Pfad des Feuers. Alexander Mosca Spatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Mosca Spatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260304
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und führte es zu einem nahestehenden Baum, unter dem es nicht ganz so nass war. Dort band sie das Pferd an einen tiefhängenden, dicken Ast und klopfte ihm noch einmal auf die Flanke.

      Das Pferd wandte den Blick ab und machte sich daran, einige Grasbüschel, die am Fuße des Baumes wuchsen, zu fressen.

      „Lass es dir schmecken“, seufzte Luciana, dann trat sie aus dem Schutz der Wipfel wieder in den Regen hinaus und lief auf ein großes Haus zu, das sich schon rein äußerlich von den anderen unterschied. Ähnelten die anderen Häuser eher unbeholfenen Bauklötzen, so wirkte das Gebäude wirklich luxuriös … obwohl es ein ehemaliger Wachturm war, den man im Krieg gegen die Vampire errichtet hatte.

      Ich will mir gar nicht vorstellen, wie die Unterstadt zu Zeiten des Krieges ausgesehen haben muss.

      In den Erzählungen heißt es, die Flüchtlinge hätten die ganze Stadt besetzt und die Menschen zu sechst in winzigen Betten geschlafen, um überhaupt irgendwie Platz zu machen; die Straßen sollen voller Obdachloser gewesen sein, die im Winter erfroren waren und deren Leichen man wegen der Gefahr einer Seuche schließlich entfernen musste – es muss schrecklich gewesen sein …

      Hier wollte sie den einzigen Mann in der Unterstadt treffen, dem sie es zutraute, Kontakt mit den Schmugglern zu haben. Die Schmuggler waren nicht wie die Banditen, brutal und übertrieben gewalttätig, sondern eine kleine Gruppe von Männern, die wichtige Kontakte zum Hafenviertel pflegten und so an fast alle Waren kamen, die es auf dem legalen Markt gab. Für spezielle Wünsche natürlich auch illegale Ware. Sie handelten im Verborgenen und beherrschten fast die gesamte Stadt, bis auf die Altstadt und das auch nur, weil die Altstadt vom Erzbischof so geprägt war, dass es niemand wagte, laut zu fluchen, aus Angst, der Letzte Herrscher könnte ihn bestrafen. Luciana stellte sich die Schmuggler als reiche Adelige irgendwo in der Oberstadt vor, die in ihren prunkvollen Häusern saßen und Ränke schmiedeten, aber das widersprach den Gerüchten. Bisher hatte es niemand überlebt, wenn er die Schmuggler betrog, absolut niemand, doch es war vielleicht nötig, dass Luciana genau das tat. Sie schluckte schwer, dann trat sie in den Turm ein.

      Als sie hineinging, schlug ihr dichter Rauch entgegen. Luciana hustete und zog den Kopf etwas ein, ihre Augen tränten kurz und sie musste blinzeln. Der Boden vibrierte leicht unter der lauten Musik und Luciana hatte das Gefühl, sie befände sich in einem lebenden Organismus. Dies und die Ausgelassenheit der Menschen um sie herum, der Geruch nach Schweiß, Lust, Alkohol … Lachen, Freundesrunden am Trinken und Witzeln, Menschen, die sich fast ekstatisch dem Rhythmus hingaben … all das hatte etwas Ansteckendes und Berauschendes.

      Tänzerinnen räkelten sich auf einer Bühne, Gäste brüllten laut Bestellungen und lachten, wenn der Wirt sie wütend anschnaubte.

      Luciana trat in die tanzende und laut lachende Menge hinein, wurde einmal von hier nach da gestoßen und als sie endlich an dem Tresen ankam, wünschte sie sich auf einmal, sie könne im Tausch gegen diesen Lärm hier noch einmal gegen eine Horde Banditen kämpfen.

      Der Wirt war hoch gewachsen, muskulös und verschiedene Tätowierungen, meist von nackten Frauen, zierten seine Oberarme. Luciana schlug auf das nagelneue Holz des Tresens und der Wirt hob seinen Blick, grinste und beugte sich lässig über den Tresen und seine braunen Augen blitzten auf.

      „Was kann ich für dich tun, Schätzchen?“, lachte er leise und Luciana wusste, dass er ihr nicht ins Gesicht sah, sondern schamlos ihre Reize anstarrte. Das Grinsen wurde breiter, offenbar gefiel ihm, was er sah.

      „Ich will zu Damien!“, schrie sie laut, um den Lärm zu übertönen und das Grinsen des Wirts gefror augenblicklich. Er bedeutete ihr, näher zu kommen. Misstrauisch tat sie, wie ihr geheißen und beugte sich tief über den Tresen, wobei der Mann einen Moment ungeniert in ihren Ausschnitt sah, bevor er seinen Kopf neben den ihren hielt, so dass sein Mund ganz nahe an ihrem Ohr war.

