Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
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weitere Flucht mehr vor mir selbst, vor meiner Vergangenheit, vor all den Verletzungen und Schmerzen. Diese Flucht hat mich nur in die Angst getrieben. Ich dachte, Angst würde ich nie mehr im Leben haben. Was für eine Fehleinschätzung.

      Aber ich hatte genug Stress, Ablenkung, Fluchtmöglichkeiten. Es war einfach, zu ignorieren. Nun nicht mehr und das ist auch gut so. Meine Depression hat nicht erst in diesem Job angefangen, sie fing schon vor Jahren an. Langsam, kaum merklich, jetzt ist der Show-down gekommen, das grosse Finale und ich muss mich mangels Fluchtmöglichkeiten stellen. Ich hab einen Scheissjob, aber es ist genau der Richtige.

      Ich bereue zutiefst, nicht auf die Warnungen gehört zu haben. Ich wünschte so sehr, ich könnte die Zeit zurückdrehen und meine Fehler korrigieren, aber dafür ist es zu spät. Nun muss ich es auf die harte Tour durchstehen. Es tut weh, es tut so höllisch weh, aber da muss ich jetzt durch, wenn ich es schaffen will, wenn ich diese innere Hölle besiegen will.

      Ich war schon mal in der Hölle, nur war die Hölle das letzte Mal offensichtlicher. Der Weg hinaus war schwer, steinig und ständigen Angriffen ausgesetzt, aber ich war nicht allein, gab nicht auf und hab es geschafft da rauszukommen. Dieses Mal hat sie mich hinterhältig erwischt. Über Jahre hinweg, ist es mir nicht aufgefallen, wie sie, wie eine Spinne ein Netz um mich schnürt. Vielleicht wusste ich es. Doch, ich wusste es, habe es aber einfach ignoriert. Ich hielt mich wohl für unverwundbar, für zu stark, weil ich es schon mal geschafft habe.

      Nach einer turbulenten, heftigen Zeit stand er mitten in einer Nacht 1999 vor mir, ich dachte „Wow, der Teufel ist aber ein schöner Mann“ und im nächsten Moment kam mir in den Sinn „Er kann aussehen, wie er will, er ist der Teufel.“

      Ich hab geschlafen, erwachte, weil ich fühlte, da ist jemand in meinem Schlafzimmer. Ich hatte einen Sessel in der Ecke und da sass jemand drauf. Als ich mich aufsetzte und fragte „Wer ist da?“ stand er auf und stellte sich vor mein Bett. Ich konnte ihn durch das Licht von aussen gut erkennen, wirklich ein schöner Mann im dunklen Anzug und darüber ein schwarzer Mantel. Seine Präsenz jagte mir aber extreme Angst ein. Ich wusste sofort wer er ist, tat aber cool, obwohl ich wusste, dass er weiss, dass ich nur so tue, während ich fast das Pyjama vollscheisse. Er sah mich mit einem frechen Grinsen schief an und meinte „Du kannst mir nicht entkommen.“ „Du kannst mir nichts tun“ versuchte ich mit kraftvoller, arroganter Stimme zu sagen. Netter Versuch. Ich umschloss meinen Talisman mit der Hand so fest ich nur konnte und bat in Gedanken um Kraft und Hilfe.

      Er kam langsam ums Bett herum, ganz nah, ich schaute ihn direkt an, mein Blick war fest auf seine Augen gerichtet. Ich hatte Angst wegzuschauen, vielleicht überfällt er mich dann doch. Ich dachte, er würde mich berühren, innerlich fror ich vor Angst ein. Seine Hand kam immer näher, bis sie ein paar Zentimeter von meiner Hand war, die sich an das Sonnensymbol festgekrallt hatte. Ich hielt die Luft an.

      Aber er tat es nicht. Zog seine Hand zurück, grinste weiterhin, machte sich über meine Angst lustig, meinen Versuch, tapfer zu sein. Ging einen Schritt zurück und meinte immer noch lächelnd „Diesmal hast du es geschafft, du bist mir davongekommen, aber ich komme wieder. Das nächste Mal gehörst du mir“ Dann gab er ein lautes, dreckiges Lachen von sich. Das muss doch das ganze Quartier gehört haben. Er zog sich die Kapuze seines Mantels über, sein Kopf verschwand, ich sah ganz kurz zwei rote Augen aufflackern bevor alles nur noch schwarz unter der Kapuze wurde und in dem Moment, für den Brauchteil einer Sekunde, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, sah ich die Hölle. Ich erkannte, was sie ist.

      Der Schlimmste Horrorfilm war nichts dagegen. Es war brutaler und dämonischer als alles, was ich mir jemals hätte vorstellen können. Es war das grausamste, brutalste Gefühl meines Lebens. Es ist das Nichts! Die Hölle ist nichts anderes als das absolute und allumfassende Nichts. Dann war er weg.

      Hin und wieder kam mir dieses „ich komme wieder“ in den Sinn, aber es beschäftigte mich nicht grossartig. Ich hielt mich für stark und unbesiegbar. Aber das Nichts bewies Geduld, kam schleichend. Ich hab die Warnungen überhört, ich hab es gesehen, aber nicht realisiert. Wieder mal bin ich mit offenen Augen ins Messer gelaufen, bin im Schneckentempo ins Nichts gekrochen.

