Pfad des Feuers. Alexander Mosca Spatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Mosca Spatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260304
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alle schaffen diesen harten, steinigen Weg. Einige kapitulieren auf dem Weg dorthin und werden zu Protegés; Männer, die den Schutz des Ordens in Anspruch nehmen, aber ihm selbst nur passiv dienen … oder gar nicht.

      „Prüfung nicht bestanden?“, hakte Aaron nach und entspannte sich wieder; er hatte das Spiel in der Hand.

      „Nicht direkt“, wich Eric aus und sah zu Boden, „eher … ungeeignet für den gewöhnlichen Weg.“

      Aha, also ist er vielleicht ein Nachtjäger oder ein Spion der inneren Sicherheit … für wie vertrauenswürdig sie mich wohl halten müssen, vor allem, da ich selbst mal mit ihnen gearbeitet habe.

      „Ich hasse Protegés“, bemerkte Aaron auf einmal beiläufig und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

      „Mir stand einmal einer im Weg und ich musste an ihm vorbei zu meinem Ziel. Musste ihn abschießen mit einer Handarmbrust, direkt ins Auge. Der Anblick war äußerst unangenehm.“

      Dies sagte er vollkommen ruhig und gelassen, als rede er gerade über das Wetter und er sah, wie Erics Kiefermuskeln sich verhärteten.

      Eine Weile herrschte peinliche Stille und Aaron wandte sich wieder der Abstimmung des Gilderats zu; mittlerweile hatte Arekas wieder ein Veto auf die Entscheidung des Gilderats eingelegt und die Vorsitzende der Tuchhändler sprach darüber, dass ihre Gilde in Bezug auf die Steuern ungerecht behandelt worden war.

      Aaron kannte sich aus in der Welt des Hochadels und er kannte die Frau, die nun für die Gilde der Tuchhändler sprach; Istradi D'Ertaka, die wohl reichste Frau des Landes.

      Oh ja, und wie ich sie kenne. Immerhin hätte ich sie heiraten sollen. Ich kenne den Hochadel, weil ich zu ihm gehöre … oder gehörte.

      „Ich habe es mir nicht ausgesucht, ein Protegé zu sein“, durchbrach Eric endlich die peinliche Stille und atmete tief durch.

      „Ich weiß, wo Ihr die nötigen Informationen finden könnt, um Euch ein besseres Bild von dem Ring und dessen Funktion zu machen. Die Bibliothek schließt um zehn Uhr. Kommt also um kurz nach Mitternacht an den Hintereingang der Bibliothek und ich werde dort sein … aber wenn Ihr kommt, nehmt Euer Schwert mit, General.“

      Eric erhob sich leise, wickelte sich enger in seinen Mantel und schaute noch einmal hinunter in den Gildesaal. Istradi wurde gerade laut niedergeschrien von den Männern der anderen Gilden, die mit lauter Stimme ihre eigenen Steuerausgaben hinein riefen. Istradis Stimme ging im allgemeinen Tumult unter.

      Amüsiert beugte Aaron sich vor und bekam daher gar nicht mehr mit, wie Eric sich zurückzog.

      Wegen dieser Unstimmigkeiten und des Gebrülls zog er das Regime des Letzten Herrschers der Demokratie vor.

      Stellte man sich die Demokratie wie einen Hörsaal vor, in dem er sich gerade befand, wurde dort nur geschrien. Verglich man das mit dem Hörsaal des Regimes, so herrschte dort absolute Stille; nur einer sprach und die Stimme dieses Mannes hallte in den Ohren der Menschen wider und keine andere. Das System war gut – nur dessen Ausführende unter dem Letzten Herrscher nicht.

      Endlich kam es zu der Abstimmung über die Fraktion der Kurtisanen und Aaron erhob sich gespannt, lehnte sich auf die Balkonbrüstung der Ordenslounge und schaute hinab ins Zentrum der Gildehalle.

      Eine Frau trat in deren Zentrum. Sie war hochgewachsen und trotz ihres vorgerückten Alters strahlte sie Stolz und Würde aus; langes dunkelrotes Haar fiel ihre Schultern hinab, ihre schlanke Figur war vom Kragen bis zu den Fußspitzen perfekt durch die Gewänder unterstrichen.

      „Mein Name ist Cristina Rosa“, hallte ihre Stimme durch die Gildehalle und jegliches Gemurmel verstummte; sogar Lyras' Blick verlor für einen Moment seine Kälte.

      „Ich vertrete die Kurtisanen in Moréngard und im ganzen Land. Ich bin heute hier, um euch eine Geschichte zu erzählen.“

      Gespannt runzelte Aaron die Stirn und ein amüsiertes Schmunzeln legte sich auf seine Züge.

      Das könnte wohl noch etwas dauern … ich sollte mich wieder setzen.

