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Auch sieht die im Rahmen des „Stärkungsgesetzes“ erfolgte Neufassung des § 280 FamFG vor, dass die Stellungnahme der Betreuungsbehörde dem Sachverständigen vorgelegt wird, damit er deren Inhalt mit zur Grundlage seines Gutachtens nehmen kann. Im Regelfall wird anzunehmen sein, dass die Bitte um Sachverhaltsaufklärung an die Behörde und die Beauftragung eines Sachverständigen gleichzeitig erfolgt. Der Gesetzgeber geht also offenbar von der Vorstellung aus, dass die behördliche Stellungnahme zeitlich vor der Vorlage des Gutachtens erfolgt, sonst hätte ihre Weitergabe an den Gutachter wenig Sinn.
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Muster Sozialbericht
Abteilung Betreuungsbehörde
– Geschäftszeichen (. . .) –
Sozialbericht
bei der Betreuungseinleitung
1. Anregende Stelle: Betreuungsbehörde, K., Sozialarbeiter
2. Personalien der zu betreuenden Person:
Familienname: St.
Vorname: Egon
Geburtsdatum: (. . .)
Anschrift: (. . .)
Telefon: (. . .)
Ehefrau: Bärbel St., geb. (. . .)
3. Soziale Situation des Betroffenen:
Die Eheleute St. wurden uns im März 2012 von Nachbarn als hilfsbedürftige Personen gemeldet.
Von einer auf dem gleichen Aufgang wohnenden Nachbarin (Frau H., Tel. (. . .)) erhalten die Eheleute wohl schon seit Jahren sehr liebevoll wirkende, dabei auch fachkundige Hilfen.
Durch den durch uns eingeschalteten Hausarzt (Dr. med. Andreas H., Adresse etc.) wurde die Sozialstation B. als Hauspflegedienst eingesetzt.
Die Eheleute sind finanziell gut abgesichert, da sie aus ihrer früheren Tätigkeit bei der Post eine gute Rente (s. Anlagen) beziehen. Laut Kontostand vom 13.4.2015 verfügen die Eheleute allein auf ihrem Girokonto über ein Vermögen von 110.397,80 €. Daneben sollen noch Sparbücher existieren, auf denen eine größere Summe hinterlegt ist.
4. Zur praktischen Lebensbewältigung
Die Eheleute sind nicht mehr in der Lage, ihre Behördenangelegenheiten und ihre Vermögensangelegenheiten zu regeln. Eingehende Post wird von den Eheleuten in der Regel weggeworfen, da offenbar auch die Fähigkeit fehlt, den Sinngehalt der Schriftstücke zu verstehen. Herr St. kann sich wahrscheinlich infolge einer Altersabbauerscheinung verbal nur noch unter Mithilfe seiner Ehefrau artikulieren, auch unter Mithilfe der Ehefrau ist man im Gespräch auf Mutmaßungen angewiesen. Die Ehefrau hat eine nur sehr lückenhafte zeitliche Orientierung und ist sehr vergesslich.
5. Die Betroffenen verfügen über folgende Hilfen durch:
Nachbarin: Frau H., gleiche Anschrift
Sozialstation B, Anschrift.
Hausarzt: Dr. med. Andreas H., Anschrift.
Es wurde bis dato keine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung erteilt.
6. Zum möglichen Aufgabenkreis einer Betreuung:
Durch eine Betreuung sollten die Behörden- und die Vermögensangelegenheiten geregelt werden, und zwar in einer Art und Weise, die es den Eheleuten weiterhin möglich macht, einkaufen zu gehen und – wie sie es gern tun – in den umliegenden Restaurants essen zu gehen. Als regelungsbedürftig ist wahrscheinlich auch der Bereich der Abrechnung mit der Postbeamtenkasse und die Abgabe der Steuererklärungen anzusehen.
Für den Bereich „Entgegennahme von Postangelegenheiten“ müsste ebenfalls eine Regelung gefunden werden. Bislang werden wichtige Schreiben an die Nachbarin, Frau H., adressiert.
7. Zu einer möglichen Betreuerbestellung:
Die Eheleute St. sind auf Nachfrage mit einer Betreuerbestellung einverstanden. Es ist jedoch fraglich, inwieweit beide den Sinngehalt der Frage verstanden haben; außerdem wirken beide suggestibel.
Aus der Sicht unserer Beratungsstelle käme die Nachbarin Frau H. in Frage. Diese befürchtet jedoch aus nachvollziehbaren Gründen, dass sich möglicherweise das bislang gute nachbarschaftliche Miteinander durch eine Betreuerbestellung verschlechtern könnte. Auch ist Frau H. berufstätig und arbeitet bei der Post, wo die Eheleute ihre Bankkonten haben.
8. Hinweise für das gerichtliche Verfahren:
Eine Terminvereinbarung sollte auch mit der Nachbarin, Frau H., telefonisch abgesprochen werden, damit diese die Eheleute an den Termin erinnern kann.
Die Eheleute sind wahrscheinlich nicht der Lage, das Amtsgericht zu finden, weshalb der Anhörungstermin in der Wohnung der Betroffenen stattfinden müsste.
(Sozialarbeiter)
Anmerkungen
BT-Drs. 11/4528, 174.
HK-BUR/Bauer § 279 FamFG.
Jurgeleit/Kania/Langholf/Schmidt BtR, § 8 BtBG Rn. 4.
LG Hamburg FamRZ 1997, 118 f.
HK-BUR/Bauer/Deinert § 1896 BGB, Rn. 18; Rink Kritische Anmerkungen zum Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen, R&P 1991, 148 f.
So zutreffend Deinert/Walter S. 116.
BL-AG, Abschlussbericht zum 2. BtÄndG, S. 173.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › VII. Das Sachverständigengutachten
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › VII. Das Sachverständigengutachten › 1. Einleitung
1. Einleitung
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Nach § 280 FamFG ist das Betreuungsgericht verpflichtet, im Rahmen seiner Ermittlungen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Sachverständigengutachten ist das Kernstück des Betreuungsverfahrens. Unter Umständen kann es erforderlich sein, mehrere Gutachten zu beauftragen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Gutachten zur „Notwendigkeit der Betreuung“ einzuholen. Nach der auf Vorschlag des Bundestagsrechtsausschusses im Rahmen des FGG-Reformgesetzes zum 1.9.2009 ergänzten Vorschrift, § 280 Abs. 3 FamFG, hat sich das Gutachten auf folgende Bereiche zu strecken:
– | Diagnose des Krankheitsbildes und seiner Entwicklung (Anamnese), |
– |
durchgeführte Untersuchungen
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