(1) Besondere Pflichten bei Verbraucherprodukten
Bei Verbraucherprodukten werden im ProdSG zusätzliche Anforderungen an das Inverkehrbringen vorgeschrieben. Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 ProdSG hat der Hersteller dem Verwender des Produkts die Informationen zur Verfügung zu stellen, die er zur Risikobeurteilung benötigt, zum Beispiel durch das Beifügen geeigneter und verständlicher Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen, Sicherheits- und Warnhinweise (in deutscher Sprache) sowie sonstiger produktbezogener Angaben oder Informationen. Vor allem hat der Hersteller seinen Namen und seine Kontaktanschrift anzubringen sowie für die eindeutige Kennzeichnung zur Identifikation des Verbraucherprodukts zu sorgen, und zwar durch Angaben auf dem Produkt beziehungsweise auf der Verpackung von Produktbezeichnung, Artikel-/Chargennummer, Produktionsdaten und Lieferantencode.47 Indem diese Informationen vom Hersteller auf dem Produkt anzubringen sind, soll unter anderem sichergestellt werden, dass bei einem Produktrückruf die betroffenen Produkte und der verantwortliche Hersteller ohne Weiteres zu identifizieren sind, um einen möglichst schnellen und effizienten Rückruf durchzuführen, indem beispielsweise die Verbraucher über Pressemitteilungen oder Filialaushänge über die Gefahren eines Produktmodells mit einer bestimmten Chargennummer eines bestimmten Herstellers informiert werden können.
(2) CE-Kennzeichnungspflicht
Auf Produkte, die einer CE-Kennzeichnungspflicht nach einer EU-Richtlinie unterliegen, hat der Hersteller gemäß § 7 ProdSG diese Kennzeichnung vor der ersten Bereitstellung auf dem Markt anzubringen. Die CE-Kennzeichnung muss sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Produkt oder seinem Typenschild angebracht sein. Nach § 7 Abs. 2 ProdSG sind sowohl das Unterlassen einer vorgeschriebenen CE-Kennzeichnung als auch die Verwendung einer nicht vorgesehenen CE-Kennzeichnung verboten. Zur Erfüllung der CE-Kennzeichnungspflicht muss der Hersteller dafür sorgen, dass die technischen Unterlagen erstellt werden und das Produkt im Feld zurückverfolgt werden kann.48
(3) GS-Zeichen
Beim freiwilligen Anbringen des GS-Zeichens49 unterwirft sich der Hersteller den Pflichten aus den §§ 20–23 ProdSG. Hauptsächlich darf der Hersteller erst dann das GS-Zeichen auf seinen Produkten anbringen, wenn eine GS-Stelle auf Antrag des Herstellers das GS-Zeichen zuerkannt hat und das Produkt mit der eingereichten Baumusterbescheinigung übereinstimmt.
bb) Pflichten nach dem Inverkehrbringen
Nach dem Inverkehrbringen trifft den Hersteller insbesondere die Produktbeobachtungspflicht. Der Hersteller hat sich so zu verhalten, dass er auch nach dem Inverkehrbringen mögliche Gefahren des Produkts erkennen kann.50 Erhält der Hersteller durch diese Beobachtung oder auf anderem Weg Kenntnis davon, dass ein von ihm in Verkehr gebrachtes Produkt unsicher ist, hat er nach Art. 5 Abs. 1 UAbs. 3 Buchst. b der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit (2001/95/EG) die entsprechenden Maßnahmen zur Abwehr der Risiken zu ergreifen und gegebenenfalls eine Warnung auszusprechen oder sein Produkt zurückzurufen. Der Hersteller kann seiner Produktbeobachtungspflicht durch Überwachungsmaßnahmen nachkommen, zum Beispiel mit der Durchführung von Stichproben bei den auf dem Markt bereitgestellten Produkten und mit der Prüfung von Beschwerden im Sinne von § 6 Abs. 3 ProdSG. Zudem haben Hersteller gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 ProdSG die zuständige Marktüberwachungsbehörde unverzüglich über die von ihren Verbraucherprodukten51 ausgehenden Risiken für die Gesundheit und Sicherheit von Personen zu unterrichten.52
