199Siehe auch BAG vom 11.03.1986 – 1 ABR 26/84, NZA 1986, 685, 686 [B. 4. b)]; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 17 Rn. 11, 13; AKS/Richter, MVG.EKD, Einl. Rn. 41; Schielke, Mitarbeitervertretungsgesetz, S. 81; Thiel/Fuhrmann/Jüngst, MAVO, Präambel Rn. 63.
200Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 17 Rn. 8, 11; AKS/Richter, MVG.EKD, Einl. Rn. 40 f.
201BeckOK GG/Germann, Art. 4 Rn. 39, 78; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 4 GG Rn. 50; Dreier/Morlok, Art. 4 GG Rn. 117; Mückl, in: Bonner Kommentar, Art. 4 GG Rn. 118.
202Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass es privatrechtlich organisierten Einrichtungen selbstverständlich möglich ist, sich von der Kirche loszusagen. Die Entscheidung einer Einrichtung, ob sie der Kirche angehört oder nicht, bleibt demnach grundrechtlich geschützt.
203Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 9 Rn. 9 ff.; Pahlke, Kirche und Koalitionsrecht, S. 147 ff.
204Ähnlich auch BAG vom 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448, 462 f. [Rn. 113, 114]; Pahlke, Kirche und Koalitionsrecht, S. 150, 154 ff.; ErfK/I. Schmidt, Art. 4 GG Rn. 50, 54, wenn auch ausgehend von der durch das Bundesverfassungsgericht favorisierten Güterabwägung nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz unter besonderer Gewichtung des Selbstbestimmungsrechts.
205Siehe hierzu die Untersuchung von Schielke, Mitarbeitervertretungsgesetz, Zweiter Teil, S. 102 ff.
§ 2 Leitideen des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts
Wurden die verfassungsrechtlichen Einflüsse auf das Mitarbeitervertretungsrecht sowie auf das kirchenrechtliche Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung durch die Ausführungen zum Staatskirchenrecht ausreichend behandelt, so ist nun noch eine Konkretisierung des allgemeinen kirchlichen Selbstverständnisses auf dem Gebiet des Mitarbeitervertretungsrechts vorzunehmen. Zur Erfassung der Dienstvereinbarung als Regelungsinstrument, das der kirchliche Gesetzgeber der Dienststellenleitung und der Mitarbeitervertretung zur Verfügung stellt, bedarf es eines Blicks auf die allgemeinen innerkirchlichen Vorgaben, die prägend für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht sind.
Anders als dem Betriebsverfassungs- und dem Bundespersonalvertretungsgesetz ist dem Mitarbeitervertretungsgesetz durch den kirchlichen Gesetzgeber eine Präambel vorangestellt, die bereits einige Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts zum Ausdruck bringt. Sie lautet:
„Kirchlicher Dienst ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen. Alle Frauen und Männer, die beruflich in Kirche und Diakonie tätig sind, wirken als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Erfüllung dieses Auftrages mit. Die gemeinsame Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie verbindet Dienststellenleitungen und Mitarbeiter wie Mitarbeiterinnen zu einer Dienstgemeinschaft und verpflichtet sie zu vertrauensvoller Zusammenarbeit.“
Durch die Präambel wird zum einen die Ausrichtung des kirchlichen Dienstes auf den kirchlichen Auftrag verdeutlicht. Zum anderen wird als maßgebliches Prinzip der Ordnung des kirchlichen Dienstes der Gedanke einer Dienstgemeinschaft von Dienststellenleitung und Mitarbeitern betont. Beide Gesichtspunkte nehmen Einfluss auf die Auslegung des Mitarbeitervertretungsgesetzes.206
A. Kirchlicher Auftrag
Laut der Präambel ist der kirchliche Dienst dazu bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen. Umschrieben werden Grund und Ziel des kirchlichen Dienstes. Zugleich wird das Mitarbeitervertretungsrecht in einen größeren Kontext eingeordnet, da jedes Handeln und jede Tätigkeit im Bereich der Kirche gleichermaßen auf diesen Auftrag hin ausgerichtet ist.207
Durch die Festlegung dieses Orientierungspunktes für den kirchlichen Dienst wird zudem eine Abgrenzung zu anderen möglichen Betätigungsmotiven vorgenommen; der kirchliche Dienst dient nicht zuvorderst erwerbswirtschaftlichen Interessen, wenngleich solche auch nicht negiert werden.208 Ideell ist der kirchliche Auftrag jedoch solchen Zwecken vorgeschaltet; durch ihn ist bereits eine engere Verbundenheit unter den Beteiligten des kirchlichen Dienstes vorgegeben, als sie üblicherweise zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, deren Verhältnis primär durch wirtschaftliche Interessen geprägt ist. Die Erkenntnis, dass der kirchliche Auftrag dem Verhältnis zwischen kirchlichem Arbeitgeber und Mitarbeitern vorgelagert ist, verdeutlicht zudem, dass der kirchliche Auftrag der Gestaltung durch die Dienstvereinbarungsparteien entzogen ist.