      Er ließ sich wieder auf seinen Sitz sinken und kurz schweiften seine Gedanken zu Luciana ab.

      Die Gardistin war kompliziert; er kannte ihre ganze Geschichte, ihren gesamten Verlauf und ihren Werdegang in der Stadtgarnison.

      Sie war der beste Gardist der Stadt – selbst andere Gardisten sagten das über sie aus … natürlich nur, wenn sie außer Hörweite war. Doch tief in ihrem Inneren hatte er Angst gesehen; die Angst eines kleinen Mädchens, das viel zu früh, viel zu viel Verantwortung hatte tragen müssen.

      Aber sie wird mir helfen, da bin ich mir sicher. Sie ist nicht die Art Frau, die ihre Stiefschwester sitzen lässt, um das eigene Leben zu retten – dazu ist sie viel zu treu.

      Er verschob diese Gedanken auf später und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück; über den Mord nachdenken konnte er nachher noch – nun wollte er Cristinas Geschichte lauschen.

      „Meine Geschichte beginnt weit weg von hier“, begann Cristina und stemmte die Hände in die Hüften, „in den Wäldern von Arboréngard. Dort wurde ein kleines Mädchen geboren; ihre Name war Silia. Schon von Geburt an war sie ein hübsches Kind und als sie im jugendlichen Alter war, erstrahlte sie in einer Schönheit, wie sie Moréngard bisher noch nicht gesehen hatte. Doch sie war arm und erregte die Aufmerksamkeit eines reichen Durchreisenden, der aus Moréngard gekommen war. Er gaukelte ihr vor, sich in sie verliebt zu haben und nahm sie mit nach Moréngard, wo er sie als Bettmädchen hielt und schlug, wenn sie ihm nicht gefügig war. So ging das viele Jahre lang, sie litt unter diesem Mann und er strafte sie jedes Mal, wenn er betrunken nach Hause kam. Eines Tages jedoch starb er während einer Messerstecherei in einer Kneipe und sie wähnte sich frei, doch nein. Das Schicksal war noch lange nicht fertig mit ihr.“

      Cristina legte eine kurze Pause ein und schaute jeden einzelnen durchdringend an, funkelte vor allem die Männer im Gilderat wütend an.

      „Ein alter Adeliger kaufte sie, als wäre sie nichts weiter als ein Stück Fleisch und fuhr mit den Schikanen fort; als die Frau des alten Adeligen davon erfuhr, drohte sie Silia, sie umzubringen und so floh sie in mein damals noch kleines Haus. Sie floh zu mir und ich gewährte ihr Zuflucht. Gemeinsam begannen wir, Mädchen aufzunehmen, denen es genauso ergangen war. Wir gründeten die Fraktion der Kurtisanen und betteln seitdem jedes Jahr um die Aufnahme in den Gilderat als Gilde … damit keine Mädchen mehr unter der Hand grausamer Männer leiden müssen. Jeden Abend kamen Mädchen von mir heim, zerschlagen und zerkratzt, mit blutigen Lippen und Narben an den Armen und Beinen. Einmal kam ein Mädchen mit den Striemen einer neunschwänzigen Katze zu mir und erzählte mir, ein Priester habe sie während ihrer Dienste für eben jene bestraft …“

      Der Klerus unter Aaron hielt entsetzt den Atem an und die Priester warfen sich gegenseitig unsichere Blicke zu, als fürchteten sie alle, verdächtigt zu werden.

      „Eines Abends schließlich“, fuhr Cristina fort, „da kam Silia nicht wieder zu mir. Meine Mädchen und ich begannen nach ihr zu suchen und wir fanden sie schließlich … in den Armen eines Adeligen und mit einem Messer in ihrem, wie sich später herausstellte, schwangeren Leib. Wir haben der Garnison verraten, wer der Mann war, doch wurde er bestraft? Nein! Heute ist er ein Hauptmann des Ordens!“

      Ein gemeinsamer Aufschrei ging durch die Menge der Gilderatsmitglieder und alle Blicke richteten sich auf Aaron, der nonchalant zurück sah und sich nachdenklich am Kinn kratzte.

      Ein Hauptmann des Ordens also? Diese Cristina hat gute Informationen … als Kurtisane hat sie allerdings ein Mittel des Verhörs im Ärmel, auf das wir niemals zurückgreifen könnten … naja, wohl nicht im Ärmel. Aber ich kann mir vorstellen, welcher Hauptmann es war. Darion war schon immer jemand, dem ich so etwas zutrauen würde, jemand der Frauen tötet, weil sie ihm Bastarde zeugen könnten. Ich muss das überprüfen …

      „Letztes Jahr … da hat Silia noch gelebt!“, brüllte Cristina und das Getuschel erstarb sofort wieder.

      „Hättet ihr uns als