Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
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diese Rolle nicht gebeten, man hat sie mir auferlegt als sich meine Eltern trennten. Statt, dass sich die Eltern um die Kinder kümmern, hab ich die Pflicht auferlegt bekommen, für die Familie und all deren Belange zu sorgen. Mir wurde die Verantwortung übertragen. Aus dieser Rolle hab ich nie wieder rausgefunden. Ich trug die Verantwortung für die Mutter, die Schwester, die Tante und deren Familie, Sohn, Mitarbeiter, Exfreunde, die sich nur zu gerne von mir leiten liessen. Komisch, ich hab mir immer vermeintlich starke Männer verliebt, so der erste Eindruck, wohl in der Hoffnung, sie würden sich endlich mal um mich kümmern, stattdessen hab am Ende doch wieder ich die Rolle des starken Mannes gehabt. Hab ich realisiert, dass die starke Schulter doch nur meine eigene ist, wollte ich nicht mehr.

      Ich hab die Verantwortung für meinen Sohn getragen, war Mutter und Vater gleichzeitig, hab im Job Leute geführt. Meine Schwester hatte sich bei allem an mich gewandt und auch für meine Tante und ihre Familie war ich erste Anlaufstelle wenn was war.

      Vor zwei Jahren hab ich die Führung aufgegeben. Keine Führung im Job, hab mich von der Familie zurückgezogen, ich will mich nicht mehr um ihre Probleme kümmern, ich will ihnen beim ewigen Gejammer nicht mal mehr zuhören. Matteo ist schon erwachsen und ich muss loslassen. Er muss eigene Entscheidungen treffen, er hat auch das Recht, Fehler zu machen und daraus zu lernen.

      Wer bin ich nun? Ich weiss gar nicht wie das ist, sich nicht um jemand oder etwas kümmern zu müssen, mir Sorgen machen, aber eigentlich will ich das doch gar nicht mehr. Ich will mal geführt werden, ich will mich leiten lassen, mich anlehnen, umsorgen lassen, sicher und geborgen fühlen und vertrauen haben. Ich muss grad nur für mich selbst die volle Verantwortung tragen und weiss gar nicht, wie das geht. Ich hab so viel Zeit und beschäftige mich nur noch mit mir selbst. Geh mir mächtig auf den Sack.

      Ich frag mich, wie wäre mein Leben geworden, wenn mein Grossvater nicht so früh gestorben wäre, wenn er immer noch am Leben wäre oder wenn ich einen richtigen Vater gehabt hätte?

      "Einen richtigen Vater" das hört sich grad irgendwie hart an. Kann ich ihm wirklich Vorwürfe machen? Seine Eltern waren ja keinen Deut besser als meine, woher hätte er denn lernen sollen, wie man ein guter Vater wird? Keine Sau hat sich drum gekümmert, ob er in der Schule durchfällt, in der vierten Klasse wie ein Loch säuft, wo er sich rumtreibt. Er selbst hat ja nie Liebe bekommen, auch nicht von meiner Mutter. Zu seiner Verteidigung kann ich nur anbringen, wäre ich mit ihr verheiratet gewesen, hätte ich auch 24 Stunden am Tag gesoffen.

      Klar, sie ist das Opfer. Die arme Ehefrau eines Alkoholikers. In Wahrheit war sie schon immer eine neidische, frustrierte, verlogene Kuh. Er war ein Säufer, aber selbst im grössten Suff war sein Charakter besser als ihrer. Er war nie neidisch auf andere, jedenfalls ist das etwas, dass mir bei ihm nie aufgefallen wäre. Er hat auch nie versucht Streit und Unfrieden zwischen anderen zu stiften, er hat nie jemandem das Glück missgönnt. Er hat ja kaum was bewusst wahrgenommen.

      Wie es in ihm drinnen aussah, ob das irgendjemand wusste? Er was Hohn und Spott ausgesetzt, er liess alles an sich abprallen, lachte oft selbst darüber. Als Kind denkt man nicht darüber nach, als Erwachsene sieht man das etwas differenzierter. Das alles kann nicht einfach für ihn gewesen sein. Aber auch er hatte niemanden, an den er sich hätte anlehnen können. Ich hab Mitleid mit ihm, hatte ich auch bevor er starb. An meiner Denkweise hat sich durch seinen Tod nichts geändert. Aber alle anderen rennen nun ständig zum Friedhof, zahlen Messen, sagen Sätze wie "och der Arme" statt wie früher "Tztztz, hast du gesehen, wie der aussieht? So ein Säufer" Plötzlich plagt sie das schlechte Gewissen, nicht weil sie ihn wirklich bedauern, sondern weil man mit dem Tod konfrontiert wurde und sich bewusst wird, dass er einem selbst auch über den Weg laufen wird, dann will man doch möglichst gut dastehen.

      Ich will ihn nicht entschuldigen, eigentlich kann ich heute gar nicht sagen, wer mein Vater überhaupt war. Ich hab ihn vor 16 Jahren das letzte Mal kurz gesehen und davor hatten wir auch acht Jahre keinen Kontakt. Ich hab keine Ahnung, ob mein Vater ein guter oder ein schlechter Mensch war, ich weiss nichts über ihn und es hat mich auch nicht interessiert. Er war ein Alkoholiker und kein guter Vater als ich ein Kind war. Ich bin ohne ihn aufgewachsen und er hat mir in meinem Leben nie gefehlt. Ein Vater hat mir gefehlt, aber nicht mein Vater. Aber ich hab ihm gegenüber keine Wut.