b) Öffentlich-rechtliche Folgen
Werden die vorgenannten Pflichten nicht eingehalten, können die Marktüberwachungsbehörden gegenüber dem Wirtschaftsakteur, der als Hersteller auf dem Markt auftritt, eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Maßnahmen anordnen. Sie sind in § 26 Abs. 2 S. 2 ProdSG in einem nicht abschließenden Katalog geregelt. Insbesondere sind die Marktüberwachungsbehörden zu folgenden Maßnahmen befugt:
– das Ausstellen eines Produkts zu untersagen
– Maßnahmen anzuordnen, die gewährleisten, dass ein Produkt erst dann auf dem Markt bereitgestellt wird, wenn es die Anforderungen nach § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 erfüllt
– anzuordnen, dass ein Produkt von einer notifizierten Stelle, einer GS-Stelle oder einer in gleicher Weise geeigneten Stelle überprüft wird
– die Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt oder das Ausstellen eines Produkts für den Zeitraum zu verbieten, der für die Prüfung zwingend erforderlich ist
– anzuordnen, dass geeignete, klare und leicht verständliche Hinweise zu Risiken, die mit dem Produkt verbunden sind, in deutscher Sprache angebracht werden
– zu verbieten, dass ein Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird
– die Rücknahme oder den Rückruf eines auf dem Markt bereitgestellten Produkts anzuordnen
– ein Produkt sicherzustellen, es zu vernichten, vernichten zu lassen oder auf andere Weise unbrauchbar zu machen
– anzuordnen, dass die Öffentlichkeit vor den Risiken gewarnt wird, die mit einem auf dem Markt bereitgestellten Produkt verbunden sind. Die Marktüberwachungsbehörden können selbst die Öffentlichkeit warnen, wenn der Wirtschaftsakteur nicht oder nicht rechtzeitig warnt oder eine andere ebenso wirksame Maßnahme nicht oder nicht rechtzeitig trifft.
Ferner sind die Marktüberwachungsbehörden dazu befugt, präventive Maßnahmen gegen den Hersteller einzuleiten, die in § 28 Abs. 1 S. 1 ProdSG geregelt sind.53
c) Zivilrechtliche Rechtsfolgen und Pflichten der Hersteller
Durch die Bereitstellung von unsicheren Produkten auf dem Markt kann ein Hersteller ferner einer Reihe von zivilrechtlichen Folgen ausgesetzt sein, die es durch geeignete Compliance-Strukturen zu verhindern gilt. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nach den verschiedenen zivilrechtlichen Haftungsnormen der Ersatzverpflichtete autonom zu bestimmen ist. Dementsprechend ist nicht automatisch der Hersteller im Sinne des ProdSG auch der zivilrechtlichen Haftungsadressat. Allerdings können zwischen dem öffentlichrechtlichen Herstellerbegriff und den zivilrechtlichen Haftungsregimen Verbindungen entstehen, insbesondere bei gesetzesverweisenden Haftungsnormen, bei denen der Verstoß gegen produktsicherheitsrechtliche Normen zu einer zivilrechtlichen Haftung führt, zum Beispiel bei § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 ProdSG oder § 3 a UWG i.V.m. § 3 ProdSG.
aa) Deliktische Ansprüche
In erster Linie können gegen den Hersteller deliktische Produkthaftungsansprüche nach §§ 823 ff. BGB in Betracht kommen, wenn Schäden an Rechtsgütern eines anderen, unter anderem an Leben, Körper und Gesundheit, eingetreten sind. Dabei muss die schädigende Handlung rechtswidrig und schuldhaft erfolgen. Insbesondere sieht § 823 Abs. 2 BGB eine Schadensersatzpflicht für denjenigen vor, der schuldhaft gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt. Schutzgesetze mit produktsicherheitsrechtlichem Bezug sind unter anderem das ProdSG, die Verordnungen zum Produktsicherheitsgesetz, die Gesetze zur Umsetzung von EU-Richtlinien, zum Beispiel das LFGB, das PflanzenschutzG und das AMG.54