Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
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hatte ihn nicht zu ihrer Hochzeit eingeladen. Sie haben ihn danach besucht, er hat ihren Ehering gesehen und hatte sich genau den gleichen gekauft. Es war etwas makaber, aber ich denke, er wäre einfach gerne dabei gewesen und so fühlte er sich wohl dazugehörig. Livia war immer ein Mamikind und hat wegen ihr, ihn nicht eingeladen. Sein Hochzeitsgeschenk hat sie selbstverständlich angenommen. Auch sie hat er jedes Jahr angerufen, aber sie ging nicht ran, er redete immer nur mit dem Schwager. Jetzt weint sie um ihn.

      Ich fühl mich nicht wohl in dem Raum. Ich hab Angst, horche ob der Typ noch draussen steht. Es ist ein ganz komisches Gefühl, da mit ihm im Raum zu sein. Und je länger ich bleibe, desto unangenehmer wird es. Ich hab richtig Gänsehaut, ein Schauer durchläuft mich. Es ist beängstigend, ich verabschiede mich und gehe.

      Nach und nach kommen ein paar Leute. Sein Neffe, der Bruder von dem, der die Woche zuvor gestorben ist. An der Beerdigung seines Bruders war er nicht, aber hier steht er nun zusammen mit seinem Sohn im Teenageralter. Ich hab meinen Cousin seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen, obwohl wir in der gleichen Stadt wohnen. Seinen Sohn noch nie. Es kommen noch weitere entfernte Cousins samt Familien, die wohnen aber bei mir im Quartier und hin und wieder treff ich sie unterwegs. Ein paar Freunde meines Vaters. Livia fragt, ob er schon im Sarg ist, sie würde sich gerne verabschieden, aber will ihn nicht sehen. Sie kann rein. Mutter will auch, ich verbiete es „Nein. Du wirst da ganz bestimmt nicht reingehen. Du wirst mir hier auch nicht die trauernde Witwe spielen. Du bist seine Ex-Frau, die nie ein gutes Wort über ihn verloren hat. Jetzt kannst du es auch lassen.“ Ich schaue sie wütend an und sie wagt kein weiteres Wort. Sie hat ihre Macht schon vor langer Zeit eingebüsst und nicht den Mut mir entgegenzutreten. Ich werde ihr keine Gelegenheit bieten, sich hier aufzuspielen und theatralisch ihre übliche Opferrolle zu vollführen. „Das hier ist die Generalprobe für dich. Du kannst noch Änderungswünsche anbringen.“ Sie reisst erschrocken die Augen auf.

      Der Sarg wird, vom Pfarrer angeführt, hinaus gebracht. Wir stehen im Halbkreis, links neben mir Matteo und Jimmy, mein Lieblingscousin und Sohn meiner Tante, rechts Livia. Matteo ist still, hat den ganzen Tag kaum ein Wort gesprochen. Ich bedaure ihn, er hat seinen Grossvater nie richtig kennengelernt und jetzt steht er an seinem Sarg. Livia weint die ganze Zeit, schnäuzt die Taschentücher voll. Ich steh einfach da, sehe mir die Leute an. Manche seiner Freunde kenne ich noch aus meiner Kindheit, sie waren wie er Saisoniers. Andere kenne ich überhaupt nicht. Ich bin dankbar, dass sie da sind. Gleichzeitig bin ich wütend, von seinen Geschwistern ist keiner da. Sie haben jahrelang von ihm profitiert, seiner Schwester hat er viel Geld in den Rachen geschoben, aber sie ist zu müde und muss sich von ihrem Urlaub erholen, kann deshalb nicht dabei sein. Meine Cousins und Cousinen sind älter als ich, wenigstens einer von denen hätte als Vertretung kommen können. Nichts.

      Der Pfarrer hält die Predigt. Es war ein sehr schöner, sonniger Novembertag als ich ankam, der Himmel war blau bis der Sarg hinausgeführt wurde. Nun aber zieht Nebel auf, immer schneller, immer dichter. Die Predigt ist gar nicht so lang, aber am Ende kann ich den Pfarrer in der Mitte fast nicht erkennen, obwohl er vielleicht drei Meter vor mir steht, so dicht ist der Nebel mittlerweile. Die anderen am Ende des Halbkreises, sehe ich gar nicht mehr. Es ist unheimlich.

      Er wird dann zum Grab geführt, wir gehen hinterher, ich und Livia sind direkt hinter dem Sarg. Langsam lichtet sich der Nebel wieder. Am Grab betet der Pfarrer weiter, dann kann jeder eine Schaufel Erde reinschütten. Ich stehe da, starre in das Loch vor mir. Zuerst kommen die Freunde dran, ein paar sind Moslems, sie beten auf ihre Art, dann die entfernten Verwandten samt Familien, dann meine Familie, ich sehe Mutter an, sie versteht das Zeichen und geht als nächstes. Ich gebe ihr nicht die erste Reihe, da hat sie nichts verloren. Vor mir geht Matteo, dann Livia und dann ich als Letzte. Ich stehe vor diesem Loch, nehme eine Schaufel Erde und schütte es drüber. Ich bekreuzige mich und mach dabei einen Knicks „Ruhe in Frieden. Ich hoffe, den findest du endlich.“

      Es ist das erste Mal, dass ich eine Beerdigung organisieren musste, es ist überhaupt meine erste Beerdigung. Ich war noch nie an einer Beerdigung. Als mein Grossvater starb, durfte ich nicht zum Friedhof. Ich hab noch nie zuvor einen Sarg in die Erde hinabgleiten sehen. Das erste Mal, dass ich so nah am Toten bin, dass ich als letzte die Erde auf ihn fallen lasse. Es ist ein komisches Gefühl, ehrfürchtig. Ich hab keine einzige Träne vergossen, ich bin nicht mal traurig. Ich akzeptiere einfach, dass ich nie ein gutes Verhältnis zu meinem Vater hatte, dass ich im Grunde keinen Vater hatte. Jetzt damit zu hadern, ist eh zu spät. Aber ich bin froh, haben wir ihn trotz allem, nach bestem Wissen und Gewissen beerdigt.