      Am Mittag schreibt mir meine Schwester Livia. Sie hat einen Termin vereinbart, um einen Grabstein auszusuchen und will wissen, ob ich auch mitkomme. Ich kann nicht, hab an dem Tag schon was vor, ich will mich auch gar nicht darum kümmern, soll sie das doch übernehmen. Ich hab die Schnauze voll, mich immer um alles zu kümmern, organisieren, es geht nicht nur mich was an.

      In Gedanken erzähl ich Jack von meinem Vater, er hat mich nie nach meinen Eltern gefragt. Gut, wir kannten uns auch erst einen Monat bevor es zum Bruch kam. Da wurde über vieles nicht geredet. Ich frag mich, wieso ich nicht traurig bin. Ich hab Mitleid, mir tut es leid, wie er gelebt und wie er gestorben ist, aber traurig bin ich nicht. Mir fehlt nichts. Ist der Schmerz irgendwo da und wartet darauf, irgendwann mal auszubrechen? An was erinnere ich mich überhaupt noch im Bezug auf ihren Vater?

      Wie er mir das Fahrrad aus XXX brachte und zeigte wie man damit fährt. Wie er, statt meiner Mutter, zum Elternabend ging und meine Eins aus irgendeinem Grund verschwand und ich mich nicht wagte zu fragen, wer sie hat verschwinden lassen. Mein Vater oder doch meine Lehrerin. Ich wollte keine schlafenden Hunde wecken, aber die Frage beschäftigt mich bis heute. Wieso war die Eins verschwunden?

      Ich war Klassenbeste und bei einem Test hab ich die ganze Zeit mit meiner Freundin herumgeblödelt, die Lehrerin warnte uns ein paar Mal, aber ich konnte nicht aufhören, dann nahm sie mir einfach den Test weg, knallte eine Eins drauf, schrieb es in ihre Agenda und meinte, du kannst gehen.

      Ich hatte Panik. Bei uns hiess Elternabend, alle Eltern setzten sich hin, die Lehrerin öffnet vor versammelter Mannschaft ihre zwei Quadratmeter grosse Agenda, blättert von Name zu Name durch und liest alle Noten und Einträge über das Verhalten des Kindes laut vor. Wenn sie meine Eins vor allen Eltern herausposaunt, wird mich meine Mutter für diese Schande totprügeln. Meine Mutter hat öfters wiederholt und ihren Abschluss, nur weil sie eine Frau ist und die Lehrer dachten, was soll‘s, die brauchen ja gar keine Bildung. Aber ich musste Bestnoten nach Hause bringen, damit sie sich damit brüsten konnte als wär es ihr Verdienst.

      Doch zu diesem Elternabend ging mein Vater. Als er nach Hause kam, fragte meine Mutter, wie die Noten sind. Er antwortete nur, alles gut. Ich wagte nicht zu atmen, geschweige denn zu fragen „Und die Eins?“ Mein Zeugnis war dann selbstverständlich das Klassenbeste. Hätte es meine Lehrerin ausgesprochen, hätte es das ganze Dorf gewusst und es meiner Mutter unter die Nase gerieben. Aber nein, die Eins war einfach weg. Wer sie hat verschwinden lassen, weiss ich nicht. Bestechung war ja in dieser Gegend auch nicht unüblich.

      Das ist alles, was ich an Erinnerungen an meinen Vater in neun Jahren Orenda habe, sonst war er nur abwesend.

      In XXX habe ich mehr, die meisten nicht schön, aber nicht so viele unschöne Erinnerungen an ihn, wie an meine Mutter. War er nüchtern, dann war er ruhig, aber gefährlicher, nervös, unsicher. Betrunken war er lustiger, aber auch schnell mit der Faust. Ich kenne ihn vor allem betrunken. Als ich mein Handgelenk operieren musste, hat er mich nüchtern ins Krankenhaus gefahren, ich hatte Angst mit ihm im Auto, weil er so unsicher fuhr. Wenn er betrunken fuhr, hatte ich keine Angst. In den Ferien hat er mich seinen gelben Merz fahren lassen, ich konnte gar nicht ans Gaspedal reichen, er hat vom Beifahrersitz aus Gas gegeben.

      Als ich von zuhause auszog, hab ich ihn nicht vermisst. Ich hab weder seine Nähe noch den Kontakt gesucht, wozu auch? Meinen Eltern etwas über mein Leben erzählen, hab ich nie gelernt und wozu hätte ich ihn sonst aufsuchen sollen? Ich war kein kleines Kind mehr, das noch Hoffnung auf eine Beziehung zu ihren Eltern hatte. Ich war schon alt und reif genug, um die Realität zu akzeptieren.

      Hat es mich geprägt? Natürlich. Jedes Kind wünscht sich die Geborgenheit und Liebe der Eltern. Ich hatte das alles durch meinen Grossvater, aber als er starb, da war ich elf und hatte niemand mehr. Da war niemand mehr, der mir das Gefühl der Geborgenheit, Sicherheit, Liebe, Wärme gab. Ich war allein. Seit 28 Jahren bin ich allein.

      Ich hab gelernt meinen Mann zu stehen. Ich war der Ersatzvater