Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
Скачать книгу
den Wimpern klimpern, interessiert wirken? So tun, als wär ich eine fröhliche, aufgestellte, witzige, charmante Frau während ich einfach nur weinen will? Nein, auch diesmal hab ich keine Lust. Die wievielte Absage ist das jetzt? Auch da hab ich den Überblick verloren.

      November 2014

      Die Beerdigung ist durch, ich bin wieder in meiner Hölle, bestehend aus Nichts. Tagsüber starr ich weiterhin den Chat an. Ich schreibe mit niemand, ich starr einfach rein, stundenlang. Der Einzige, der mir hin und wieder Ablenkung bietet, ist Steve. Die Gespräche mit ihm über Gott und die Welt lenken mich ab, er ist aber tagsüber selten da. Er ist chatsüchtig und würde sich auch gerne von dieser Sucht befreien und auch ich suche einen Weg, dem Ganzen wegzubleiben. Wir schliessen einen Pakt. Wir vereinbaren, wann und wie lange wir online sind, damit wir das kontrollieren können. Der Verlierer zahlt einen Kaffee.

      Ich bin Projektleiterin und wenn ich mich im Büro nicht als Solche betätigen kann, dann wenigstens in meinem Privatleben. Ich nehme mein Leben wie ein Projekt in Angriff. Ich erstelle eine Liste mit Meilensteinen, die ich erreichen will, um das Projekt „Zurück ins Leben“ erfolgreich abzuschliessen. Erster Meilenstein, ich stell mich meiner Angst, Männer mit meinem Aussehen und meiner Art zu enttäuschen. Ich will mit Steve was trinken gehen. Da ich an ihm als Mann gar nicht interessiert bin, dürfte mich seine Enttäuschung bei meinem Anblick, nicht allzu sehr verletzen. So gesehen, ist er der perfekte erste Onlinetreff. Ich muss und will es hinter mich bringen.

      Natürlich hält sich Steve sehr gut an seine Zeit, ich versage schon am dritten Tag. Also muss ich den Kaffee bezahlen. Am Montag darauf wollen wir uns nach Feierabend treffen. Ich bin nicht mal aufgeregt. Bin ganz cool, bin ja auch nicht an ihm interessiert. Ich stelle ihn mir als kleinen, hässlichen Giftzwerg vor, aber mit ihm zu schreiben ist lustig und unterhaltsam.

      Als ich am verabredeten Ort auftauche, steht vor mir ein Mann, der besser aussieht als in meiner Vorstellung. Nicht, dass er gut aussieht, weit entfernt von meinem Geschmack, aber ich hab ihn mir schlimmer vorgestellt. Er ist kleiner als ich, blaue Augen, so ein richtig Grüner mit Wuschelfrisur. Es fehlen nur noch die Birkenstöcke an den Füssen, aber ist ja November. Wir unterhalten uns. Besser gesagt, ich rede und rede, er ist sehr schüchtern, still. Das pure Gegenteil von dem giftigen Mann, den er online abgibt. Real kriegt er den Mund kaum auf. Ausserhalb der virtuellen Welt ist er ein Mann, der sich duckt, wenn Frau die Stimme erhebt. Er hatte schon etliche Affären, mit Worten weiss er umzugehen. Warum er sie real trotzdem flachlegen kann, liegt daran, dass es entweder verheiratete, sexuell frustrierte Frauen sind, die endlich wieder erobert werden wollen oder Singlefrauen mit Minderwertigkeitskomplexen oder psychischen Problemen, die alles annehmen, was sich bietet, weil ja keine Alternativen da sind. Er erzählte mir von diesen Frauen, die er im Laufe seiner jahrelangen Chatsucht kennengelernt hat. Allesamt haben eine sehr labile Persönlichkeit.

      Nach einer Stunde verabschieden wir uns. Ich freu mich, ich hab es geschafft. Ich lebe noch und das war doch gar nicht so schlimm. Ich bin im Bus als ich von ihm eine Nachricht erhalte „Versteh das jetzt nicht falsch, aber du bist eine verdammt attraktive Frau, dazu noch witzig, geistreich und intelligent. Wieso bist du Single?“ Danke, danke, mein Ego hebt grad für einen Moment ab.

      Dieses Treffen hat mir tatsächlich gutgetan, ändert aber nichts an meiner inneren Hölle. Ich bin bei Manda, meiner Kosmetikerin. Seit Jahren bekämpfe ich die Kinnhaare. Tausende sind weg, aber die Haare spriessen und gedeihen weiterhin fabelhaft. Während Manda mit der Nadel Haar für Haar an die Wurzel geht, erzählt sie, sie hätte sich auf einer Dating-App angemeldet und gleich einen tollen Mann kennengelernt. Sie haben sich getroffen und es hat zwischen ihnen sofort gefunkt. Sie schwebt auf Wolke Sieben, könne nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, sie denkt nur noch an diesen Mann. Sie ist überglücklich.

      Auf dem Heimweg denke ich darüber nach. Nein, solche Dating-Apps sind sicher nichts für mich. Da, mein Bild der Welt präsentieren, ist ein öffentliches Versagenseingeständnis. Zu Hause angekommen, lässt mich das Thema aber nicht los.