      Wir fahren dann in die Kirche zur Messe. Die muslimischen Freunde verabschieden sich, ich lade sie noch auf den Schmaus ein, aber sie lehnen ab. Die Messe ist schön, ich bin zufrieden. Trotz aller Differenzen haben wir das Beste gegeben, wir haben uns bemüht, seinen Wünschen zu entsprechen. Der Stachel, dass seine Familie zu faul ist, daran teilzunehmen, der sitzt tief. Der Leichenschmaus ist von seinen Freunden wirklich sehr gut organisiert, Mario, das Hivaseesche Mädchen für alles, ist da, um zu servieren und macht es wirklich toll. Ich verteile alles was übrigbleibt unter ihnen. Ich bin von ihrer Unterstützung gerührt. Bei uns ist es üblich, dass man entweder Blumen oder Geld gibt. Die meisten Freunde haben Blumen ans Grab gebracht. Wenige Freunde, meine Tante und Mutter haben uns Geld gegeben. Von seinen Verwandten nichts. Weder Blumen noch Geld. Ich bin nicht mal überrascht.

      Seine Schwester erkundigt sich bei Livia nach der Beerdigung, lässt fallen, dass es schade ist, dass er hier beerdigt wurde und nicht unten. Sie möchte gerne Kontakt zu mir. Ihre Tochter schickt mir über Social Media eine Nachricht, ob sie meine Telefonnummer haben dürfte, meine Patentante, ihre Mutter und Schwester meines Vaters, hätte gerne Kontakt zu mir. Ich überlege, ob ich ihr meine Nummer geben soll, damit ich ihr ordentlich meine Meinung sagen kann, was für eine beschissene und geldgierige Schwester sie ist und ich hoffe, dass sie in der Hölle verrottet, aber ich überleg es mir doch anders und lass die Nachricht unbeantwortet.

      Kaum ist die Beerdigung durch, falle ich wieder in mein Loch. Es geht mir überhaupt nicht besser, ich hatte einfach Stress. Ich hatte wieder mal eine Fluchtmöglichkeit, jetzt ist sie weg und alles ist wieder beim Alten.

      Wie sich herausstellte, wollte er das Land seiner Schwester verkaufen. Natürlich hätte er nie Geld gesehen, sie aber das Land erhalten. Es war schon alles in die Wege geleitet worden, es fehlte nur noch seine Unterschrift. Tja, nun gehört das Land doch mir. Sobald ich mal nach Orenda gehe, werde ich die Zigeuner fragen, ob einer das Land haben will und es verschenken, von seiner Familie wird es niemand bekommen, nicht mal für Milliarden.

      Auf den Dating-Apps bin ich nun zum fünften oder sechsten Mal seit unserer „Trennung“, hab den Überblick verloren. In manchen Momenten rede ich mir ein, das Leben muss weitergehen, ich muss andere Männer kennenlernen, Dates haben, bevor ich Jack Hand in Hand mit einer anderen sehe. Ich muss auch wieder aus diesem Loch herausfinden, also lade ich alle runter, melde mich an, wische lustlos. Sobald mich dann einer anschreibt, stelle ich fest, ich bin nicht soweit. Ich hab keine Lust. Ich hab einfach keinen Bock, mit anderen Männern zu schreiben, sie zu treffen. Dann lösch ich alles wieder, nur um ein paar Tage später wieder von vorne anzufangen.

      Mein Kopf sagt, du musst weitermachen. Also noch mal alles runterladen, mich zwingen zu schreiben, witzig sein, interessiert wirken, während es mir das Herz zerreisst und ich dabei hemmungslos weine. Ich mach Dates ab, zu denen ich dann nicht hingehe, wenn es soweit ist. Dann lösche ich wieder alles, zurück auf Anfang. Schön im Kreis.

      Ich schäme mich bei dem Gedanken, wenn Jack wüsste, dass ich auf diesen Apps bin, er hat sowas nicht nötig und macht sich über seine Freunde lustig, die drauf sind. Ich lösche alles wieder. Nur, um mich ein paar Tage später wieder anzumelden, weil ich weitermachen muss. Ich zwinge mich. Nicht aufgeben, es muss weitergehen. Also dranbleiben.

      Heute hab ich wieder ein Date. Wie er heisst, was er macht, was er sucht, weiss ich nicht. Müsste ich alles nachlesen. Ich merk mir nichts von den Typen, weil es mich nicht interessiert. Aber sollte es schon nachlesen bevor ich dort auftauche, sonst wird es peinlich. Will ich überhaupt hingehen? Will ich jetzt duschen, mich schminken, schön anziehen, in die Stadt fahren,