Steintränen. Manja Gautschi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manja Gautschi
Издательство: Bookwire
Серия: Steintränen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742797964
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konnte man nur?

      Zylin hielt sich jeden Löffel voll Eintopf erst unter die Nase und genoss diesen herrlichen Duft. Seit Jahren wurde er in Sarg künstlich ernährt, damit man ihn fixiert lassen konnte. Er ass den Eintopf also ganz langsam und schloss zeitweise sogar die Augen beim Kauen, damit er sich voll und ganz auf den sich im Mund verteilenden Geschmack konzentrieren konnte. Ungewohnt, wieder feste Nahrung zwischen den Zähnen zu spüren. Die Fleischstücke zerbiss er sorgfältig und genoss wie es eigentlich schon alleine zerfiel, kaum dass man darauf biss. Köstlich fand er. Und abgesehen davon war der Eintopf wirklich gut. Allerlei Gemüse, Kartoffeln und Rindfleisch, alles mitgebrachte Produkte von der Erde. Typisch Mensch, halt, ein Gewohnheitstier.

      Da er Zylins Gesicht unter der Kapuze von der Seite her nicht erkennen konnte, beugte sich Bob für alle deutlich sichtbar nach vorne um Zylin beobachten zu können und musste Grinsen als er sah, wie dieser ‚ach so harte’ Typ sein Essen, so ein gewöhnlicher Hausmannskost-Eintopf, zu geniessen schien. Prompt musste ihn Bob damit aufziehen, er konnte es sich nicht mehr verkneifen „Na ja, ich finde das Essen auch gut, aber dass es solch hochwertige Kost ist, war mir entgangen. Ich glaube, ich hatte nicht dasselbe, oder?Bob grinste, nein, er lachte schallend und wartete auf eine Reaktion Zylins. Endlich konnte sich Bobs Seele etwas Luft verschaffen, nachdem er sich diesem Kerl gegenüber bisher so hatte verkrampfen müssen.

      „Bob“ unterbrach Zylins tiefe, ruhige Stimme Bobs Gelächter überraschenderweise, sodass Bob abrupt aufhörte zu lachen und seinen Nachbarn erstaunt mit grossen Augen ansah, auch wenn er nur an eine Kapuze blickte, sagte aber nichts. „Das ist dein Name, oder?“ sprach Zylin weiter und Bob erwachte aus seiner Starre „Äehm, ja.“ fing er zögernd an. Bob setzte sein freundlichstes Lächeln auf „Natürlich, wir wurden uns noch gar nicht vorgestellt.“ er streckte Zylin jetzt schon strahlend seine Hand hin „Mein Name ist Bob Miller, aber Sie können mich Bob nennen.“ etwas verwirrt und unsicher zog er die Hand schnell wieder zurück als Zylin die Geste nicht entgegnete. „Äehm, wie soll ich Sie denn nennen?“ fragte Bob ganz nett nach, obwohl er eigentlich lieber sagen wollte ‚Du Arschloch. Ich weiss verdammt noch mal nicht, was Du hier zu suchen hast. Ich will nur wissen wer du eigentlich bist.’ Aber Bob behielt seine Haltung und blieb höflich und freundlich, wie es sich gehörte, dachte er. Obwohl ihn dieser Typ bereits erneut beleidigt hatte, indem er ihm seine Hand nicht hatte geben wollen.

      Zylin beugte sich vor, stützte seine Ellbogen auf die Knie, in der linken Hand die Schale mit Eintopf, nahm noch einen Löffel voll, schluckte und antwortete „Gar nicht.“

      Darauf Bob: „Wie bitte? Wie meinen Sie das?“ „Das hast du schon verstanden.“ „Hein?“ „Du bist doch Deks neuer Schützling, dann hast du genug mit ihm zu tun. Lass mich einfach in Ruhe. Begriffen?“ ‚Nein hatte er nicht’ dachte Zylin weiter, der Bobs Gedanken energisch an den Kopf geknallt bekam. ‚Der Idiot würde in weiter nerven.’

      Amüsiert beobachteten einige Bobs offensichtlich ansteigende Wut, die er immer weniger unter seinem aufgesetzten Lächeln zu verbergen mochte. Bob fühlte sich aufs Neue blamiert von diesem unzivilisierten Sträfling, der aus seiner Sicht sämtliche Berechtigung verloren hatte, auch nur irgendwie respektvoll behandelt zu werden. So jemand sollte sich ganz kleinlaut benehmen und sich allen Respekt erst wieder verdienen. Innerlich war Bob bereits völlig fassungslos. Jetzt hatte er sich alle Mühe gegeben und war nett und anständig und freundlich, wie es sich gehört und dieser Abschaum behandelte ihn wie einen kleinen dummen Jungen!! Als wäre er niemand!