      Als meine Eltern sich trennten, war ich bei der ersten Trennung 10 und bei der zweiten 12 Jahre alt. Ich musste mich rechtfertigen, wenn ich ihn in seiner Stammkneipe besuchte. Meine Mutter meinte immer, dieser Alki wäre mir lieber als sie, was ja auch stimmte, nur war das meiner Mutter ein unglaublicher Dorn im Auge und verschaffte mir zusätzliche Strafen.

      Als ich 15 war, kam ich nach Hause, Mutter hatte ihn geholt damit er mich bestraft. Er hat es auch getan, war sehr wütend, sogar meine Mutter war über seine Wut überrascht. Komisch, dass er mich für etwas bestraft hat, worauf er eigentlich weder vorher noch nachher grossen Wert gelegt hatte. Seitdem hab ich ihn einmal gesehen, ich brauchte Unterlagen für meine Ausbildung, aber Livia sagte ihm, sie würde sie brauchen, hätte ich gesagt, sie wären für mich, hätte er sie nicht rausgerückt.

      Seit meiner offenen Rebellion mit 16 war ich für meine Eltern der kriminelle Abschaum, der sich mit Kriminellen herumtreibt, klaut und Scheisse baut. Für meine Mutter war ich schon seit meiner Geburt der Abschaum. Sie sah mich als ihre Bestrafung an. Seit ich denken kann, waren Sätze wie „Du bist das Kind des Teufels“ „Der Teufel soll dich holen “. Ihr Lieblingssatz „Hoffentlich wirst du nie im Leben Glück haben“ war an der Tagesordnung. Tja, Wunsch erfüllt, würde ich mal sagen.

      Sie scheint schon lange an Alzheimer zu leiden, meine damaligen Freunde hätten mich nie zum Klauen mitgenommen, im Gegenteil. Es war meine Mutter, die mich seit ich vier war, zum Klauen geschickt hat. Zuerst den Grossvater väterlicherseits und später meinen Vater. Ich durfte meinem Grossvater natürlich auf keinen Fall davon erzählen.

      Der hat mir nämlich beigebracht, dass man auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen stehlen darf. In dieser Hinsicht, bei stehlen und lügen, war er erbarmungslos.

      Mein erstes Mal, dass ich für mich geklaut habe, war unabsichtlich. Ich war mit zwei Schulfreundinnen in einer Papeterie, wir haben Schulsachen angeschaut, Radiergummis in allen möglichen Farben und Formen. Als ich dann zu Hause war und meine Taschen leerte, fand ich einen Radiergummi in meiner Hose. Ich bin so erschrocken, denn ich hab ihn wirklich nicht absichtlich genommen. Ich bin zur Papeterie zurück und bin vor der Tür rauf und runtergelaufen, wollte den wieder zurückgeben, aber hatte Angst, die glauben mir nicht, dass es wirklich keine Absicht war sondern ein Versehen. Ich war damals zehn. Am Ende hatte ich doch nicht den Mut reinzugehen und hab ihn weggeworfen.

      Das zweite Mal hab ich bei der Schulfreundin zu Hause Puppenkleider mitgehen lassen. Warum weiss ich nicht. Ich hab meine Hosentaschen mit diesen Kleidern gefüllt und ihr dann einen Tag später diese auch noch gezeigt. Natürlich wusste sie, dass es ihre Sachen sind und wollte sie zurück haben. Ich hab behauptet, es wären meine. Ich hab nicht gelogen, ich hab wirklich geglaubt, es wären meine und war wütend, weil ich sie zurückgeben musste, ihre Mutter hat es verlangt. Ich hatte gar keine Puppen und ich spielte auch nicht gern mit Puppen.

      Dann hab ich mit 16 ein paar Sachen geklaut, weil ich wissen wollte, ob ich das kann. Ich hab es gleich weiterverschenkt, mir ging es nur darum, meine Fähigkeiten zu testen. Im Restaurant dann hab ich einkassiert, ohne getippt zu haben, daran hab ich mich tatsächlich bereichert, in meinen ersten Restaurantjobs.

      Seit vielen, vielen Jahren schon, nehm ich absolut nichts Fremdes mehr. Sogar wenn mir nach Sitzungen ein Kugelschreiber in der Handtasche übrigbleibt, achte ich darauf, den gleich wieder ins Büro zurück zu bringen. Nicht weil ich Angst habe erwischt zu werden, sondern weil ich mich unwohl fühle, etwas zu haben, was nicht mir gehört. Ich will es nicht. Aber es war im Grunde meine Mutter, die mir das beigebracht hat. Erwähnte ich das hin und wieder, dann winkte sie das ab und lachte darüber „Ach das war doch nicht so ernst gemeint. Das waren andere Zeiten.“ Sie ist sich keiner Schuld bewusst. Schliesslich ist sie ihr Leben lang das arme Opfer und das Leben hat es gar nicht gut mit ihr gemeint, dass sie mich zum Stehlen geschickt hat, lag nur daran, dass es ja ihr rechtmässiges Geld war.

      Alle meinten immer, für sie sei es nicht leicht, ich würde das verstehen, wenn ich mal selbst Kinder