      „Damien ist nicht zu sprechen, selbst für heiße Bräute wie dich!“

      Luciana beugte sich weiter vor, ließ eine Hand unauffällig in ihrer Hosentasche verschwinden und das Grinsen des Mannes wurde breiter, er leckte sich über die Lippen und stellte das Glas ab, ohne dabei den Blick von ihr abzuwenden.

      „Vergiss doch Damien, Süße, ich kann dir auch einiges bieten. Wie wäre es mit einer kleinen Spezialität?“, fragte er grinsend und streckte eine Hand nach ihr aus.

      Der Schatten eines Lächelns legte sich auf ihre Züge, doch bevor der Mann sie berühren konnte, packte sie seinen Arm und knallte ihn laut hörbar gegen den Tresen, mit der anderen holte sie das Siegel der Stadtgarnison heraus und legte es vor seiner Nase auf die Theke.

      Selbstgefällig lächelte sie und lehnte sich wieder zurück, ließ dabei langsam den Arm des Mannes los; das Siegel blieb allerdings auf dem Schanktisch liegen.

      Wie berechenbar Männer doch sind, lachte sie in Gedanken, ihre Reaktionen vorauszusagen ist nicht schwerer, als bei einem bewölkten Himmel Regen anzukündigen.

      „Ich möchte jetzt nichts trinken, sondern zu Damien … sofort!“, wiederholte sie ruhig, aber bestimmt.

      Der Wirt hielt sich das schmerzende Handgelenk und funkelte sie wütend an, trat aber hinter dem Tresen hervor, knurrte leise 'Warte hier' und tauchte in die tanzende Menge ab. Wütende Schreie ertönten an den Stellen, wo er sich mit seinen kräftigen Ellenbogen einen Platz durch die Menge bahnte.

      Luciana lehnte sich innerlich grinsend auf den Tresen des Wirts und ließ den Blick durch die Menge schweifen. Keine bekannten Gesichter. Kein Wunder, sie war auch wirklich lange nicht mehr in der Unterstadt gewesen, um das Nachtleben zu genießen. Auf einmal beneidete sie das einfache Volk, diese Masse von ahnungslosen Menschen, die nicht wussten, was die Gardisten alles taten, damit die Stadt nicht im Chaos versank.

      Sie beschweren sich über das Regime und selbst tun sie alles, damit der Orden noch einen Grund hat, ihnen Freiheiten zu nehmen. Gäbe es keine Verbrecher, wären auch die Gardisten nicht weiter nötig. Ich habe schon so manche Schmerzensträne vergossen, weil ich an meine Grenzen gekommen bin und doch stehe ich hier … und keiner achtet mich dafür; keiner sagt mir, ich mache meine Arbeit gut. Das Einzige, was wir zu hören bekommen ist, dass wir Speichellecker des Ordens wären.

      Sie mochte die Herrschaftsform des Letzten Herrschers nicht. Die anderen Reiche des Nordens waren demokratische Reiche und sie existierten bisher auch ziemlich gut; jedoch gab es dort Entscheidungen zu fällen, für die niemand mutig genug war. Dieses Problem hatten sie hier nicht.

      „Das da drüben ist sie!“, rief jemand wütend und Luciana wandte überrascht den Kopf. Der Wirt kam zurück, begleitet von vier Männern. Drei davon waren gut zwei Köpfe größer als alle anderen Anwesenden und schienen nur aus Muskeln zu bestehen. Die perfekten Leibwächter. Sie flankierten einen etwas kleineren Mann mit kurzen braunen Haaren und grünen Augen, die einem sofort auffielen. Sie wirkten bedrohlich und schön zugleich, was von dem rätselhaften Lächeln des Mannes nur noch verstärkt wurde. Er war ungewöhnlich schlank, wenngleich sich unter seinem dunkelroten Wams seine Muskeln leicht abzeichneten. Obwohl sie ihn seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hatte, erkannte Luciana ihn sofort.

      Damien! Ich habe ihn nur einmal gesehen und das unter ziemlich bedrohlichen Umständen und doch erinnere ich mich an seine Züge, als sei es gestern gewesen.

      Damien war an dem Abend, an dem Azard Ragnir töten wollte, alleine auf den Straßen unterwegs und schon für seine Gabe bekannt, Leute gut zu verstecken, da er angeblich Kontakte mit Schmugglern pflegte. Azard und seine Männer flohen Hals über Kopf in die Unterstadt und sahen Damien dort, alleine auf der Flussuferpromenade spazierengehend und nahmen ihn fest, zwangen ihn, sie zu verstecken. Damien schaffte es allerdings zu entkommen und rannte in Luciana hinein, die ihn daraufhin durch einen Geheimgang in Sicherheit brachte. Das war das einzige Mal, dass sie ihn gesehen hatte und ehrlich gesagt war er ihr danach ziemlich egal gewesen.

      Aber jetzt brauche ich seine Hilfe! Dringend!

      Der Wirt, Damien und seine Leibwächter kamen zielstrebig auf sie zu. Die Leibwächter mussten ihre Ellenbogen nicht einsetzen, ihnen wurde reichlich Platz gemacht. Anscheinend hatte er sich doch ein wenig erinnert.