Der Sklavenwiderstand. Jochen Nöller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Nöller
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525779
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hatte noch nicht einmal richtig angefangen sich aufzuwärmen, da blieb ihm vor Erstaunen das Maul offenstehen und er starrte zum Hintereingang des Hauses. Durch sein merkwürdiges Gebaren richtete sich die Aufmerksamkeit der anderen ebenfalls dorthin.

      Vom Haus her kamen der Meister und Kiyoshi – Hand in Pfote. Sein Interesse galt jedoch dem Umstand, dass der Mensch die magische Robe abgelegt hatte und nun schutzlos war. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, den Meister zu überwältigen. Aber seine Herrin hatte verboten, den Menschen anzugreifen. Zumal der Meister die Wesen gut behandelte, jedenfalls nach dem, was die anderen erzählt hatten. So ganz konnte er immer noch nicht glauben, dass er jetzt ein Sklave sein sollte.

      Die anderen Wesen in der Runde sahen ebenfalls gebannt zu den beiden, wobei ihnen wohl ganz andere Dinge durch ihre Köpfe gingen. Nico fing sich als Erster und pfiff ihnen frech zu. Dann machte er mit seinem Maul Kussbewegungen und verstärkte das Bild mit seinen Armen, welche er um eine imaginäre Person vor sich schlang. Zayn erkannte seine Absicht, er wollte Kiyoshi verspotten und ins Lächerliche ziehen.

      Dieser Schuss ging jedoch nach hinten los. Kaum dass sich Kiyoshis Verärgerung auf dessen Gesicht zeigte, drehte der Meister dessen Kopf zu sich und gab ihm vor aller Augen einen langen Kuss. Genießerisch hob der weiße Tiger eines seiner Beine und streckte sich dem Menschen entgegen, wobei er seine Arme um dessen Hals schlug. Diese Aussage war eindeutig: »Der Meister ist mein.«

      Dieser setzte sogar noch einen oben drauf. Er griff nach der Taille seines Freundes und beugte sich weit nach vorne, sodass Kiyoshi nur noch dank dessen Unterstützung nicht auf den Boden fiel. Als die zwei ihre Show beendeten, schallte ihr fröhliches Lachen zu den Wesen am Pool herüber.

      Mit einem Grinsen im Gesicht kam das ungleiche Gespann zu ihnen. »Daran müsst ihr euch wohl gewöhnen, Leute«, gluckste der Meister fröhlich. Nico biss sich auf die Unterlippe und dachte angestrengt nach, wie er Kiyoshi ärgern konnte.

      Aus den Augenwinkeln nahm Zayn wahr, dass Nico dämonisch grinste und sich wieder dem Buch zuwandte. »Ach, wenn es weiter nichts ist. Ich meine, ein Mensch, der mit seinem Sklaven rummacht, das ist nun wirklich nichts Neues mehr.«

      Kiyoshis rote Augen zuckten bei dieser Bemerkung. War es Wut? Nein, aber was war es dann? Mit Erstaunen erkannte Zayn Angst in dem Katzengesicht.

      Plötzlich erklang die messerscharfe Stimme des Meisters: »Nico, willst du damit etwa andeuten, ich würde meinen Freund dazu zwingen, mich zu küssen?«

      Entgeistert und mit vor Schreck geweiteten Augen sah Nico auf. Der Meister stellte sich schützend und bebend vor Zorn vor seinen Freund.

      »Nein, das meinte ich nicht so … ich …« Nico wusste offenbar nicht, was er sagen sollte.

      »Oder wolltest du Kiyoshi sagen, dass er ein wertloser Sklave sei?«

      »Nein, Meister. So meinte ich das sicher nicht.«

      Auch wenn der Mensch seine Wut nicht vollständig unterdrücken konnte, rang er sichtlich darum, seine normale Fassung zurückzuerlangen. Bemüht ruhig erklärte er, wobei seine Worte nicht nur Nico galten: »Ihr alle habt schreckliche Dinge durchgemacht. Kiyoshi zum Beispiel wurde über zehn Jahre von Ursay zu allem Möglichen gezwungen. Ich verbitte es mir, dass ihr mich auf dieselbe Stufe wie diesen Schlächter stellt! Ich lasse euch allen die Wahl. Ihr müsst nichts tun, was ihr nicht wollt. Und ich möchte nicht, dass ihr euch gegenseitig als Sklaven abstempelt.«

      Hastig ging Nico auf alle viere und drückte den Kopf ins Gras: »Ich entschuldige mich für meine Worte. Ich habe nicht nachgedacht. Was ich sagte, war respektlos.« Dann wandte er sich direkt an Kiyoshi. Er hob leicht sein Haupt, sah ihm in die Augen und gestand: »Kiyoshi, ich wollte dich wirklich nicht als einen Sklaven abstempeln und andeuten, dass du keine Wahl hast. Bitte verzeih mir.«

      »Ich verzeihe dir«, kam es etwas kleinlaut von Kiyoshi. Auch der Meister schien zufrieden und sein ganzes Gebaren änderte sich schlagartig. »Ich nehme deine Entschuldigung ebenfalls an. Ich weiß, dass es für euch nicht leicht ist. Ihr seid alle viele Jahre lang misshandelt worden. Ich weiß auch, dass ihr euch nicht über Nacht an eure neue Freiheit gewöhnen könnt, aber versucht es bitte. Lasst uns alle nach vorne sehen und die Vergangenheit hinter uns lassen.«

      Eifrig nickten alle. Sogar die Otter taten es den anderen gleich, auch wenn die Übrigen sich nicht sicher waren, ob die Brüder verstanden hatten, worum es gerade ging. Einzig Zayn stand sprachlos da und beobachtete die Szene distanziert.

