Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
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ich sag ihm ja auch nicht, warum ich solche Panik habe, ihn zu treffen. In meiner Vorstellung ist er schön, intelligent, witzig und ich hässlich, fett, langweilig und krank im Kopf. Ich kann mich dem einfach nicht stellen. Ich will die Enttäuschung in seinen Augen nicht sehen. Ich kann nicht, reagiere panisch nur schon beim Gedanken daran.

      Auf den Tag genau drei Monate nach unserem ersten Chat, lädt er mich spontan zum Abendessen ein. Er hat am Abend im Chat auf mich gewartet und mir unzählige Nachrichten geschrieben, damit ich endlich online komme. Er hat selten Zeit, abends zu chatten und ich bin auch nicht drin, aber wenn er Zeit hat, dann geht er online, schreibt mir immer wieder in die Mailbox „komm online“ und ich folge jedesmal wie blind, obwohl ich gar nicht rein will, laufe ich zum Laptop und logge mich ein, als würd ich ihn rufen hören.

      Auch diesmal, er wartet auf mich. Ich lehne die Einladung robust ab. Wir haben das Thema schon ausdiskutiert und es sei erledigt. Er ist sehr verletzt und zwischen uns bricht es, wir werden uns nicht einig. Er ist sehr getroffen wegen meiner heftigen Ablehnung. Er beendet es. Er loggt sich aus und ich starre noch eine ganze Stunde auf den Satz „Es ist beendet.“

      Ich lese ihn, aber er kommt nicht an, ich fühle in dem Moment nichts. Wie betäubt mache ich mich bettfertig. Ich fühle immer noch nichts. Erst als ich im Bett liege und mich schlaflos hin und herdrehe, kommt es langsam an. Es ist beendet.

      Es trifft mich. Der Schmerz trifft mich heftig. Mein Handy ist neben mir und ich starre drauf, ich hab das so sichere Gefühl, er kämpft mit sich, ob er anrufen soll. Ich fühle ihn mit sich kämpfen und flehe, ruf an. Er hat meine Nummer. Aber er tut es nicht. Ich gehe mitten in der Nacht online, und sehe, dass er fünf Minuten vorher drin war, aber schon wieder weg ist. Gegen Morgen schlafe ich endlich ein.

      Der seelische Schmerz ist da. Auch wenn nicht mehr so oft wie früher, aber er besucht mich immer wieder. Einmal am Tag sicher. Wenn ich Glück habe, verlässt er mich nach ein paar Minuten wieder und wenn ich Pech habe, dann hält er den ganzen Tag an. Es ist als würde eine Faust meine Seele umschliessen und zusammenpressen. Ich bekomme keine Luft, ich kann keinen klaren Gedanken fassen, ich bin rastlos, weiss nicht wohin mit mir. Ich atme tief durch, ich versuche es zu lösen, versuche mich zu beruhigen. In diesen Momenten bin ich richtig verzweifelt.

      Trotz Therapie, trotz der Tatsache, dass es mir immerhin schon besser geht und ich wirklich weitergekommen bin, schaff ich es nicht, dieses Problem zu lösen. Ich weiss nicht, woher er kommt, weiss nicht, was ihn auslöst. Ich flehe täglich um eine Antwort, aber ich krieg keine. Da ist auch noch der Druck in der Brust, der mir auch die Luft raubt. Auch da flehe ich täglich um Antwort, warum das so ist, aber auch da bekomme ich einfach keine. Alles Mögliche lass ich mir als Ursache durch den Kopf gehen, aber nichts passt richtig. Zwei Wochen nach Jacks letzter Nachricht war der Schmerz permanent da, aber so langsam geht es wieder, er gönnt mir immer grössere Ruhepausen.

      Wenn die Sehnsucht nach Jack mich packt, wenn mich die Traurigkeit über seinen Verlust befällt, hab ich auch das Gefühl, ich kann nicht mehr atmen, aber es ist nicht dieser Schmerz. Es ist etwas anderes, ich weiss aber nicht was.

      Immerhin kenne ich mittlerweile die Unterschiede in meinen Gefühlen. Auch wenn ich die Ursache nicht kenne. Als sie alle über mir zusammenbrachen, konnte ich sie nicht unterscheiden.

      November 2014

      Der seelische Schmerz ist seit Monaten mein treuster Begleiter, nur in den Momenten, in denen ich mit Adi schrieb, liess er mich in Ruhe. Nach dem Satz „Es ist beendet“, gehe ich am Donnerstagmorgen mit verweinten Augen ins Büro. Ich fühle mich elend. Ich halte den Schmerz fast nicht mehr aus. Salba und Rina, auch eine Arbeitskollegin, raten mir schon seit einer Weile, mir endlich Hilfe zu suchen, sie sorgen sich bei meinem Anblick um mich. Beide haben Zusammenbrüche hinter sich, Therapie, Medikamente. Wissen, was der Job anrichten kann und sehen mir bei meinem wöchentlich fortschreitenden Zerfall zu, aber ich will nichts davon hören. Ich brauche sicher keine Therapie. Nie im Leben würde ich zu einem Psychiater gehen. Das ist Humbug, ich halte nichts davon.

