Als sicher gilt, dass autonom fahrende Fahrzeuge in Verkehrsunfälle verwickelt sein werden, die sie auch (mit-)verursacht haben. Dies geht zum Beispiel aus einem aktuellen Bericht von Google an die kalifornische Kraftfahrzeugbehörde hervor, der besagt, dass es in dem vierzehnmonatigen Berichtszeitraum zu mehr als einem Dutzend Unfälle gekommen wäre, wenn der Fahrer nicht eingegriffen hätte.57 Bemerkenswerterweise halten die Hersteller der autonomen Fahrzeuge selbst die Produktverantwortlichkeit des Herstellers für das adäquate Haftungsinstrument, wie Vertreter von Google und Volvo bereits beteuerten.58
Somit eröffnet die Haftung des Fahrzeugherstellers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 ProdSG eine neue Gefahr der Haftung für intelligente beziehungsweise selbstlernende Systeme. Der Fahrassistent hat im Sinne des § 3 ProdSG sicher zu sein. Für diese Sicherheit trägt der Hersteller die Verantwortung. Jedoch wird es in diesem Rahmen entscheidend sein zu wissen, wer als Hersteller im Sinne des ProdSG anzusehen ist, um als Geschädigter von diesem Haftungsanspruch Gebrauch machen zu können.
cc) Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz
Produkthaftungsrechtliche Ansprüche gegen den Hersteller können aufgrund des ProdHaftG59 geltend gemacht werden. Der Hersteller eines Produkts haftet gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG für Produktfehler, durch die eine Person getötet, ihr Körper oder ihre Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wurde. Der Hersteller ist in diesem Fall verschuldensunabhängig zum Schadensersatz verpflichtet.60 Ob der Herstellerbegriff des ProdHaftG und des ProdSG gleichzusetzen sind und welche Interdependenzen zwischen den Herstellerbegriffen bestehen, ist Gegenstand der weiteren Untersuchung.61
dd) Gewährleistungsrecht
Gewährleistungsrechte sind Ansprüche, die zwischen zwei Vertragspartnern, insbesondere Käufer und Verkäufer, als Folge eines mangelhaften Produkts ausgelöst werden können. Der Verstoß gegen produktsicherheitsrechtliche Vorschriften kann zu einem Mangel eines Produkts im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB führen. Beispielsweise wird in der Zulieferindustrie regelmäßig als Beschaffenheit des Produkts vertraglich vereinbart, dass das gekaufte Produkt rechtmäßig ein CE-Kennzeichen tragen muss. Das Gewährleistungsrecht ist vor allem für Fragen des Regresses in der Lieferkette entscheidend: Sobald ein Kunde Ansprüche geltend macht, stellt sich die Frage danach, wer innerhalb der Lieferkette dafür letztlich die Verantwortung trägt.62 Dies kann auch der Hersteller des Produkts im Sinne des ProdSG sein.
