Der Sklavenwiderstand. Jochen Nöller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Nöller
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525779
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der goldene Stab des Magiers flog aus dessen Ärmel hervor und schoss auf sie zu. Geschickt fing sie den Runenspeicher mit einer Hand und richtete dessen Spitze auf ihren Bruder.

      Nicos Wissen war zwar lückenhaft, aber ein Magier, der seinen magischen Gegenstand verloren hatte, war so gut wie schutzlos. In diesen Gegenständen – jeder Magier fertigte sich seinen eigenen - wurden die Runen für ihre Zauber gespeichert. Ein gewaltiger Nachteil der Runenmagie war es nämlich, dass ein Zauber lange Vorbereitungen brauchte und im Kampfgetümmel dafür keine Zeit war. Deshalb bereiteten sich die Magier im Vorfeld auf solche Ereignisse vor und speicherten ihre Zauber in einem dafür geeigneten persönlichen Gegenstand. Somit konnten sie diese jederzeit abrufen und entfesseln. Allgemein nannten sie dieses Arbeit Runenschmieden.

      »Ich werde mich niemals an einem Völkermord beteiligen. Ich werde eure Machenschaften der Öffentlichkeit preis geben. Das Spiel ist aus«, fuhr sie ihren Bruder wütend an. Auf ihrer Kugel, sowie auf dem goldenen Stab, erschienen unzählige Runen, doch noch entfesselte sie deren Macht nicht. Logan stand da wie vom Donner gerührt und sah ungläubig zu ihr.

      Plötzlich lachte er völlig wahnsinnig. Bei diesem Geräusch lief es Nico eiskalt den Rücken hinunter. »Du willst mich aufhalten? Oh, arme kleine Schwester, dein Geist ist vernebelter, als ich dachte. Ich werde mich selbst um deinen Sklaven kümmern und dann werde ich dich wegsperren, bis du zur Vernunft kommst.«

      »Sei vernünftig, Logan. Ich habe deinen Stab, du kannst nichts gegen mich unternehmen«, versuchte sie, ihn zur Besinnung zu bringen.

      Mit einer fließenden Bewegung griff er in seine Robe und zog ein Messer hervor. Genau in diesem Moment entlud sich die Macht der Runen und eine weitere, viel stärkere Welle aus reiner Magie schoss auf ihn zu. Logan hob eine Hand und wischte den Zauber einfach beiseite.

      »Das … das ist unmöglich!«, stotterte Nathi.

      »Sieh die Macht von tausenden Seelen, welche durch meine Adern fließt. Ich brauche nun keinen Runenspeicher mehr, um meine Magie zu wirken«, erwiderte Logan. Das Messer in seiner Hand schoss hervor und traf Nico an seiner linken Wange und anschließend am Arm. Es fügte ihm einen tiefen Schnitt zu und flog wie ein Bumerang zurück zu seinem Herrn. Nico kroch panisch zurück und versuchte mehr Abstand zwischen sich und seinen Angreifer zu bringen.

      »Adieu, Sklave!« schrie Logan und schickte seine Waffe zum Todesstoß los.

      Nico hatte keine Chance. Er war einfach zu langsam und vor Angst gelähmt. Das würde sein Ende sein. Das Messer flog direkt auf sein Herz zu und er schloss die Augen. Gegen Logans Magie war er vollkommen machtlos. Doch der Schmerz kam nicht. Das Rascheln von Kleidung war zu hören und etwas Schweres fiel zu Boden. Nico riss die Augen auf und erblickte seine Herrin, die vor ihm lag. Aus ihrem Oberkörper ragte das Messer hervor.

      Sie hatte sich vor ihn geworfen. Seine Herrin hatte ihm, einem Wesen und Sklaven, das Leben gerettet.

      »Nein! Schwester!«, stieß Logan hervor, während seine Augen wahnsinnig umherrollten.

      »Schachmatt, Bruder«, drang es gequält aus Nathalies Mund und sie hob mit gewaltiger Anstrengung ihre Hand. Hinter Logan erschienen die Kristallkugel und der goldene Stab. Auf beiden tanzten die Runen und hüllten ihren Bruder in einen Wirbel von Farben.

      »Nein«, schrie dieser und kämpfte gegen den Teleportzauber an. Doch konnte er sich nicht gegen seine eigenen Runen zur Wehr setzen. Dies war eine der größten Gefahren für die Magier. Wenn sie ihren Runenspeicher verloren und dessen Macht gegen ihren Besitzer eingesetzt wurde, konnten sie sich nicht dagegen wehren.

      Als die Magie sich legte, war Logan verschwunden. Die magischen Gegenstände fielen matt zu Boden. Die Kristallkugel zerbarst und der Stab rollte scheppernd davon. Ebenso kraftlos fiel Nathalies Hand zu Boden und ein Rinnsal von Blut lief ihr aus dem Mundwinkel.

      »Herrin«, schrie Nico und stürzte zu ihr. Er streckte seine zitternden Pfoten aus, wusste aber nicht, was er tun sollte.

