Für den Geschäftsführer einer GmbH gilt die gleiche Pflicht aus § 43 Abs. 1 GmbhG. Danach ist der Geschäftsführer dazu beauftragt, die Geschäfte seiner GmbH ordnungsgemäß zu führen. Demnach muss er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anwenden, wenn er die Verpflichtungen der Gesellschaft bearbeitet. Darin enthalten ist ebenfalls die oben beschriebene Legalitätspflicht zur Rechtstreue.
Die Pflicht zum rechtstreuen Verhalten bei einer OHG und einer GbR ist nicht gesetzlich kodifiziert. Allerdings ergibt sich daraus die Pflicht, dass bei rechtswidrigem Verhalten Schadensersatzansprüche entstehen könnten. Dies widerspräche dem Grundsatz der Treuepflicht der Gesellschafter. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist ein zentraler Rechtssatz des Gesellschaftsrechts.79 Sie bestimmt Inhalt und Grenzen der Rechte, die dem einzelnen Gesellschafter in der Gemeinschaft zustehen. Da sich die Gesellschafter bei Gründung des Gesellschaftsverhältnisses verpflichtet haben, gemeinsam den Gesellschaftszweck zu fördern, müssen sie alles unterlassen, was diesem Zweck abträglich ist und die Interessen der Gesellschaft schädigt.80
(2) Pflicht zur Gesetzestreue durch Compliance-Strukturen
Neben der gesetzlichen Pflicht zum rechtstreuen Verhalten belegen sich die Unternehmen im Rahmen von Compliance-Programmen häufig auch mit Selbstverpflichtungen.81 Neben der Einhaltung geltender Gesetze in allen Unternehmensbereichen werden firmeninterne Verhaltensregeln eingeführt, die dazu beitragen sollen, weiteres Vertrauen gegenüber Kunden und Lieferanten herstellen.82
Um diese Selbstverpflichtungen auszugestalten, ist es für die Vertreter der Unternehmen von zentraler Bedeutung zu wissen, welche Rolle sie im Wirtschaftsleben einnehmen. Nur durch die Kenntnis der Tatsache, wann sie als Hersteller und damit als Anordnungs- oder Haftungsadressat anzusehen sind, können die internen Prozesse zuverlässig darauf abgestimmt und eine entsprechende Compliance-Struktur eingerichtet werden, stets mit dem Ziel, alle gesetzlichen, vertraglichen und selbst auferlegten Verpflichtungen korrekt einzuhalten.
f) Zwischenergebnis
Aus der gesetzlichen Pflicht zur Rechtstreue und den produktsicherheitsrechtlichen Herstellerpflichten ergibt sich: Die Unternehmen benötigen Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Herstellereigenschaft, da eine Reihe von Pflichten daran geknüpft ist. Werden diese Pflichten vom Hersteller verletzt, können verschiedene Rechtsfolgen für den Hersteller daraus resultieren wie strafrechtliche Sanktionen, Bußgelder sowie zivilrechtliche Haftungsansprüche anderer Wirtschaftsteilnehmer. Rechtsunsicherheit dahin gehend, ob und inwieweit ein Unternehmen als verantwortlicher Hersteller gilt, ist in einer modernen Wirtschaftswelt nicht tragbar. Unternehmer verwenden große Anstrengungen darauf, die oftmals erheblichen finanziellen Schadensersatzforderungen zu vermeiden, die im Schadensfall auf sie als Hersteller zukommen können.83 Hinzu kommt die Furcht vor einer negativen Berichterstattung durch die Medien sowie – im Fall einer Verurteilung – vor der Inanspruchnahme auf Schadensersatz. Dieser negativen Wirkung kann nur dann entgegengesteuert werden, wenn die Unternehmen wissen, dass sie in der produktsicherheitsrechtlichen Verantwortung als Hersteller stehen und Maßnahmen einleiten können, die sie vor öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Inanspruchnahme schützen.