ee) Wettbewerbsrechtliche Folgen
Wettbewerbsrechtliche Folgen treffen den Hersteller, sofern Verstöße gegen produktsicherheitsrechtliche Vorschriften als unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG angesehen werden. Darunter fällt unter anderem gemäß Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG die Verwendung von Güte- oder Qualitätskennzeichen wie dem GS-Zeichen ohne die erforderliche Genehmigung.63 Außerdem sind gemäß Nr. 9 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unwahre Angaben oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks verboten, dass ein Produkt verkehrsfähig sei. Des Weiteren kann derjenige unlauter handeln, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die gemäß § 3a UWG auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Unter dieses Verbot können auch ausgewählte produktsicherheitsrechtliche Vorschriften fallen, beispielsweise § 3 ProdSG64 und § 6 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ProdSG.65 Dementsprechend sind Unterlassungsansprüche nach § 3a UWG i.V.m. § 7 ProdSG und § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG möglich, wenn ein Unternehmen Produkte ohne ein erforderliches CE-Kennzeichen auf den Markt bringt.66 Daneben können Beseitigungs- sowie Schadensersatzansprüche oder Gewinnabschöpfungen durch Wettbewerber oder Verbraucherverbände geltend gemacht werden. Jedoch erfolgt in der Praxis regelmäßig zunächst eine Abmahnung, die auf Kostentragung und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzielt.67
Darüber hinaus zeigen Unternehmen nicht selten ihre Wettbewerber bei Marktüberwachungsbehörden an, wenn sie Erkenntnisse über nicht konforme Produkte (zum Beispiel durch Vergleichstests) erhalten.68
d) Ordnungswidrigkeits- und strafrechtliche Folgen
Verstöße gegen produktsicherheitsrechtliche Vorschriften können für den Hersteller außerdem Ordnungswidrigkeits- und strafrechtliche Folgen haben. Nach dem Bußgeldkatalog des § 39 ProdSG sind Bußgelder in Höhe von bis zu 100.000 € bei (jedem) Verstoß gegen produktsicherheitsrechtliche Vorschriften möglich. Zudem kann eine Meldung an das Gewerbezentralregister nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 Gewerbeordnung (GewO) erfolgen, wenn ein Bußgeld verhängt wird, das mit der Ausübung eines Gewerbes im Zusammenhang steht und mehr als nur 200 Euro beträgt. Ferner ist eine Gewinnabschöpfung im Rahmen des Bußgeldtatbestands nach § 17 Abs. 4 OWiG oder § 29a OWiG möglich, die im Übrigen steuerliche Abzüge nicht berücksichtigt.
Im Rahmen der Legalitätspflicht der Unternehmensführung können derartige produktsicherheitsrechtliche Verstöße auf das vorsätzliche oder fahrlässige Außerachtlassen von Aufsichtsmaßnahmen seitens der Unternehmensführung zurückzuführen sein. In diesem Fall kann gemäß § 130 Abs. 1 OWiG ein Ermittlungsverfahren persönlich gegen die Mitglieder des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung eingeleitet werden.
§ 40 ProdSG konstituiert einen Straftatbestand, soweit gegen CE-Kennzeichnungsvorschriften beharrlich wiederholt verstoßen wird oder durch eine solche vorsätzliche Handlung Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet sind.
e) Notwendigkeit zur Klarstellung der Herstellereigenschaft
(1) Gesetzliche Pflicht zur Gesetzestreue („Organisationspflicht“)
Der Hersteller eines Produkts ist folglich dazu verpflichtet, verschiedene Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die sich aus den Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes ergeben.69 Der Hersteller ist allerdings nicht nur auf der Grundlage des ProdSG dazu verpflichtet, diese Maßnahmen und Vorkehrungen durchzuführen. Auch aus der unternehmerischen Pflicht, Schaden vom eigenen Unternehmen fernzuhalten (Organisationspflicht), die aus der Nichteinhaltung der Herstellerpflichten folgen,70 ist der Hersteller dazu angehalten, die Herstellerpflichten nach dem ProdSG zu erfüllen.
Dass die Herstellerpflichten eingehalten werden, ist in erster Linie Aufgabe der Unternehmensleitung. Sie muss die erforderlichen Maßnahmen organisieren und einleiten, die sicherstellen, dass ausschließlich verkehrssichere Produkte vertrieben werden.71 Die Unternehmensleitung hat dazu die geltenden Produktanforderungen ihrer Produkte vor dem Marktzutritt zu ermitteln und anschließend sicherzustellen, dass diese eingehalten werden. Die interne Pflicht der Unternehmensleitung, Risiken zu erkennen und zu bewältigen, ergibt sich für die Aktiengesellschaft aus § 76 Abs. 1 AktG i.V.m. § 93 Abs. 1 AktG. Für einen Pflichtenverstoß in Konzernbeziehungen begründet § 93 Abs. 1 AktG eine Haftung der Unternehmensleitung gegenüber der eigenen Gesellschaft.72 Zusätzlich können abhängige Gesellschaften die Unternehmensführung aus §§ 309, 317, 323 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG in Anspruch nehmen. Ein Pflichtverstoß im Sinne des § 93 Abs. 1 AktG73 liegt dann vor, wenn die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht anwenden.74 Dazu muss