„Komm rein“, rief mir Susi zu. Ich machte die Tür einen Spalt auf und fragte
sie, wo ich sie hinlegen sollte.
„Lege sie hinten auf die Ablage am Fenster“, antwortete sie mir. Ich trat
zögernd ins Badezimmer und ging zur Kommode. Ich bemerkte aber nicht, daß
Susi die Tür der Duschkabine nicht geschlossen hatte. Im vorbeigehen sah ich,
wie Susi nackt unter der Dusche stand. Vielleicht eine zehntel Sekunde
verharrte ich, legte dann aber schnell die Handtücher hin und verschwand
wieder. Oh nein, jetzt wußte ich nicht einmal, ob sie zufällig die Tür
offengelassen hatte, oder ob sie es einfach so wollte. Verdammt, dachte ich
mir, jetzt ist es schon so weit, daß mich meine eigene Schwester verlegen
macht. An Abendbrot essen dachte ich schon gar nicht mehr. Ich wartete bis
Susi aus dem Bad war und in ihr Zimmer ging. Ich ging mich dann auch noch
abduschen und verschwand in meinem Bett. Draußen hörte man immer noch ein
entferntes Grollen. Der Regen hatte aber auch schon nachgelassen und der
Sturm hatte sich auch gelegt. Durch das stundenlange Herumtoben im Wasser war
ich todmüde und auch gleich mit den Sachen auf dem Bett eingeschlafen, obwohl
es eigentlich noch gar nicht so spät war.
Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen hatte, aber plötzlich wurde ich
munter.
„Rico, der Strom ist weggegangen“, schallte es durch meine Tür. Noch halb
verschlafen stieg ich aus dem Bett und erschrak fürchterlich, als es
plötzlich draußen krachte. Das verdammte Gewitter war nochmal zurückgekommen,
schoß es mir durch den Kopf. Ich zog das Rollo hoch und sah nach draußen. Der
Sturm war noch schlimmer, als nachmittags. Der Regen peitschte ans Fenster
und ein Blitz löste den nächsten ab.
„Rico, hörst du mich?“, drang es wieder durch meine Tür. Ich schloß auf und
sah im Schein ihrer Taschenlampe, wie sie zitterte. Ohne zu zögern nahm ich
sie in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Sie schluchzte leise und ich
merkte, daß sie ganz schön Angst vor diesem Unwetter hatte. Ehrlich gesagt,
war mir auch nicht ganz wohl dabei. Plötzlich erschraken wir beide, als das
Telefon klingelte. Ich ging hin und nahm den Hörer ab. Es war Oma und sie
klang richtig aufgeregt. Ich beruhigte sie und sagte ihr, daß bei uns alles
in Ordnung sei. Sie wollte uns dann morgen früh noch einmal anrufen und legte
dann auf. Susi ließ mich während der ganzen Zeit nicht mehr los. Wir holten
uns etwas zu trinken und setzten uns im Wohnzimmer an das Fenster. Das
Gewitter wollte einfach nicht abklingen.
„Komm wir gehen wieder schlafen“, sagte ich leise zu Susi. Sie klammerte sich
an mich und meinte immer noch schluchzend, daß sie alleine Angst hätte. Ich
versuchte sie noch zu beruhigen und ihr zu erklären, daß uns hier nichts
passieren könnte, aber sie wollte, daß ich bei ihr bleibe. Ich überlegte kurz
und meinte dann zu ihr, daß sie bei mir mit im Zimmer schlafen könnte. Hand
in Hand gingen wir dann in mein Zimmer. Susi legte sich in meinem Bett hinten
an die Wand und ich versuchte mit etwas Platz an der Vorderkante zu schaffen.
Plötzlich kam mir ein komischer Gedanke. Wir hatten hier doch schon immer
schwere Gewitter und Susi hatte noch nie sehr große Angst davor. Sollte das
von ihr so geplant gewesen sein? Aber was sollte ich denn jetzt noch machen,
wo sie neben mir lag? Wir lagen lange nebeneinander und ich konnte es spüren,
daß Susi nicht eingeschlafen war.
Ich hatte Tausende Gedanken im Kopf und konnte auch nicht an schlafen denken.
„Ich weiß, daß du in meinem Tagebuch gelesen hast“, unterbrach Susi die
Stille, abgesehen vom Gewitterdonner. Mir ging dieser Satz durch Mark und
Knochen.
„Wieso, warum, woran …“, antwortete ich fassungslos.
„Ich hatte mir ein Zeichen gemacht. Tut mir leid Rico, aber ich wollte
einfach, daß du es erfährst“, meinte sie darauf.
„Aber das geht doch nicht Susi, wir sind doch Bruder und Schwester“, war
meine kurze Antwort.
„Ich weiß, aber ich kann doch nichts dafür. Kann ich trotzdem heute nacht bei
dir hier schlafen?“, fragte sie abschließend.
„Na klar doch“, sagte ich und nahm ihre Hand.
Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man weiß, daß einen die eigene kleine
Schwester liebt und man nun nebeneinander im Bett liegt. Ich mochte sie ja
auch, konnte mir aber nicht vorstellen, daß wir wie „Freund und Freundin“
miteinander umgehen könnten.
Es war noch dunkel draußen und das Gewitter hatte sich verzogen, als ich
plötzlich munter wurde, weil sich Susi im Bett gedreht hatte. Sie lag jetzt
mit dem Kopf auf meinem Oberkörper und schlummerte noch wie im siebten
Himmel. Die Straßenlaterne machte das Zimmer etwas heller, weil ich das Rollo
nicht wieder heruntergezogen hatte. Ich nahm vorsichtig meinen Arm und legte
ihn um sie. Wie ein kleines Kind schmiegte sie sich an mich. Erst zu diesem
Zeitpunkt wurde mir klar, daß Susi eigentlich gar nicht mehr so klein war.
Sie hätte ja auch annehmen können, daß ich alles Mutti und Vati gesagt hätte,
was sie im Tagebuch geschrieben hatte. Sie ging das Risiko ein und dafür
bewunderte ich sie. Doch schnell war ich wieder eingeschlafen und merkte auch
nicht, wie es draußen heller wurde.
Wach wurde ich erst wieder, als sich Susi im Bett ruckartig herumdrehte. Ich
machte die Augen auf und sah, daß sie schon wach war. Durch die Wärme im
Zimmer waren wir beide nicht mehr zugedeckt, daß heißt, wir haben durch die
Wärme die Decke weggestrampelt. Ich hatte nur einen Schlüpfer und ein T-Shirt
an und Susi nur ihr Nachthemd. Ich merkte, daß ich einen kleinen
Morgenständer hatte und das war mir peinlich, weil ich wußte, daß Susi eher
munter war wie ich und sie ihn eigentlich schon gesehen haben müßte, weil ich
auf dem Rücken lag. Aber sie schaute mich nur an und sagte: „Guten Morgen“.
Ich drehte