2. Klarstellungsinteresse aus staatlicher Sicht
Das Klarstellungsinteresse an der Präzisierung und Konkretisierung des Herstellerbegriffs besteht nicht nur aus Unternehmersicht, sondern auch aus der Perspektive der Marktüberwachungsbehörden. Obwohl das Produktsicherheitsrecht hauptsächlich präventiv wirken soll, sind die Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden nach dem ProdSG bei einem unsichereren Produkt dennoch repressiv und fallen daher unter die öffentlich-rechtlichen polizeirechtlichen Grundsätze. Im Rahmen der nachträglichen Marktüberwachung stellen die Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden84 nach dem ProdSG daher Verwaltungsakte85 im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG dar.86
Die Marktüberwachungsbehörden können nur dann wirksame Wirtschaftsüberwachungsverwaltungsakte erlassen, wenn die Störerauswahl rechtmäßig ausgeübt wurde. Daher müssen die Marktüberwachungsbehörden im Sinne einer effektiven öffentlich-rechtlichen Gefahrenabwehr den Hersteller korrekt und eindeutig identifizieren können, um rechtmäßige Verwaltungsakte zu erlassen. Soweit ein Wirtschaftsteilnehmer fehlerhaft als Hersteller angesehen wird, ist der ihm gegenüber erlassene Wirtschaftsverwaltungsakt rechtswidrig, sofern er nicht als ein anderer „Wirtschaftsakteur“ im Sinne des § 2 Nr. 29 ProdSG gilt oder die Ausnahmeregelung des § 27 Abs. 1 S. 2 ProdSG einschlägig ist. Eine effektive Gefahrenabwehr durch Wirtschaftsverwaltungsakte kann allerdings nur dann gewährleistet werden, wenn die zu erlassenen Verwaltungsakte auch rechtmäßig und damit unanfechtbar sind.
a) Auswahlermessen
Die Marktüberwachungsbehörden haben im Rahmen des Auswahlermessens den Adressaten der Maßnahme (Störer) zu ermitteln.87 Dazu werden in § 27 Abs. 1 ProdSG die möglichen Adressaten der Marktüberwachungsmaßnahmen gemäß § 26 Abs. 2, 4 ProdSG festgelegt. Um eine rechtmäßige Störerauswahl durchzuführen, müssen die Marktüberwachungsbehörden unzweifelhaft die infrage kommenden Adressaten – unter anderem den Hersteller – feststellen können.
aa) Adressatenkreis
In § 27 Abs. 1 ProdSG wird der Adressatenkreis möglicher Marktüberwachungsmaßnahmen wie folgt bestimmt:
„Die Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörde sind gegen den jeweils betroffenen Wirtschaftsakteur oder Aussteller gerichtet. Maßnahmen gegen jede andere Person sind nur zulässig, solange ein gegenwärtiges ernstes Risiko nicht auf andere Weise abgewehrt werden kann. Entsteht der anderen Person durch die Maßnahme ein Schaden, so ist dieser zu ersetzen, es sei denn, die Person kann auf andere Weise Ersatz erlangen oder ihr Vermögen wird durch die Maßnahme geschützt.“
Die Marktüberwachungsbehörden sind im Rahmen ihres Auswahlermessens bei der Störerauswahl von Gesetzes wegen auf den Kreis der „Wirtschaftsakteure“ im Sinne des § 2 Nr. 29 ProdSG beschränkt. Somit setzt das ProdSG bei den Adressaten nicht an den aus dem Polizei- und Ordnungsrecht der Länder bekannten Verhaltens- und Zustandspflichtigen an, sondern an den Begriffen „Wirtschaftsakteur“ und „Aussteller“88.89 Ob diese Akteure auch in einem polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne verhaltens- und/oder zustandspflichtig wären, muss daher nicht im Einzelnen geprüft und bejaht werden. Die Inanspruchnahme der Wirtschaftsakteure im Sinne des § 2 Nr. 29 ProdSG ist verhältnismäßig, da sie mit der Bereitstellung nicht konformer Produkte auf dem Markt derart stark verbunden sind, dass kein Raum für die Inanspruchnahme anderer Akteure besteht.90 Erst wenn kein Wirtschaftsakteur in diesem Sinne in Anspruch genommen werden kann, ist das behördliche Auswahlermessen auf „jede andere Person“ gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 ProdSG auszuweiten.91
bb) Auswahl bei mehreren Wirtschaftsakteuren als Adressaten
Das Auswahlermessen der Marktüberwachungsbehörden wird relevant, wenn mehrere Wirtschaftsakteure in Anspruch genommen werden können. In diesem Fall ist eine rechtmäßige Ausübung des Auswahlermessens durchzuführen, da immer nur ein Wirtschaftsteilnehmer Hersteller im Sinne des ProdSG für ein Produkt sein kann, wie noch zu zeigen sein wird.92
cc) Kein spezieller Vorrang eines Wirtschaftsakteurs
Das ProdSG enthält keine Aussage darüber, wer bei mehreren in Betracht kommenden Pflichtigen zur Abwehr heranzuziehen ist. Selbst die polizei- und ordnungsrechtlichen Grundnormen zur Gefahrenabwehr enthalten dazu keine Aussage. Somit sind die betroffenen