Der Sklavenwiderstand. Jochen Nöller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Nöller
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525779
Скачать книгу

      Um einen Grund für seinen Besuch vorzutäuschen, hatte er sich mit einem Tablett bewaffnet, auf dem er eine frisch gebrühte Tasse Kaffee, ein Kännchen Milch und eine kleine Zuckerdose gestellt hatte. Er wusste ja nicht, wie der Meister dieses Gebräu bevorzugte, dafür kannten sie sich noch nicht lange genug. Noch während er langsam in den Raum hineinschritt, wurde er auch schon angesprochen: »O Kleiner. Ist der Kaffee für mich?«

      Kiyoshi konnte in diesem Moment nicht anders und erwiderte: »Ja, aber solch einen Service habt Ihr Euch nicht verdient.«

      »Na, wenn das so ist, was muss ich denn tun, um ihn mir zu verdienen? Was verlangt mein weißer Tiger als Gegenleistung?« Der Meister saß auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Seine rotblonden, schulterlangen Haare fielen ihm zum Teil ins Gesicht. Lächelnd sah er zu ihm, wobei es in den kristallblauen Augen amüsiert blitzte.

      Gespielt nachdenklich stellte Kiyoshi das Tablett auf dem Schreibtisch ab und legte sich die rechte Pfote ins Gesicht. »Hm, mal überlegen.« Noch bevor er wirklich nachgedacht hatte, stand der Meister auf, umrundete geschwind den Tisch und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Dann nahm er ihn in den Arm. »Sei mir bitte nicht böse. Ich möchte wirklich nicht, dass meine Geheimnisse zwischen uns stehen, aber ich kann dir leider nicht alles sagen. Noch nicht. Die Zeit wird kommen, da -«

      Nicht schon wieder dieselbe Ausrede. Bei diesen Worten loderte eine Flamme der Wut in Kiyoshi auf und er befreite sich abrupt aus der Umarmung. Sofort verstummte der Meister. Kiyoshi brachte Abstand zwischen sie, verschränkte die Arme vor der Brust und raunte: »Spart Euch diese Ausrede. Ich bin nicht Euer Haustier. Ihr wollt mit mir zusammen sein und sagtet, dass Ihr mich liebt. Aber mir ein wenig entgegenzukommen, ist wohl zu viel verlangt. Ihr wollt, dass ich Euch vertraue, aber Ihr vertraut mir nicht an, was hinter der Schwarzen Tür ist.«

      Geduldig und aufmerksam hörte der Meister zu. Ein missmutiger Ausdruck lag auf seinen Zügen, als er mit distanzierter Stimme erwiderte: »Ich habe Nico nicht in diesen Raum gesteckt, weil ich ihm mehr vertraue als dir, sondern um sein Leben zu retten. Die Tür ist mit einem Siegel versehen, sodass nicht einmal ein Magier diesen Bereich einsehen kann. Du hast doch mitbekommen, dass Logan Zayn aufgespürt hat, Nico aber nicht.«

      Sich langsam in Rage redend, begann der Meister, im Raum auf und ab zu gehen: »Ich nehme nicht an, dass du weißt, dass Magier in deine Gedanken eindringen und dort herumstöbern können? Deshalb wissen sie auch, wenn jemand lügt. Ich habe gelernt, mein Wissen zu verbergen und sie nur das sehen zu lassen, was ich will, das sie sehen. Du kannst das nicht.«

      Nach dieser Feststellung blieb er stehen und die blauen Augen bohrten sich erbost in Kiyoshis rote. »Es gibt einen guten Grund, warum ich manches für mich behalte. Je mehr davon wissen, desto größer ist die Gefahr, dass ein Magier auf dieses Geheimnis stößt. Diesen Bereich habe ich extra als Schutzabschnitt erstellen lassen, falls es Probleme mit Magiern geben sollte. Ich spiele nicht mit der Sicherheit der Wesen unter meinem Schutz. Dir diese Information zu geben, hat Nicos und somit unser aller Leben in Gefahr gebracht. Bist du nun glücklich

      Kiyoshi stand einfach nur da und sah bestürzt drein. Er hatte so unbedingt dieses Geheimnis lüften wollen, dass er keinen einzigen Gedanken an die möglichen Konsequenzen dieses Wissens verschwendet hatte. Der Meister schüttelte den Kopf, schloss die Augen und griff sich an die Nasenwurzel. Schwer seufzte er und versuchte sich zu beruhigen. »Ich habe Zayn mit Absicht in sein Zimmer geschickt und mich ein wenig dumm angestellt, als Logan fragte. Ich wollte ihn verärgern und seine Aufmerksamkeit auf mich lenken, damit er nicht auf die Idee kam, in eure Gedanken einzudringen. Das war Teil meines Plans, um uns alle zu schützen.«

      Die Worte des Menschen hallten in Kiyoshis Kopf wider. Nur aus purer, dummer Eifersucht hatte er seinen Herrn dazu gebracht, diese Informationen preiszugeben. Ebenso war er bestürzt über sein eigenes Misstrauen. Sein Meister dachte nur daran, alle zu schützen und er stellte sich hier hin und quengelte wie ein kleines Kätzchen. Hinter so manchen Verhaltensmustern des Meisters stand also ein tieferer Sinn. Er hatte selbst schon mitbekommen, dass dieser sein zeitlos jugendliches Aussehen als Waffe einsetzte und seine Gegenspieler ihn somit total unterschätzten.

