Festzuhalten ist danach, dass das Mitarbeitervertretungsgesetz den Dienstgemeinschaftsgedanken ausgestaltet. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Dienstgemeinschaft ist die Entscheidung des kirchlichen Gesetzgebers, so wie sie ihren Niederschlag in der konkreten Ausformung des Mitarbeitervertretungsgesetzes gefunden hat. Die materiell-rechtlichen Verbürgungen zugunsten der Mitarbeitervertretung und die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Beteiligung der Mitarbeiter sind konkrete Anhaltspunkte dafür, wie sich der kirchliche Gesetzgeber die Dienstgemeinschaft zwischen Mitarbeitern und Dienststellenleitung vorstellt.
Infolgedessen dient auch die weitere Untersuchung zur Dienstvereinbarung zugleich der Konkretisierung des Dienstgemeinschaftsgedankens. Demgegenüber ist unmittelbaren Rückschlüssen aus dem Gedanken der Dienstgemeinschaft insoweit mit Vorsicht zu begegnen, als der Rechtsanwender Gefahr läuft, subjektive Vorstellungen zum Dienstgemeinschaftsgedanken über diejenige Bestimmung der Dienstgemeinschaft zu stellen, die der kirchliche Gesetzgeber durch die Vorschriften des Mitarbeitervertretungsgesetzes tatsächlich vorgenommen hat. Der Gedanke der Dienstgemeinschaft darf nicht als Medium für eine vom Rechtsanwender gewünschte Auslegung herangezogen werden, die sich im Übrigen jedoch aus dem Mitarbeitervertretungsgesetz nicht ergibt. Insoweit lässt sich festhalten, dass die durch die Präambel des Mitarbeitervertretungsgesetzes formulierten Leitideen des kirchlichen Dienstes durch die kirchengesetzliche Ausgestaltung des Mitarbeitervertretungsrechts konkretisiert werden; sie sind indessen nicht heranzuziehen, um eigenen Vorstellungen des Rechtsanwenders in beliebiger Weise Einfluss auf die Interpretation des Mitarbeitervertretungsrechts zu verschaffen.
206So auch Fey/Rehren, MVG-EKD, Präambel Rn. 1; Baumann-Czichon/Gathman/Germer/Lührs, MVG-EKD, Präambel Rn. 2; AKS/Richter, MVG.EKD, Präambel Rn. 1.
207Siehe insoweit den Vorspruch der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland: „Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Indem sie diese Grundlage anerkennt, bekennt sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu dem Einen Herrn der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche. Gemeinsam mit der alten Kirche steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Für das Verständnis der Heiligen Schrift wie auch der altkirchlichen Bekenntnisse sind in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation maßgebend.“.
208Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rn. 20.
209Vgl. U. Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 77; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rn. 10.
210Fey/Rehren, MVG-EKD, Präambel Rn. 7; AKS/Richter, MVG.EKD, Präambel Rn. 8.
211Hilje, Streikrecht, S. 77; Willemsen/Mehrens, NZA 2011, 1205, 1207.
212U. Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 176; Fey/Joussen/Steuernagel, Arbeits- und Tarifrecht, Dienstgemeinschaft Rn. 2.
213BVerfG vom 25.03.1980 – 2 BvR 208/76, NJW 1980, 1895, 1897 [I. 3.]; vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83 u.a., BVerfGE 70, 138, 165 [B. II. 1. d)]; BAG vom 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448, 460 f. [Rn. 97 ff.]; vom 20.11.2012 – 1 AZR 611/11, NZA 2013, 437, 441 f. [Rn. 37 ff.]; vom 25.04.2013 – 2 AZR 579/12, NZA 2013, 1131 [Rn. 27].
214So der Vorwurf bei Baumann-Czichon/Gathman/Germer/Lührs, MVG-EKD, Präambel Rn. 4 ff. Dieser Vorwurf ist allerdings von demjenigen zu unterscheiden, der eine terminologische Parallele zum Begriff der nationalsozialistischen Betriebsgemeinschaft behauptet. Ein Schluss von der begrifflichen Ähnlichkeit auf eine inhaltliche Parallele stünde jedoch in einem eklatanten Widerspruch zum Selbstverständnis der Kirche. Hierzu jeweils m.w.N. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rn. 19 und Joussen, RdA 2007, 328, 332.
215Die theologische Einschätzung des Begriffs ist wohl in der Tat bis heute uneinheitlich; die maßgeblichen Beiträge stammen zudem überwiegend von Juristen, vgl. dazu Baumann-Czichon/Gathman/Germer/Lührs, MVG-EKD, Präambel Rn. 4 ff.; benannt werden als Begründungsansätze beispielsweise der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche oder das „Priestertum aller Gläubigen“, vgl. jeweils m.w.N. Pahlke, Kirche und Koalitionsrecht, S. 40 ff.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rn. 11, kritisch zum Ganzen Ch. von Tiling, Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, S. 203 m.w.N.
216Zu dieser Frage m.w.N. Ch. von Tiling, Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, S. 205 ff.
217In diese Richtung weisend Jacobs, ZMV 2017, 23, 25 f.; ähnlich auch Jurina, ZevKR 29 (1984), 171, 174.
218So lautet der nicht unberechtigte Vorwurf von Lührs gegenüber den herkömmlichen Begründungsansätzen, vgl. Baumann-Czichon/Gathman/Germer, MVG-EKD, Präambel Rn. 4 ff. m.w.N.
219Jurina, ZevKR 29 (1984), 171, 178; ferner auch Jacobs, ZMV 2017, 23, 25.
220Ch. von Tiling, Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, S. 209.
221So Baumann-Czichon/Gathman/Germer/Lührs, MVG-EKD, Präambel Rn. 13.
222Zu den im Übrigen erfassten Personengruppen vgl. § 2 Abs. 2 und 3 MVG-EKD, dazu siehe auch Triebel, ZMV 2014, 62 ff.
223Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 19 Rn. 13.
224Fey/Rehren, MVG-EKD, § 7 Rn. 2.
225Siehe zum Zusammenhang zwischen der Dienstgemeinschaft und der innerbetrieblichen Mitwirkung der Mitarbeiter auch Jurina, ZevKR 29 (1984), 171, 182 ff.
§ 3 Die kirchliche Dienstvereinbarung im Überblick
Mehrfach betont wurde bereits, dass die Dienstvereinbarung ein eigenständiges mitarbeitervertretungsrechtliches Regelungsinstrument ist. Bevor in den folgenden Kapiteln den beiden Hauptfragen dieser Untersuchung nachgegangen wird, sollen nun zunächst noch überblicksartig einige allgemeine Verständnisgrundlagen geschaffen werden.
Als zentrale mitarbeitervertretungsrechtliche Vorschrift zur Dienstvereinbarung ist § 36 MVG-EKD zu benennen. Das kirchenrechtliche Rechtsinstitut lässt sich indessen weder vollständig noch abschließend anhand dieser Vorschrift beurteilen. Vielmehr ist stets das gesamte Mitarbeitervertretungsgesetz bei der Würdigung des Rechtsinstituts im Blick zu behalten.