      Ich komme nicht aus dem Haus raus. Alle die ich anschreibe, haben entweder keine Lust oder keine Zeit, etwas zu unternehmen. Ich sitz im Büro oder zu Hause rum, fühl mich nutzlos, allein, einsam, hab niemand zum Reden, ich erleb nichts, das Leben zieht einfach an mir vorbei. Vielleicht wäre das eine Gelegenheit, einfach aus dem Haus rauszukommen. Ich will keinen Mann, ich bin grad mitten in der Hölle, weine sobald ich zur Tür rein komme und höre erst auf, wenn ich die Wohnung wieder verlasse. Manchmal weine ich auch im Büro. Nein, ein Mann ist das Letzte, wofür ich im Moment den Kopf habe, aber ich könnte rauskommen, ich könnte reden, ich könnte wenigstens für eine Stunde an etwas anderes denken als an mich selbst. Ausserdem ist da der Meilenstein, auf Menschen zugehen, mich der Angst vor Ablehnung stellen. Irgendwo muss man ja anfangen.

      Also schaue ich mir mal an, was es da so an Angeboten gibt, lade alles runter. Tinder geht nur mit Facebook, das will ich nicht. Ich stelle ein Bild von mir rein, auf dem kaum was zu sehen ist, nur meine Konturen, aber nicht das Gesicht. Ich will nicht, dass irgendjemand mich erkennt. Prompt schreiben mich ein paar Typen an. Viele auf der Suche nach einer Affäre oder einfach nur Sex. Nein danke, nicht interessiert, ich such nur Unterhaltung, ich will einfach nur neue Leute kennenlernen. Badoo lösche ich am Abend wieder. So verzweifelt bin ich nun doch noch nicht. Andere bleiben weiterhin aktiv.

      Am Sonntag schreibe ich mit Marco. Er wohnt in der gleichen Ecke wie ich und geht auch gerne spazieren, also vereinbaren wir, am Nachmittag einen Spaziergang zu machen, er wird den Cappuccino mitnehmen.

      Als ich auf ihn zugehe, wirkt er nicht ganz so cool, wie auf den Fotos, Die Mütze soll der letzte Schrei sein, mir gefällt sie nicht. Sie dient, die beginnende Glatze zu kaschieren. Ich bin überrascht, dass er, als hier geborener Italiener, so schlecht Deutsch spricht. Schriftlich hab ich nichts gemerkt, aber Real ist die Aussprache furchtbar. Es ist auch kein Cappuccino sondern Eiscafé im November. Egal, wir laufen los, reden. Besser gesagt, ich stelle Fragen, er antwortet knapp. Meist mit Ja oder Nein. Nach ein paar Metern drückt er mir einen Kuss auf die Wange. „Hee, was soll der Scheiss?“ motze ich ihn an. Er meint, ich wär ihm so sympathisch, er wollte mir halt nur ein kleines Küsschen geben. „Lass das“ zicke ich ihn an. Ich hab ja gesagt, bin nur an Unterhaltung interessiert und nicht mehr. Während wir Laufen kommt er immer näher, so dass er fast an mir klebt. Ich fordere ihn auf, wieder Abstand zu nehmen. Tut er gleich, nur um ein paar Meter weiter, wieder an mir zu kleben.

      Ich finde es anstrengend, dauernd rumzuzicken ausserdem ist nichts mit Unterhaltung. Ich stell Fragen und er antwortet weiterhin nur knapp, wie bei einem Verhör. Er selbst stellt kaum fragen, dafür schmeisst er nur so mit Komplimenten um sich, die bei mir aber so gar nicht ankommen. Für Komplimente könnte ich mich bedanken, aber beim Rumschleimen würge ich nur. Als wir auf dem Rückweg sind, lädt er mich zu sich auf einen Kaffee ein. Nein danke. Das versteht er aber nicht „Du bist Single, ich bin Single also warum stellst du dich so an!“ Das ist mir echt zu blöd, ich hab keinen Bock mehr, ich nehm das Tram. Er schreibt mir, ob wir Morgen Essen gehen wollen. Nein, will ich auf gar keinen Fall. Er verspricht, sich nicht mehr so doof zu verhalten. „Nein danke, kein Interesse.“

      Eine Woche später, Samstag, schreibt mich Ronald an. Wir schreiben kurz hin und her und er fragt, ob wir am Nachmittag einen Kaffee trinken wollen. Ja klar, ist ja der Sinn der Sache, dass ich rauskomme und rede. Ich bin einverstanden, wir verabreden uns für 14 Uhr in der Stadt. Auf seinem Profilbild kann ich auch nicht viel von ihm erkennen, aber so wichtig ist es nun auch nicht, oder? Gerade als ich dabei bin, die Schuhe anzuziehen, schickt er mir noch ein Selfie und ich erschrecke bei dem Anblick. Scheisse, mit dem werde ich mich in der Stadt blicken lassen. Es ist mir peinlich. Ich überlege, wie ich jetzt noch absagen kann, aber es fällt mir nichts ein. Erstens wäre es gemein abzusagen, nachdem er mir ein Bild von sich geschickt hat und zweitens bin ich ja eh nicht an ihm als Mann interessiert, sondern einfach nur an der Tatsache, aus dem Haus rauszukommen. Trotzdem ist es mir peinlich, mit einer hässlichen Kröte gesehen zu werden. Ich hoffe, niemand den ich kenne, läuft mir über den Weg.

      So stehe ich da und warte, völlig demotiviert. Doch zu meiner Überraschung sieht er in Natura echt gut aus. Gross, kurze, braune Haare, braune Augen, sportlich, positive Ausstrahlung und sehr sympathisch. Wieder mal