Love is pain. Donom Maska. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Donom Maska
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742779311
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uns währenddessen. Er ist die erste halbe Stunde sehr aufgeregt, ich total cool. Kein Schwein sieht mir an, dass ich eine depressive Kuh bin. Eine Rolle spielen kann ich perfekt. Ich bin witzig, klug, charmant, frech. Ach, mit mir macht es ja so Spass.

      Seine Nervosität legt sich und das Gespräch wird sehr interessant und lustig, die Zeit fliegt einfach davon. Die zwei Stunden kommen mir vor, wie eine Viertelstunde. Er ist seit vier Jahren Single, hätte gerne wieder eine feste Beziehung und hat sich auch gerade neu auf der App angemeldet. Ich erkläre ihm, dass ich keinen Mann suche, für wasauchimmer, sondern einfach neue Leute kennenlernen will. Durch meinen Job hab ich sehr viel Freizeit, die ich jetzt irgendwie ausfüllen will. Ich finde ihn sympathisch, wir können uns sehr gut unterhalten und eine gute Freundschaft kann ich mir durchaus vorstellen, mehr nicht. Wir verabschieden uns und beschliessen, das auf jeden Fall zu wiederholen.

      Er schreibt mir danach auch oft, aber seine Nachrichten finde ich furchtbar. Zwar tun seine Komplimente meinem Ego gut. Er fand mich sehr sympathisch, attraktiv, intelligent und witzig und würde sich freuen, mich wieder zu treffen. Er ist ganz und gar nicht enttäuscht von mir. Offenbar sehen andere nicht das Gleiche, was ich sehe, wenn ich in den Spiegel schaue. Aber er versucht geistreich zu erscheinen, sich gekonnt auszudrücken und das ganze Geschreibe passt überhaupt nicht zu dem Typ, mit dem ich mich zwei Stunden lang unterhalten habe. Real war er witzig, gesprächig, gesellig, ganz normal, aber schriftlich verstehe ich diesen philosophischen Scheiss überhaupt nicht. Es klingt alles so unnatürlich, nicht authentisch. Er will mich wohl mit klugen Worten beeindrucken, aber der Schuss geht nach hinten los. Ich schreib ihm kaum noch zurück.

      Eines Nachts erhalte ich eine Nachricht von ihm, er sei süchtig. So wäre das Ganze nicht gedacht gewesen, aber er kann nicht mehr aufhören. Tja, was soll ich ihm darauf antworten?

      Schreib ja daneben noch mit vielen und lese oft, einige haben sich angemeldet, um eine Frau für was Festes zu finden, aber die Frauen auf den Apps sind leicht zu haben, Mann muss sich nicht mal gross bemühen und das sind halt nun mal Männer. Natürlich sagt keiner nein.

      Einige schreiben mir regelmässig. Es langweilt mich. Wenn ich schreiben will, kann ich genauso gut chatten. Sie erzählen mir ihren Alltag, aber es führt zu nichts. Ich will raus, nicht jeden Tag erzählen, wie mein langweiliger Tag war, wie ich jetzt zu Hause vor dem TV hocke, wie ich jetzt ins Bett gehe. Ich versteh die Typen nicht. Offensichtlich wollen sie den Kontakt aufrecht halten, aber es kommt kein, lass uns was trinken gehen. Es kommt noch zu zwei weiteren belanglosen Treffen. Die Unterhaltungen helfen schon ein bisschen, bieten Ablenkung. Ich gehe weiterhin in Therapie und rede mir alles von der Seele, ich muss die Schubladen leeren.

      Anfang Januar lösche ich die Apps wieder. Ich brauche sie nicht mehr. Es hat mir aber gut getan. Ich hatte keine Angst vor den Treffen gehabt, ich war nicht nervös, konnte mich ganz gut unterhalten und es hat meinem Ego gutgetan. Ich hab ein bisschen Daten geübt und festgestellt, es läuft besser als gedacht.

      März 2015

      Melde mich wieder an. Ein weiterer Meilenstein steht auf meiner Liste. Sex! Ich will hier einen Mann für Sex finden. Mein letzter Sex ist 11 Jahre her und es ist ein wichtiger Meilenstein, den ich unbedingt erreichen muss. Ich will jemanden an mich, meinen Körper, heranlassen. Ich hab Angst davor, aber ich muss es tun. Was andere können, kann ich doch auch. Sex ohne Gefühle.

      Zwar ist die App voller Männer, die für Sex nur allzubereit sind, aber so einfach ist das auch wieder nicht. Bei keinem, der mich da anschreibt, kann ich mir das auch nur ansatzweise vorstellen.

      Am Sonntagmorgen schreibt mich Marius an. Er sucht eine feste Beziehung, ich antworte „Dann such weiter.“ Wie bescheuert ist das denn, eine feste Beziehung auf einer App suchen? Eine Beziehung entwickelt sich aus einem Kennenlernen heraus oder eben nicht. Er schreibt trotzdem munter weiter, fragt, ob wir nicht trotzdem einen Kaffee trinken könnten. Ja warum nicht, es ist Sonntag, mir ist langweilig und hab ja sonst nichts vor und niemand zum Reden.

