Pfad des Feuers. Alexander Mosca Spatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Mosca Spatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260304
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leben muss wie hunderte andere Mädchen! Die Wachen des Gilderats könnten meine Mädchen schützen … denn nicht zuletzt sind sie auch Kinder Moréngards und Kinder des Letzten Herrschers selbst! Das war mein Antrag an euch! Entscheidet selbst, ob ihr euch verhalten wollt wie ehrenwerte Männer und Frauen oder wie eben jene Männer und Frauen im Gilderat, die auf der Seite des Königs standen vor hundert Jahren, als die Vampire vor unseren Toren standen und der Letzte Herrscher sich erhob, gepriesen sei sein Name.“

      Aaron hatte empörte Ausrufe erwartet, stattdessen schwiegen jedoch ausnahmslos alle Mitglieder des Gilderats, nicht zuletzt er selbst.

      Als General des Ordens habe ich ein eindeutiges Stimmrecht …

      Statthalter Lyras erhob sich von seinem Pult, räusperte sich leise und klopfte mehrmals mit einem Hammer auf sein Pult.

      „Wir kommen nun zur Abstimmung des Gilderats. Diese Entscheidung ist unwiderruflich, unmittelbar, direkt und für jeden selbst zu verantworten! Wer enthält sich seiner Stimme?“

      Aaron stand gespannt auf; hob jemand ein schwarzes Tuch, so enthielt er sich. Rot bedeutete Widerspruch und Weiß hieß Zustimmung.

      Keine Meldung, also keine Stimmenthaltung.

      „Wer stimmt dagegen?“

      Einige rote Tücher schossen in die Höhe, begleitet von einigen zögerlichen Meldungen, die von den anwesenden Kurtisanen mit funkelnden Blicken quittiert wurden.

      Nicht gerade wenige Leute … die Geschichte ist wohl nicht halb so Augen öffnend, wie ich gedacht hatte. Elende Idioten! Erkennen sie nicht, dass sich die Toten auch direkt auf die Staatskosten der Gardisten auswirken? Jeder Mord an einer Kurtisane muss neu verzeichnet, eine Untersuchung muss eingeleitet werden und schlussendlich sind eine Menge Leute mit Papier beschäftigt und Geld für jene, die das Papier überprüfen und in Archive stecken. Zumindest der rechnerische Teil ihres Verstandes sollte doch soweit funktionieren …

      Lyras zählte kurz, dann nickte er und schrieb die Zahl auf ein Blatt Pergament.

      „Und wer“, rief er schlussendlich, „stimmt dafür?“

      Erst herrschte absolute Stille; nur hier und da erhoben sich einige Arme mit einem weißen Tuch, doch dann folgten immer mehr und schließlich erstrahlte die gesamte Gilde der Tuchhändler in zustimmendem Weiß.

      Erneut zählte Lyras durch und Aaron folgte seinem Beispiel; im selben Augenblick begriff er dasselbe wie der Statthalter.

      Gleichstand. Genau gleich viele Stimmen dagegen sowie dafür. Es wird vertagt oder noch einmal eine Stichwahl geben, bei der gefragt wird, ob sich jemand umentscheiden möchte.

      „Gleichstand!“, donnerte Lyras' Stimme durch die Gildehalle und enttäuschte Seufzer ertönten aus den Reihen der anwesenden Kurtisanen.

      Lyras gibt noch einige Minuten für die Möglichkeit, sich umzuentscheiden; danach wird die Entscheidung vertagt und die Männer, die etwas dagegen haben, werden die Bestechungsgelder nur so fließen lassen.

      Langsam griff er unter seinen Brustpanzer und holte ein weißes Tuch hervor; eigentlich war es dazu da, sich ergeben zu können, aber …

      Es wird ausreichen, schätze ich.

      Mit Schwung warf er das weiße Tuch in die Luft, wandte sich mit einem Lächeln ab und trat dann aus der Lounge des Ordens hinaus.

      Von unten konnte er noch Lyras' Ruf hören.

      „Hiermit erkenne ich die Zunft der Kurtisanen, Musikerinnen und Tänzerinnen als eigene Gilde an, was ihnen all die Rechte einer Gilde gibt. Vorsitzende wird Cristina Rosa! Die Sitzung ist hiermit beendet!“

      Mit einem breiten Lächeln stieg Aaron die breiten Stufen hinab; er hatte einen Mord zu klären.

      II

      Es hatte begonnen zu regnen.

      Schwere Regentropfen erschwerten die Sicht, der Wind peitschte ihr das Wasser ins Gesicht und Luciana zog die Schultern an, starrte auf den Rücken des Pferdes, versuchte das Zittern zu unterdrücken.

