Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
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gestern habe ich eine Wut auf Gott. Ich hab ihn nie angezweifelt. Seit ich denken kann, weiss ich, fühle ich, es gibt einen Gott. Ich hatte mit den Religionen meine Mühe, schon als Kind, was mir viele Schläge im Religionsunterricht einbrachte. Aber an Gott hab ich nie gezweifelt. Ich hab mit meiner und allen anderen Religionen gehadert, aber nie mit Gott. Er ist immer da, er ist einfach da, das weiss ich. Aber jetzt bin ich wütend auf ihn.

      Gott hat mich vergessen. Ich laufe irgendwo unter „Ferner liefen“. Der Teufel muss gar nichts tun. Er kann einfach ruhig dasitzen und zusehen, wie ich in sein Nichts falle. Mit 10 habe ich gehofft, wenn ich gross werde, wird alles gut. Mit 20 habe ich Angst, Schläge, Demütigung, Scham ertragen und gehofft, bald wird alles gut. Mit 30 hab ich gedacht, wenn ich meine Schulden zurückzahle und ein bisschen zur Ruhe komme, mich bemühe, wird alles gut. Jetzt mit fast 40 weiss ich, es wird nie gut. Es ist einfach nur ein anderes Schlecht.

      Es war es nie und wird es nie sein. Dieses „Alles wird gut“ ist zureden, damit man nicht zusammenbricht. Ich wünschte, meine Eltern hätten nie Kinder gekriegt. So was wie die, sind unfähig, Kinder grosszuziehen. Meine Mutter kann sich glücklich preisen. Ihr Wunsch „hoffentlich wirst du nie glücklich“ hat sich vollends erfüllt. Voilà. Zufrieden?!?!

      Aber ihr wird geholfen. Sie bittet und der Wunsch wird erfüllt. Was für eine Ausgeburt der Hölle bin ich dann, wenn ich mein Leben lang bitte und flehe und was? Nichts! Ich hab das grosse Los „Nichts“ gezogen. Wozu wurde ich überhaupt erschaffen? Weiss ich doch nicht. Gott hatte wohl grad einen lustigen Tag und wollte mal eine Witzfigur kreieren. Einen Hamster, der strampelt und strampelt und immer weiter im Schlamm versinkt, bis er untergeht.

      Mich! Ich hab nach den Sternen gegriffen, wo ich doch wissen müsste, dass Glück nicht für mich vorbestimmt ist. Das ist nur den Guten vorbehalten, aber nicht mir. Ich gehörte und gehöre nicht in diesen exklusiven Kreis. Ich bin und war schon immer die Witzfigur, das sonderbare Ding, dass mit Kopfhörern herumläuft, träumt, auf der Schaukel bis spät in die Nacht vor sich hinträumt, sie würde eines Tages geliebt werden. Mit 39 laufe ich noch herum und träume, würde geliebt werden. Nimm die Kopfhörer raus, sieh dir die Realität an, du wirst niemals geliebt! Sieh der Wahrheit in die Augen. Das hast du nicht verdient, du bist nicht gut, du bist die Ausgeburt der Hölle.

      Ja, ich hab in meinem Leben unglaublich viele Fehler begangen, aber die liegen weit zurück, ich hab doch daraus gelernt und mich weiterentwickelt. Seitdem hab ich kein Gesetz gebrochen, hab mir nichts zuschulden kommen lassen, hab keine verheirateten Liebhaber, nicht mal unverheiratete, gehabt. Hab niemandem ein Bein gestellt, damit er fällt, trat auf niemanden, der schon am Boden lag, versuche immer ehrlich, offen und gut zu sein. Ich kann nicht so ein schlechter Mensch sein, dass ich einfach keine Liebe verdient habe.

      Aber ich fühl mich, wie der schlechteste Mensch, den es gibt, weil Liebe fast mein ganzes Leben lang einen Bogen um mich macht. Gute Menschen haben immer mal Glück, sie werden geliebt, nur ich nicht.

      Doch Gott antwortet nicht. Er hat mich längst vergessen. So oft hat er mich beschützt, um mich am Ende zu vergessen. Rauch noch eine während dieses einseitigen Gesprächs, gehe wieder nach Hause. Dusche, esse ein Brötchen mit Marmelade, zappe im TV rum, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen.

      Ein weiterer Tag ist geschafft, durchkreuzen. Als wäre irgendwann in der Zukunft ein Termin festgelegt und wenn ich den erreiche, ist alles gut. Ich muss es nur irgendwie bis dahin schaffen, am besten schlafend. Ich lebe nicht in der Gegenwart. Entweder in der Vergangenheit oder in der sich nie erfüllenden Zukunft, aber sehr selten in der Gegenwart. In der Gegenwart ist nun mal nichts.

      23 Uhr ist Schlafenszeit. Ich drehe mich noch bis 1 Uhr morgens hin und her, bis ich endlich in einen traumlosen Schlaf falle.

      Der Handy-Wecker klingelt. Ich stell ihn ab. 10 Minuten später klingelt er wieder. So geht das weiter, über eine Stunde lang. Nun muss ich aufstehen, ein weiterer Arbeitstag steht an. Als erstes geht es immer in die Küche, Kaffee aufsetzen. Nicht mit der neuen oder alten Kaffeemaschine, ich trinke nur türkischen Kaffee, schon seit Jahren. Die Maschine ist nur für Gäste, die ich sehr selten habe. Eigentlich gar keine mehr. Ich trinke meinen Kaffee, rauche und spiele mein Bauernhofspiel.