      Der Tag ist eine unendliche Qual, ich starre den ganzen Tag den Chat an und flehe, er soll reinkommen, aber er tut es nicht. Zum ersten Mal seit wir uns kennen, bleibt er den ganzen Tag fern. Ich kann nichts anderes tun als drauf zu starren, ich kann nicht denken, ich kann nicht atmen. Ich schreibe niemandem, ich starre einfach. In der Mittagspause nimmt mich Salba einfach in den Arm, ohne was zu sagen, und ich weine bitterlich.

      Nichts und niemand sonst bietet mir Ablenkung. Einzig Steve, ein verheirateter Chatsüchtiger, mit dem ich oft gute Unterhaltungen habe, kann mich am Nachmittag ein bisschen trösten, auch wenn er nicht weiss, weshalb ich so leide. Aber das Gespräch mit ihm über alles Mögliche, beruhigt mich etwas, lässt mich für kurze Momente an etwas anderes denken.

      Wie immer gehe ich donnerstags nach Hause, um zu weinen. Nur an diesem Donnerstag ist es tausend Mal schlimmer. Es ist nicht nur weinen, es sind Höllenqualen, es ist Panik. Ich habe Angst um sich selbst. Die DVD von B. läuft im Dauermodus. Ich hab Angst sie auszuschalten, weil ich denke, ich werde sonst durchdrehen. Es beruhigt mich immerhin ein bisschen.

      Am Freitag geht es genau gleich weiter. Ich schreibe alles, was mein Handy an Kontakten zu bieten hat an, das ist leider nicht viel. Aber niemand hat Zeit oder Lust auf ein Treffen. Ich brauche dringend jemanden zum Reden. Jetzt! Doch da ist niemand, denn ich hab noch nie jemand zum Reden gebraucht.

      Schlussendlich bin ich so verzweifelt, dass ich die Suchmaschine nach Psychotherapeuten durchstöbere. Ich hatte noch nie solche Angst um mich selbst, ich schaff alles, aber diesmal nicht. Es ist nichts von ausserhalb wovor ich mich fürchte, es ist innendrin. Ich bin ratlos und weiss mir selbst nicht mehr zu helfen, verlier ich jetzt den Verstand? Die DVD läuft wieder in Endlosschleife. Da gerade Mittag ist, sind bei fast allen nur die Anrufbeantworter an. Ich wähl mich durch die Liste durch. Frau M. nimmt ab, ich erklär ihr, dass ich kurz vor einem Zusammenbruch stehe und dringend mit jemand reden muss. Wir vereinbaren einen Termin für den kommenden Freitag. Doch wie soll ich die Tage bis dahin überstehen?

      Ich laufe vom Wohnzimmer, zur Küche hin und her, weiss nicht, was ich will, was ich denken, was ich tun soll. Ich weiss nicht, wohin mit mir. Salba hat mir Tabletten auf natürlicher Basis und rezeptfrei empfohlen, ich hol sie in der Apotheke. Am Abend nehm ich eine und etwa eine halbe Stunde später fühle ich nichts ausser Müdigkeit. Ich geh ins Bett, schlafe sofort ein und auch durch.

      Am nächsten Morgen erwache ich, fühle immer noch nichts. Ist es möglich? So einfach ist das Problem gelöst? Ich trau dem Frieden nicht ganz. Setz Kaffee auf, rauche. Mit jeder fortschreitenden Minute, kommt alles langsam wieder zurück. Nach nicht mal einer Stunde hat mich die innere Hölle vollumfänglich wieder.

      Ein weiterer Tag, den ich nur weinend, rastlos, einsam und verzweifelt verbringe. Am Abend nehme ich wieder eine dieser Tabletten und es verläuft genau gleich. Ich bin müde, ruhig, gehe schlafen, wache auf, fühle nichts und dann kommt alles wieder zurück, bis es unerträglich ist.

      Ich beschliesse, keine mehr zu nehmen. Ich werd verdammt noch mal da rauskommen. Flashbacks tauchen vor meinem inneren Auge auf. So viele Fehler, die ich in den letzten Jahren begangen habe. Während ich dachte, mir geht es gut, mit meinem Leben geht es bergauf, hab ich nicht gemerkt, wie ich im Grunde falle. Ich bin schon seit Jahren in einer Abwärtsspirale. So viele Warnungen, Hinweise hab ich ignoriert. Mir kann nichts passieren, ich bin tough, ich bin stark. Bäh, was für ein Schwachsinn. Ich hab mich selbst belogen. Stattdessen hab ich mich immer mehr zurückgezogen, immer weiter von mir selbst entfernt. Ich hab mich am Ende völlig verloren und bin vereinsamt. Ich hab sie nicht erkannt. Ich habe die Angst, die mich in den Würgegriff nahm und immer fester zupackte, nicht erkannt. Ich habe es schon gewusst, es war mir aber nicht bewusst. Die Antwort ist mir seit drei Monaten vor der Nase und ich hab’s nicht gesehen.

      Ich wusste, es hat einen Grund, warum ich Adi begegnet bin und dass er es beendet hat, ist das Beste, was mir passieren konnte. Dieses Wissen ist da. Er ist aufgetaucht, um mir einen Spiegel vorzuhalten, in dem ich mich und meine Fehler erkennen soll. Er hat mich daran erinnert,