      Wieso tue ich das überhaupt? Ich habe immer noch die Wahl. Ich könnte einfach nach Hause reiten und es dabei belassen, dass ich General Aaron enttäuscht habe. Es wäre so leicht …

      Aber gleichzeitig wusste sie, dass sie das nicht konnte. Godric war tot und sie hatte die Möglichkeit dabei zu helfen, den Mörder zu fassen – da war sie ihm schuldig!

      Wenn sie Aaron schon dabei unterstützen konnte, dann würde sie es auch tun. Sie hatte da tatsächlich einen alten Freund, der ihr vielleicht dabei einen Ansatzpunkt liefern konnte, wo etwas über den Mörder herauszufinden war.

      Einen Mann, der Kontakt zu den besten Informationsverkäufern in Moréngard hatte.

      Damien Keldan … ob er sich überhaupt noch daran erinnern wird, dass ich ihn vor Azard und seinen Männern gerettet habe?

      Das war vor beinahe acht Jahren gewesen und sie bezweifelte es stark, doch versuchen konnte sie es; wenn es nicht klappte, so konnte sie wenigstens ihr Gewissen beruhigen.

      Leise klapperten die Hufen auf die Straße, begleitet vom Rauschen des Regens. Passanten rannten über die ansonsten verlassene Straße, suchten fluchend Schutz vor dem kalten Nass. Donnernd explodierten Blitze im bewölkten Himmel und irgendwo bellte ein Hund, fauchte eine Katze. Die wenigen Lichter kamen von den Häusern und einigen Fackeln, die das Glück hatten, irgendwo im Trockenen zu hängen. Ihr Ziel lag an der Flussgrenze der Unterstadt. Schaudernd zog sie den Kopf ein und ignorierte die kalten Stiche der Regentropfen auf ihrer Haut, schaute unablässig auf die Schultern ihres Pferdes. Es kannte den Weg, war ihn schon so oft geritten. Aaron hatte Ethgar in Verdacht, Godric ermordet zu haben. Den Mann, der dafür gesorgt hatte, dass man sie in den Orden aufnahm. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, als sie die Zügel fester umschloss, ihre Lippen bebten. Diese Banditen hatten ihn gehasst – und die Überlebenden taten es immer noch!

      Nicht Ethgar, sondern die Banditen haben Godric umgebracht, da bin ich mir ganz sicher! Aaron kann, er darf nicht Recht haben! Nicht dieses Mal!

      Zitternd sah sie auf. Die Straße war wie leer gefegt, keiner war mehr unterwegs. Alle hatten sie Schutz gesucht vor dem Sturm, der seit einigen Tagen über der Stadt hing. Im Winter! Die letzten Winter hatte es immer einen klaren Himmel gegeben, Sonne und lachende Kinder, die im Schnee spielten. Dieses Jahr war es düster, die dunklen Wolken verhängten beinahe immer den Himmel und es war ungewöhnlich kalt, selbst für einen Winter in Moréngard.

      Langsam ritt sie die Straße entlang und dachte an den Mann in dem schwarzen Mantel, der sie gerettet hatte. Er war erstaunlich gebildet gewesen für jemanden, der sich mit Banditen abgab, er hatte sein Schwert schneller gezogen, als sie es von einem normalen Mensch für möglich gehalten hätte und das Wichtigste: er hatte sie verteidigt! Gegen eine Meute von mordlustigen Muskelpaketen. Alleine!

      Schon von Weitem konnte man den Fluss hören. Der Wind peitschte ihr den Regen ins Gesicht, heulte laut auf und doch konnte sie genau hören, wie die Wellen des Flusses gegen die Promenade krachten, die am Ufer entlang führte. Das Pferd wieherte beleidigt und legte die Ohren an, verfiel in einen leichten Trab. Das Unwetter machte es anscheinend nervös. Zärtlich streichelte sie den Hals des Pferdes und sah auf, als sie die Promenade erreichten.

      In der Ferne konnte sie durch den Regenschauer die große Brücke erkennen, die zur Oberstadt führte. Sie war nur schemenhaft erkennbar, nur für kurze Augenblicke, wenn der Wind einmal kurz den Regen beiseite wehte. Bis zur Brücke war es noch ein langer Weg. Doch sie wollte ohnehin nicht zu der Brücke. Nicht heute. Ihr Ziel lag ganz in der Nähe, jedoch noch auf der Seite der Unterstadt. Bibbernd gab sie ihrem Pferd die Sporen und wickelte sich dabei enger in den zu ihrem Leidwesen viel zu dünnen Mantel. Das Wasser des Flusses war stark angestiegen und so hoch, dass Luciana fürchtete, es könne eine erneute Flut geben, wie vor vier Jahren, als es so heftig geregnet hatte, dass der Fluss die ganzen Slums unter Wasser gesetzt hatte. Hunderte von Menschen waren gestorben, entweder ertrunken oder, was noch viel schlimmer war, erbärmlich dahingeschieden an irgendwelchen