B. Dienstgemeinschaft und vertrauensvolle Zusammenarbeit
Die durch die Präambel zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung von Dienststellenleitung und Mitarbeitern zur Verwirklichung des kirchlichen Auftrags ist mit unmittelbaren Konsequenzen für die interne Gestaltung des kirchlichen Dienstes verbunden. Als besondere Leitprinzipien gibt die Präambel daher weitergehend vor, dass die Dienststellenleitung und die Mitarbeiter zu einer Dienstgemeinschaft verbunden und zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet sind. Die Dienstgemeinschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit werden deshalb als allgemeine Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes begriffen, die im gesamten kirchlichen Arbeitsrecht Geltung beanspruchen.209 Die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit stellt dabei bereits eine wichtige und deshalb herausgehobene Konkretisierung des allgemeineren Dienstgemeinschaftsgedankens dar.210 Das Prinzip der Dienstgemeinschaft negiert allerdings ebenso wenig wie die Ausrichtung des kirchlichen Dienstes auf die Verkündigung des Evangeliums, dass es zwischen den Mitarbeitern und dem Dienstgeber zu Konflikten kommen kann;211 die Dienstgemeinschaft stellt jedoch Anforderungen auf, wie Konflikte von den Dienstvereinbarungsparteien zu lösen sind.212 Ebenso wie der kirchliche Auftrag ist das Prinzip der Dienstgemeinschaft den Dienstvereinbarungsparteien durch das Mitarbeitervertretungsgesetz vorgegeben und nicht einer eigenen Interpretation der Dienststellenleitung oder der Mitarbeitervertretung zugänglich. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesarbeitsgericht die Organisation des kirchlichen Dienstes nach Maßgabe des Dienstgemeinschaftsgedankens als eine verfassungsgemäße Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche anerkannt haben.213
Soll nunmehr der Gedanke einer Dienstgemeinschaft von Dienststellenleitung und Mitarbeitern hingegen nicht im Vagen verbleiben und der beliebigen Interpretation preisgegeben werden,214 so bedarf es einer näheren inhaltlichen Konkretisierung dieses Begriffs. Indessen ist es nicht erforderlich, eine umfassende juristische und theologische Systematisierung des Begriffs der Dienstgemeinschaft für das gesamte kirchliche Arbeitsrecht vorzunehmen, um ihn für die weitere Untersuchung handhabbar zu machen; vielmehr genügt es, die Dienstgemeinschaft mit Blick auf das Mitarbeitervertretungsrecht näher zu bestimmen. Wird der Begriff im Hinblick auf seine Verwendung in der Präambel des Mitarbeitervertretungsgesetzes bestimmt, so ist es weiterhin nicht erforderlich, den theologischen Hintergründen des Dienstgemeinschaftsbegriffs nachzugehen,215 und es ist auch nicht danach zu fragen, inwieweit Mitarbeiter und Dienststellenleitung nach ihrer subjektiven Vorstellung eine Dienstgemeinschaft bilden.216 Diese Gesichtspunkte mögen für die Glaubwürdigkeit der Kirche von Bedeutung sein, wenn sie die Dienstgemeinschaft zum Leitprinzip des kirchlichen