      Vor einem Jahr hab ich das heruntergeladen. Damals auf Adis Rat, mir nicht den Kopf zu zerbrechen, hab ich nach einer Ablenkung gesucht und dieses Spiel heruntergeladen und wurde süchtig. Mittlerweile ist es keine Sucht mehr sondern Gewohnheit und Zeitvertreib. Manchmal spiele ich jede halbe Stunde und manchmal den ganzen Tag nicht. Jetzt ist es wieder Ablenkung, wenn auch keine gute. Ich bin eh schon spät dran, aber das ist egal. Im Büro wartet sowieso nichts, das erledigt werden muss. Ich muss einfach präsent sein.

      Erstmal gemütlich ins Bad schlürfen, das übliche Morgenritual. Das Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenstarrt, kann man der Welt da draussen nicht präsentieren. Meine grün-braunen Augen sehen aufgedunsen und müde aus. Es ist ein helleres grün. Das ist es immer, wenn ich traurig bin. Wenn ich wütend werde, dann sind sie dunkler. Mein dünnes, schnellfettendes, dunkelbraunes Haar hängt schlaff über die Schultern, ich sollte dringend nachschneiden und die Farbe auffrischen. Mein bleiches Gesicht hat durch den Gewichtsverlust in den letzten zwei Jahren immerhin eine schönere Form bekommen, Konturen. Die dünnen Lippen hängen nach unten. Haben sich seit Tagen nicht mehr nach oben, zu einem echten Lächeln verzogen. Make-Up muss sein, die Falten um die Augen kaschieren, die Unebenheiten der Haut ausgleichen. Ich hab keine Lust mich zu schminken und schick anzuziehen, aber ich muss funktionieren. Ausserhalb meiner Wände soll niemand sehen, dass ich leide. Immerhin hat es was Gutes, meine Figur gefällt mir mittlerweile ganz gut, ich hab abgenommen, hab einfach keinen Hunger. Dummerweise habe ich auch an den Brüsten abgenommen. Das war das Einzige, was mich an mir noch nie gestört hat, ich mochte meine Brüste, aber die sind nun weg.

      Präsentabel verlasse ich die Wohnung, natürlich mit Musikbegleitung, aber es funktioniert einfach nicht mehr. An der Tramstation stell ich sie wieder ab. Der Weg zum Büro ist nicht weit. Da angekommen, schalte ich meinen PC an, gebe das Passwort ein und gehe auf die Terrasse einen Kaffee trinken und rauchen. Danach gehe ich erst mal auf die Toilette und Wasser holen, bevor ich mich an meinen Arbeitsplatz setze und als erstes die Mailbox öffne und dann alle anderen Programme, die ich gar nicht brauche, aber es sieht so aus, als hätte ich zu tun, falls jemand zu mir kommt. Jeden Morgen das gleiche Ritual.

      Meist fange ich mit dem Tagebuch an. Ich schreibe, was ich letzten Abend gemacht und wie ich mich gefühlt hab. Jeden Tag schreibe und schreibe ich, mit irgendwas muss ich mich den ganzen Tag beschäftigen. Ich hab es auch angefangen, in der Hoffnung, mir die Schmerzen von der Seele zu schreiben und gut ist. Aber es hat in den ganzen zwei Jahren nicht geklappt. Vor kurzem hab ich einen Blog angefangen, ich wollte mir ein bisschen die Zeit vertreiben und schrieb im Blog über meine Erfahrungen mit Dating-Apps. Es sollte lustig sein. Aber dann trat Jack in mein Leben, stellte alles auf den Kopf und der Blog wurde zu meiner virtuellen Klagemauer. 50 Follower hab ich schon, die sich mein Gejammer antun, weitere lesen wohl mit.

      Nach meinem Tagebucheintrag, dass den ganzen Tag über, mit Gedanken und Gefühlen gefüllt wird, kümmere ich mich um Blogeinträge. Ich lese auch die Blogs der anderen. Es tröstet mich, zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin, die leidet. Es gibt da draussen noch mehr, die sich ihren Schmerz anonym von der Seele schreiben. In so manchem Beitrag erkenne ich mich wieder.

      Die Stunde bis zur nächsten Zigarette dauert ewig. Mittlerweile gehe ich schon rauchen, bevor eine Stunde um ist. Ich kann mich eh auf nichts konzentrieren, nicht dass es da etwas gäbe, worauf ich mich konzentrieren müsste.

      Das war so nicht geplant. Was für Hoffnungen hab ich in diesen Job gesetzt.

      Sommer 2013

      Ich habe gerade meine Weiterbildung erfolgreich hinter mich gebracht. Natürlich bin ich sehr stolz auf meine Leistung, die ich trotz Vollzeitjob, Kind und Haushalt, Mitarbeiter führen, geschafft hab. Aber was soll ich nun damit anfangen? Wie soll es weitergehen?

      Mein Chef, Bjarne, ruft mich an und meint, in einem anderen Projekt wird eine Stelle frei und man hat bei ihm angefragt, ob ich wohl Interesse daran hätte. Ich antworte, wenn