      Nach einem Blick in die Zuschauerrunde wollte sich Bob also keine Blösse geben „Was glauben Sie eigentlich wer Sie sind?!“ er war wütend, beherrschte sich nur noch so gut es ging „Mit wem ich rede und mit wem nicht geht Sie gar nichts an! Ich nehm doch keine Anweisungen von einem verurteilten Verbrecher, ja Mörder!, ohne Anstand entgegen.“ Bob kochte, wurde aber nicht lauter. Zylin stand indes seelenruhig auf, ging zum Eintopf, schöpfte sich noch eine Portion und als er sich wieder umdrehte, stellte sich ihm Bob zackig in den Weg. „He! Ich rede mit Ihnen. Das ist doch eine Unverschämtheit! Und nehmen Sie endlich diese blöde Kapuze ab, das ist Unhöflich und hier wird es wohl kaum regnen!!“ Zylin blickte dem gut 15cm kleineren Bob von oben herab weiterhin ganz gelassen in die Augen, mit links hielt er die frisch aufgefüllte Schale mit Eintopf, die Situation wirkte irgendwie unwirklich und es wäre schade um den herrlichen Eintopf, fand er. Also kein Handgemenge. 'Bleib ruhig' sagte er sich.

      Spätestens jetzt unterbrachen alle ihre Gespräche und sahen den beiden gespannt zu. Für einen Moment sprach niemand. Zylin spürte und hörte wie die einen nach einem unterhaltsamen Kampf lechzten, während die anderen auf ein friedliches Ende hofften. Nur das Feuer knisterte und eine explosive Spannung sondergleichen lag in der Luft. Zylin ermahnte sich erneut ‚Denk an den Eintopf, kein Handgemenge! Es wird schon kommen, wie es soll.’

      Zylin senkte seinen Kopf, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten „War doch ganz einfach, oder?“ flüsterte er, hob den Kopf wieder, machte einen Schritt zur Seite und ging an Bob vorbei. Damit entspannte sich die Stimmung vorerst und ein allgemeines Kichern erfüllte das Zelt. Es erhob sich wieder gedämpftes Geplauder und der alleine vor dem Feuer stehende Bob war definitiv komplett bloss gestellt, zum kleinen Jungen deklariert und überrumpelt und überrascht. Alle schienen zu begreifen, was das eben sollte, nur er nicht!

      Er drehte sich um und ging Zylin nach „He! Was soll das heissen?“ Zylin hielt inne ‚Der Eintopf, kein Handgemenge’ sagte er sich erneut. Also drehte er sich nicht um „Du magst mich doch gar nicht. Dann kannst du dir deine aufgesetzte Freundlichkeit schenken. Ich respektiere deine Meinung, dass du neugierig bist. Aber sag es direkt. Du hättest nur offen fragen brauchen, ohne mit deinem aufgesetzten Lächeln herum zu heucheln, dann hätte ich dir gleich sagen können: Ja, ich war einmal wie du: Dachte, ich wüsste wie's läuft. Bin Commander geworden, habe Menschen getötet und dann meine Meinung geändert. Und es war nicht meine Entscheidung hier zu sein. Ich sagte das bereits bei unserer ersten Begegnung. Schon vergessen? Also lass mich gefälligst in Ruhe. So einfach.“ Damit machte sich Zylin auf das Zelt zu verlassen um draussen fertig zu essen, bevor er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Es wäre schade um den herrlichen Eintopf.

      „He! Du...Sie...He! können mich doch nicht mitten im Gespräch stehen lassen. Hierbleiben!“ Bob griff nach seiner Tasche und brummelte „Jetzt will mich der über Umgangsformen belehren. Dem zeig ich’s. Na warte! Elender Klugscheisser!“ er nahm den Halsbandfunksender heraus. Da griff ihn Isara an der Schulter und bat ihn „Komm Bob, lass gut sein.“ aber Bob zog gehässig seine Schulter unter Isaras Hand weg und drückte den Knopf. Ein gelbes LED-Lämpchen blinkte auf.

      Schadenfroh beobachtete Bob, was Zylin jetzt wohl machen würde. Ganz eindeutig hatte er ihm damit gezeigt, wer hier am längeren Hebel und wer hier der Sträfling ist.

      Kurz nach Bobs Knopfdruck spürte Zylin auch prompt, wie sich eine feine Nadel in seinen Hals bohrte und eine Flüssigkeit hineingespritzt wurde. Es betäubte ihn nicht, Bob hatte nur einen Warnstich ausgelöst, aber Zylin spürte es trotzdem, die Stelle schmerzte, wurde heiss und fing an zu brennen. Darauf blieb Zylin nochmals stehen, drehte den Kopf zur Seite und überlegte für einen Moment, ob er nicht doch zurück gehen sollte um diesem Idioten mindestens die Nase zu brechen. Als Bob auch noch stolz „Ha!“ posaunte, viel es ihm wirklich schwer, sich für den Eintopf zu entscheiden und nach endgültig draussen zu gehen. Was hatte eigentlich auch anderes erwartet?

      Siegesbewusst setzte sich Bob derweil zurück auf seinen Platz und verstaute den Funksender zurück in seiner Tasche unter Beobachtung aller im Zelt Anwesenden. Mittlerweile hatten nämlich erneut alle aufgehört zu essen und reden, stattdessen blickten sie ihn an. Takwo, Sila und Isara schüttelten die Köpfe. Captain Dek hatte sich hinter Bob gestellt und streckte seine Hand aus. Sein Gesichtsausdruck versprach nichts Gutes.