalt und Strafverteidiger ist. Ob sein Einsatz durch die ungewisse Aussicht auf eine gewonnene Beschwerde – mit der seit BVerfGE 27 üblichen Nennung der Kanzlei in der amtlichen Sammlung oder als Einsender in einer der strafrechtlichen Fachzeitschriften – zumindest immateriell ausreichend entlohnt wird, muss jeder Berufsträger für sich entscheiden. Es wird deshalb in der Regel zur Gebührenvereinbarung zu raten sein.[63]
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Hinweis
Es empfiehlt sich im Rahmen einer Honorarvereinbarung in den Grenzen des § 3a Abs. 2 RVG die Vereinbarung einer Pauschalvergütung.[64] Bereits vor der abschließenden Entscheidung, ob Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll, kann zudem eine gesonderte Honorarvereinbarung allein hinsichtlich der vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten getroffen werden.[65] Die endgültige Entscheidung zur Übernahme des Verfassungsbeschwerdemandats kann dabei ausdrücklich unter den Vorbehalt eines positiven Ergebnisses dieser Prüfung gestellt werden.
Teil 1 Die Aufgaben des Strafverteidigers im Verfassungsbeschwerdeverfahren › A. Überlegungen vor Mandatsannahme › V. Zeitfaktor
V. Zeitfaktor
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Insbesondere dann, wenn der nunmehr mit der (Prüfung der Erfolgsaussichten der) Verfassungsbeschwerde beauftragte Anwalt im fachgerichtlichen Verfahren noch nicht mandatiert war, ist ein Monat eine bedrückend knappe Frist. Dem Zeitfaktor muss daher schon im Vorfeld besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
1. Begründung innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG
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Gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG ist die Verfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen innerhalb eines Monats zu begründen. Diese