      Der Meister hatte Kiyoshi in Schutz genommen. Zayn war nicht entgangen, dass dieser den Menschen mit glühenden Augen dankbar ansah. Auch die kleine Geste, mit der dieser seine Pfote auf den Rücken des Mannes vor ihm legte und ihn leicht streichelte, entging Zayn nicht. Ja, Kiyoshi hatte sich willentlich für diese, wenn auch höchst seltsame, Beziehung entschieden.

      Der Offizier quittierte seine Eindrücke mit einem Schnauben und zuckte die Schultern. Das alles ging ihn nichts an. Solange keines der anderen männlichen Wesen ihm zu nahe kam, sollten sie doch machen, was sie wollten. Er war hier nur Gast und wenn es nach ihm ginge, nicht mehr lange.

      In seiner Heimat gab es auch Paare zwischen zwei Rüden, aber dieses wurden nicht wirklich anerkannt. Die anderen Füchse sahen wohlwollend darüber hinweg, solange diese ihre Neigung nicht in der Öffentlichkeit zur Schau stellten. Für manche Füchse war das ihre einzige Möglichkeit, ihr Bedürfnis nach Nähe zu stillen. Verstoßene hatten nicht das Recht, Nachwuchs zu bekommen und sich mit dem anderen Geschlecht zu betten.

      Anschließend wandte Zayn sich ab und begann von Neuem mit seinen Kampfübungen. Tief in seiner Konzentration, bemerkte er nur am Rande, dass er aufmerksam beobachtet wurde. Leicht irritiert sah er sich um und erblickte den Meister, der sich zu ihm gesellt hatte und jede seiner Bewegungen genau analysierte. Zayn verzog spöttisch seine Maulwinkel und zeigte eine besonders schwierige Übung, die er fehlerfrei absolvierte.

      »Du solltest an deiner Grundhaltung arbeiten«, offenbarte der Meister nachdenklich.

      »Was wisst Ihr denn schon vom Kämpfen, Felllo-«

      »Zayn!«, erklang die warnende Stimme seiner Herrin. Schnell korrigierte er sich und setzte noch ein recht gezwungenes »Meister« hinten dran.

      »Ich dachte, bei unserem kleinen Kampf hätte ich dir gezeigt, dass selbst ein fellloser Mensch dir in den Hintern treten kann.«

      »Da hattet Ihr noch Eure Robe an. Mit Magie zu gewinnen, ist keine Kunst«, fauchte Zayn erzürnt. Das aufgebrachte Schnauben seiner Herrin ignorierte er gekonnt, die Wahrheit durfte er immerhin noch sagen und er musste sich nicht beleidigen lassen.

      Ein verschmitztes Grinsen zeigte sich im Gesicht des Meisters. »Oh, stimmt ja. Und jetzt trage ich keine Robe. Ob ich da eine Chance gegen dich habe? Willst du mir diese Demütigung nicht heimzahlen?« Heimtückisch grinste der Mensch und wandte sich an Freya. »Keine Sorge, meine Gute, ich tue ihm schon nicht all zu weh.«

      Das war zu viel. Niemand verging sich an seiner Ehre – niemand! Erzürnt nahm Zayn seine Kampfhaltung ein und griff überstürzt an. Mit seiner Faust zielte er auf den Solarplexus. Sein Gegner machte jedoch einen gekonnten Ausfallschritt und leitete den Angriff ins Leere.

      Reines Glück, beschloss Zayn. Er drehte sich auf der Stelle und versuchte es mit einem Pfotenkantenschlag auf den Kehlkopf. Seine Pfote wurde abgefangen und der Meister machte einen weiteren Ausfallschritt, drehte sich dabei um ihn herum und stieß ihm mit der flachen Hand in den Rücken. Zayn taumelte vorwärts und hatte Mühe, nicht sein Gleichgewicht zu verlieren.

      Der Mensch zog sich zurück und wartete ab. Nachdem sich Zayn wieder gefangen hatte, griff er, langsam in Rage geratend, erneut an. Diesmal wesentlich wilder. Er wollte seinen Gegenspieler verletzen, also versuchte er ihn mit seinen Krallen zu erwischen. Abermals ging seine Attacke ins Leere, doch wesentlich knapper.

      Siegessicher beschleunigte er seine Bewegungen. Es erinnerte ihn schmerzhaft an ihre erste Auseinandersetzung. Egal, was er getan hatte, er konnte einfach keinen Treffer landen. Wütend knurrte er: »Hör auf auszuweichen, du Nacktgesicht. Kämpfe wie ein Fuchs!«

      Seine