      Wir treffen uns am Nachmittag in der Stadt. Er ist sehr gross, riesig, über 1.90. Obwohl er drei Jahre jünger ist als ich, hat er schon ziemlich viele graue Haare, aber sonst sieht er nicht schlecht aus und braune Augen hat er auch. Wirkt sympathisch. Wir gehen ins Café, nehmen einen Cappuccino, setzen uns hin und reden, was man halt so mit einem völlig Fremden am Anfang bespricht. Immerhin beherrscht er die Kunst der Konversation. Mich stören seine Schuhe. Er verdient sicher nicht schlecht, bei seinem Beruf, aber die Schuhe sehen aus als hätte er sie von seinem Grossvater geerbt, der sie für die Feldarbeit nicht mehr brauchen konnte. Kauf dir endlich neue Schuhe, würd ich ihm so gern sagen.

      Während wir reden, hält er plötzlich inne, ist still, starrt den Boden an. Ich warte einen Moment, der mir dann aber zu lange dauert und frage „Ist was?“ Er räuspert, entschuldigt sich, meint, er hätte mich da stehen sehen und hätte sich einfach auf Anhieb in mich verknallt, ich sei so der Hammer und jetzt ist er ein bisschen nervös und weiss nicht so recht, was er sagen soll. „Aha“ antworte ich nur, mehr fällt mir auf Anhieb auch nicht ein.

      Ich versuch die Konversation wieder zum Laufen zu bringen, aber ein paar Minuten später, starrt er wieder gedankenverloren auf den Boden „Und was ist jetzt?“ frage ich etwas genervt. Er stottert und druckst ein bisschen rum und sagt dann „Weisst du, ich bin ein sehr feinfühliger Mensch. Ich kann sehr gut Spüren und ich spüre, dass wir eine tolle Beziehung haben werden.“ Von mir kommt wieder nur ein gedehntes „Aahaa“ mit hochgezogenen Augenbrauen. Er ist noch nicht fertig „Ich sehe uns zusammen eine tolle Beziehung haben. Ich weiss es einfach. Wir passen so toll zusammen und wir werden eine Tochter haben. Ist grad ein sehr schönes Bild“ er lächelt verträumt „Wir werden sehr glücklich sein und wir werden eine wunderschöne Tochter haben. Das ist einfach so. Aber du musst die Mauer, die du um dich gebaut hast, einreissen.“

      Ich starr ihn an, mein Mund öffnet und schliesst sich, aber kein Ton kommt raus. Mein Hirn versucht zu verarbeiten, ob er wirklich das gesagt hat, was ich glaube gehört zu haben. Für einen Moment bin ich überfordert, dann pruste ich los „Du bist ja völlig verrückt! Wir kennen uns erst seit fünf Minuten!“ Ich kann nur lachen, auch wenn ich das nicht wirklich witzig sondern komplett bescheuert finde. Aber auf so was war ich definitiv nicht vorbereitet.

      Er sieht für einen Moment beleidigt aus, sammelt sich wieder, schwafelt weiterhin von dieser Tochter. Davon, dass ich eine sehr starke Mauer um mich habe, dass ich sie einreissen muss, um das Glück hereinzulassen, wir passen einfach perfekt zusammen, er weiss das ganz sicher und ich muss es einfach zulassen „Sträub dich nicht dagegen.“ Meine Worte prallen an ihm ab, ich werde langsam sauer. Ich hasse es, wenn man mir nicht zuhört. Bin auch durcheinander. Quasselt der Typ beim ersten Date wirklich von Kindern? Der ist doch völlig durchgeknallt. Da er so lächerliches Liebesgesülze von sich gibt und ständig „unsere gemeinsame Tochter“ erwähnt, seh ich ihn auch nicht als potentiellen Sex-Kandidaten. Er ist im Dienst und sein Handy meldet sich, mit den Updates ist was nicht in Ordnung, er muss los. Ich bin froh, ich hab nämlich nichts mehr zu sagen. Wir verabschieden uns. Ich will ihm zwei Küsschen geben, aber er packt und küsst mich. Es ist sehr kurz, aber ok. Küssen kann er.

      Ich sitz im Tram und lache innerlich, kann immer noch nicht glauben, dass mir das passiert ist. Einer der beim ersten Date schon von Kindern spricht. Ich stelle mir vor, wenn eine Frau beim ersten Date von Kindern reden würde, würde sie nur noch eine Staubwolke sehen. Der Typ würde wie eine Rakete davonfliegen, bevor sie den Satz überhaupt zu Ende gesagt hat. Mir bleibt aber auch nichts erspart.

      Er schreibt mir die ganze Zeit, wie toll ich bin und wiederholt diesen „reiss die Mauern ein“ Schrott vom Date. Ich denke nach. Küssen kann er und ich muss mich auch nicht um ihn bemühen, er steht bereit, ich muss nur zugreifen. Ich will diesen Meilenstein unbedingt erreichen, also Augen zu und durch? Alternativen? Keine. Ich ändere meine Meinung und beschliesse mit Marius Sex zu haben.

      Er schreibt mir den ganzen Abend. Ich versuch ihn von diesem Thema Kind und Beziehung wegzubringen, das könnte mir meinen Plan noch vermasseln. Hört dann auch endlich damit auf, lädt mich am Freitag zu sich ein, einfach ein gemütlicher Abend, damit wir uns besser kennenlernen. Keine Hintergedanken, meint er. Ich hab etwas anderes im Sinn, sage das natürlich nicht.