      Mit angestrengter Stimme stammelte Nathalie: »Nico, geh. Flieh! Du musst alles … dem Großmagnaten erzählen. Geh! Logan kann jeden Moment … wieder zurückkehren.«

      Tränen nahmen ihm die Sicht. Als er sprach, konnte er gut seine eigenen Verzweiflung in seiner Stimme hören: »Ich werde Euch nicht verlassen. Ich werde Hilfe holen.«

      »Nein, dafür ist keine Zeit mehr. Ich flehe dich an. Tu es nicht für die Menschen, tu es für die Wesen, welche unter den Magiern leiden werden. Geh!«, brachte Nathi unter gewaltiger Konzentration noch hervor. Dann schlossen sich ihre Augen und ihr Körper lag reglos da, kein Muskel rührte sich mehr.

      Mit tränenverhangener Sicht griff Nico nach dem Messer und zog es vorsichtig aus dem Körper vor ihm. Dann faltete er ihre Hände über der Brust und gab sich seiner Trauer hin. »Ich werde Euren letzten Wunsch erfüllen. Ich werde Euch nie vergessen, Nathalie. Ruhe in Frieden, meine Herrin.«

      »Was ist denn hier los? Wachen!«, erschütterte eine Stimme den stillen Raum. Aufgeschreckt sprang Nico auf die Füße und hob angriffsbereit das Messer in seiner Pfote. Der Händler sah die Klinge und rannte schreiend aus dem Zimmer. Nico hatte vollkommen vergessen, dass der Geschäftsmann ja wieder zurückkommen wollte.

      Was sollte er jetzt tun? Er konnte nicht bleiben. Keiner würde einem Sklaven glauben. Wenn sie ihn erwischten, dann würden sie ihn ohne Anklage hinrichten. Er musste seinen Auftrag erledigen. Er musste einfach!

      Schnell verband er seinen Arm notdürftig mit einem Fetzen seiner Kleidung und versteckte das Messer in seinem Gürtel. Dann zog er sich seine Kapuze tief ins Gesicht und ging so menschlich er konnte aus dem Raum. Er stürzte sich ins Getümmel der Leute und verschwand in der Menge. Am Rande des Menschenstroms konnte er die Wachen in Richtung des Raumes rennen sehen, in dem die Leiche seiner Herrin lag. Schnell und unentdeckt schlich er sich zu den Aufzügen und stieg eilig in einen der leeren Kästen ein.

      Er brauchte Geld, ohne Geld konnte er nichts erreichen. Aber wo war der Ausgang? In seiner Hast drückte er einfach den untersten Knopf. Als die Fahrstuhltüren sich wieder öffneten, befand er sich in einem riesigen, fensterlosen, leeren Raum.

      Dieses Stockwerk war vollkommen in Dunkelheit gehüllt. Nur ein, zwei Notausgangsschilder spendeten ihr spärliches grünliches Licht. Außer den Trägersäulen und den Wänden konnte er nichts erkennen. Diese Ebene erinnerte ihn an das Zimmer von Logan und er erstarrte. Nur am Rande bekam er mit, wie die Türen sich hinter ihm schlossen und es noch dunkler wurde.

      »Ich muss hier weg«, stammelte er nach einer Weile und hämmerte fast schon panisch auf den Rufknopf für den Aufzug. Ein schwacher Lichtstreifen schob sich von oben in den Schlitz zwischen den Türen und er konnte Stimmen aus dem Inneren der Fahrgastkabine hören. Voller Angst wich er mit einem Sprung in die Dunkelheit und versteckte sich hinter einer Säule. Er zog das Messer aus seinem Gürtel und machte sich kampfbereit. »Niemand wird mich aufhalten … niemand!«

       Zu diesem Zeitpunkt konnte Nico nicht ahnen, wie sehr das folgende Aufeinandertreffen sein Schicksal beeinflussen würde. Er würde viele neue Freunde finden. Auch einen Rivalen und zudem eine neue Familie, ein Rudel …

      Kiyoshi

       Im Gemach des Meisters

      Kiyoshi, stand unentschlossen vor der Bürotür und dachte nach. Er war immer noch wütend auf seinen Meister, aufgrund der neuen Geheimnisse, die zwischen ihnen standen. Am meisten machte ihm aber zu schaffen, dass Nico, dieser dämliche Köter, genau wusste, was hinter der Schwarzen Tür war, er hingegen vom Meister keine Auskunft erhalten hatte. Beim Besuch der Magier hatte der Meister den Köter einfach in den verbotenen Raum gesteckt.

      Mit einem schweren Seufzen klopfte er an und betrat den Raum. Er hatte geplant, seinen – ja, was war der Mensch eigentlich für ihn? Sein Meister, sein Freund, sein Geliebter? – zur Rede zu stellen. Wenn er an die vergangene Nacht dachte und an den Morgen, dann kam er nicht umhin sich einzugestehen, dass seine Gefühle dem Meister gegenüber eindeutig größer waren, als Unterwürfigkeit oder bloße Freundschaft.