      Der Meister wandte sich ab und drehte ihm den Rücken zu. Wie geschlagen ging Kiyoshi auf die Knie und drückte seinen Kopf demütig auf den Boden, während er mit belegter Stimme krächzte: »Verzeiht mir, Meister. Ich bin dumm.« Leise begann er zu schniefen und redete sich von der Seele: »Ich kann verstehen, wenn Ihr mich nun nicht mehr wollt, es tut mir leid! Bitte vergebt mir.«

      Dicke Tränen liefen an seinen Wagen herab. Der Mensch würde sich sicher von ihm abwenden. Was wollte dieser auch mit so einem dummen Tiger, welcher ihm immer nur misstraute und keine Ruhe gab? Wer wollte ihn schon haben, einen Sklaven! Seine Gedanken rasten und er steigerte sich immer weiter hinein.

      Sanft streichelte eine Hand über Kiyoshis Rücken. »Sch, beruhige dich. Ich bin dir nicht böse. Versteh doch, ich will euch nur schützen. Mir ist mein Temperament durchgegangen. Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht so anschnauzen.«

      »Ihr habt nichts falsch gemacht. Ich bin es, der immer wieder Fehler macht. Ich bin Eurer Zuneigung nicht würdig«, schluchzte Kiyoshi und weinte noch heftiger.

      »Wem ich meine Zuneigung schenke, entscheide nur ich. Sch, beruhige dich. Keine Sorge, so leicht wirst du mich nicht los. Da muss schon wesentlich mehr geschehen«, beteuerte der Meister und strich weiter besänftigend über sein weiches weißes Fell.

      Von einem Extrem schwenkten Kiyoshis Gedanken blitzschnell ins andere und er stürzte sich überglücklich, nicht verstoßen zu werden, Hals über Kopf auf den Meister und warf ihn dabei um. Erschrocken über sein eigenes Verhalten, sah er aus tränenverschmierten Augen vorsichtig auf und spannte die Muskeln an.

      Im Gesicht des Meisters lag kein Anzeichen für Verärgerung. Ein warmer Blick lag in den blauen Augen und seine Lippen zierte ein amüsiertes Lächeln. Er schlang die Arme um ihn und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. »Keine Sorge, mein Kleiner, ich kann dich sehr gut verstehen, es ist nur natürlich, Geheimnisse aufdecken zu wollen. Und da alle mitbekommen haben, dass Logan Nico nicht aufspüren konnte, habe ich dir auch nicht wirklich etwas Neues verraten. Aber du bist der Einzige, der von den Siegeln weiß und so soll es auch bleiben.«

      Noch eine Weile lagen sie so da und Kiyoshi genoss einfach nur die Nähe und Geborgenheit, die sein Freund ihm spendete. Unvermittelt - er hatte sich mittlerweile von seinem Gefühlschaos etwas erholt - äußerte dieser: »Da du dich wieder beruhigt hast, möchte ich dir gerne etwas zeigen. Dazu musst du aber zuerst aufstehen.«

      Gespannt löste sich Kiyoshi von ihm und stand umsichtig auf. Dann hielt er seinem Meister eine Pfote hin und zog auch diesen auf die Füße. Dieser nutzte die Gelegenheit und drückte ihm schnell einen unschuldigen Kuss auf die Lippen. Einen Moment lang nahm er ihn erneut in die Arme und versicherte: »Kiyoshi, ich liebe dich und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dich zu beschützen.«

      Anschließend umschloss er eine der Pfoten mit seiner Hand und zog ihn hinter sich her. Der Meister wollte ihn nur beschützen, deshalb verbarg er so manche Dinge vor ihm. Das würde er im Kopf behalten, nahm er sich fest vor.

      Sie gingen direkt auf die Schwarze Tür zu, bei deren Anblick in Kiyoshi erneut Schuldgefühle hochkamen. Der Meister hielt allerdings nicht an und öffnete sie einfach. »Ich vertraue dir, Kleiner. Das beweise ich dir auch. Ich werde dir gleich etwas zeigen, was noch keiner der anderen gesehen hat«, und mit diesen Worten ging er voraus in den geheimen Raum hinein. Kiyoshi kam langsam hinterher und sah sich um.

      »Das ist ja nur ein Korridor mit einer Treppe in den Keller«, stieß er sichtlich enttäuscht hervor.

      »Ja, da hast du recht. Ist wohl doch nicht so aufregend, das hier zu sehen? Aber das ist es nicht, was ich dir zeigen wollte. Dafür müssen wir weitergehen. Nico war die ganze Zeit hier oben, mehr als das, was du jetzt auch siehst, konnte er nicht sehen.

      Bevor wir weitergehen, möchte ich, dass du mir etwas versprichst. Dort unten gibt es einige Räume, ich zeige dir ein paar davon. Frag mich bitte nicht, was in den anderen ist und versuche auch nicht, in diese einzudringen.