Seltsam, wenn ich an jenen Tag zurückdachte, dann fiel mir auch immer eine andere kleine Episode ein, die ich manchmal schon vergessen zu haben glaubte. Denn gerade in dem Augenblick, als ich zu Klaus ins Auto steigen wollte, hörte ich eine fremde Stimme hinter mir.
"Angela!”
Ich wandte mich um und sah einen jungen Mann auf mich zukommen.“Angela!” rief er noch einmal, und als er mich eingeholt hatte, und ich ihn fragend anschaute, nahm er meinen Arm und sagte: "Weißt du denn nicht mehr, wer ich bin, Angie?”
Ich zog meinen Arm weg. “Tut mir leid,” antwortete ich, “Sie müssen sich irren, ich bin nicht Angela.”
“Aber du mußt dich doch an mich erinnern.” Er sah blaß und verstört aus, unendlich hilflos und traurig.
Ich hob bedauernd die Schultern und lächelte mitfühlend. “Sie verwechseln mich. Tut mir wirklich leid.”
Klaus hatte den Motor angelassen, und ich beeilte mich, einzusteigen. Er hatte lange genug auf mich warten müssen, denn durch die Unterredung mit dem Doktor war ich später dran, als gewöhnlich.
Klaus begrüßte mich mit einem Kuß. “Wer war denn das?" fragte er und wies mit einer Kopfbewegung auf den Fremden, der auf dem Gehweg stand und mir nachstarrte. "Was hat er von dir gewollt?”
“Er hat mich verwechselt,” antworte ich, während ich mich anschnallte, “er nannte mich Angela.”
"Engel," übersetzte Klaus, "das paßt ja nun wirklich nicht zu dir." Er grinste und duckte sich, weil er vorausahnte, daß ich ihm einen Knuff verpassen würde.
Nachdem er den Wagen gestartet hatte, war mein Blick noch einmal auf den fremden jungen Mann gefallen, der mir noch immer mit verzweifelter Miene nachschaute. Er tat mir leid, doch ich war viel zu glücklich, um mich um die Sorgen anderer zu kümmern. Und strahlend erzählte ich Klaus von meinem neuen Job.
Inzwischen hatten Dr. Weißgerber und Prof. Riechling viele der im Raum stehenden fachlichen Fragen beantwortet, und Dr. Degenhardt hatte schließlich wissen wollen, wie die Herren Erfinder ihren Apparat nun nennen wollten. Der Doktor meinte, darüber hätten sie sich noch keine Gedanken gemacht, er hielt jedoch eine Bezeichnung wie 'Time-Pilot’ für passend. Prof. Riechling dagegen plädierte eher für etwas Lateinisches. Herr Fröbel schlug grinsend den Namen ‘Timehopper’ vor, worauf Frau Dr. Ebenstreit meinte, dann klänge ‘Timeflyer’ doch wesentlich hübscher.
Ich nickte zustimmend, ‘Timeflyer’ gefiel mir. ‘Zeitenflieger’. Das war wahrhaftig ein passender Name für dieses Wunderding.
Ganz plötzlich war das Gerät dann wieder da. Kurz vor Ablauf der zwei Stunden starrten wir alle gespannt auf die Stelle, wo es zuvor gestanden hatte. Jeder wollte der erste sein, der es bemerkte, und dann sah es doch keiner wirklich ‘ankommen’. Er war nur auf einmal wieder da, der ‘Timeflyer’. Die Uhr zeigte genau 23.01.
Die Reaktionen waren unterschiedlich.
Dr. Weißgerber und Prof. Riechling atmeten erleichtert auf und schauten einander lächelnd an. Frau Dr. Ebenstreit blinzelte und kniff die Augen zusammen, als fürchtete sie, auf eine Sinnestäuschung hereingefallen zu sein. “Darf man es nicht doch einmal anfassen, Doktor?” fragte sie, und ohne eine Antwort abzuwarten, tastete sich ihre Hand über die Metallstreben.“Tatsächlich, es ist da, ich kann es fühlen.”
Herr Fröbel pfiff durch die Zähne und nickte anerkennend. “Das is’n Ding, Professor!” meinte er staunend. “Hätt’ ich nie für möglich gehalten. Alle Achtung!”
“Es ist einfach fantastisch,” sagte Dr. Degenhardt leise, “fantastisch, aber auch beängstigend.” Dann beugte er sich zu Dr. Weißgerber hinüber. “Ist Ihnen eigentlich klar, was das bedeutet, Doktor? Können Sie sich ausmalen, was passieren würde, wenn dieser Apparat in die falschen Hände geriete? Kann man es überhaupt verantworten, mit solchen Dingen zu arbeiten und zu experimentieren?”
“Genau deshalb sind Sie heute hier, Herr Dr. Degenhardt. Sie, und nicht irgendwer,” antwortete ihm Dr. Weißgerber. “Und deshalb baten wir Sie, - jeden einzelnen von Ihnen, - um striktes Stillschweigen. Wir sind nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten, und so soll es vorerst auch bleiben. Wir werden dieses Gerät vervollkommnen, der Professor und ich, doch nicht, um in den Zeitablauf der Menschheit einzugreifen und ihn zu verändern, sondern nur, um zu beobachten. Und irgendwann in ferner Zukunft werden die Menschen Zeuge der Geschichte sein. Sie werden kontrollieren können, ob die Ereignisse der Vergangenheit tatsächlich so vonstatten gegangen sind, wie es in unseren Geschichtsbüchern geschrieben steht. Sie werden sie sogar miterleben können, verstehen Sie?” Trotz seiner Brille war das Leuchten in seinen Augen zu sehen. “Und irgendwann wird die Menschheit reif genug sein, auch einen Blick in die Zukunft zu werfen.”
Plötzlich stutzte er. Er lief zum Tisch hinüber und starrte auf das Gerät. Verwundert schaute ich ihm nach und sah, wie ihm langsam die Farbe aus dem Gesicht wich. Er murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Außer mir schien niemand davon Notiz zu nehmen, denn jeder war auf seine Weise damit beschäftigt, das eben Erlebte zu verarbeiten.
Der Doktor berührte Prof. Riechlings Arm, beugte sich zu ihm hinunter und redete leise auf ihn ein, worauf auch der ein sehr bestürztes Gesicht machte und sich für einen Augenblick mit einer müden Handbewegung die Stirn hielt.
Ich stand auf und ging neugierig um den Tisch herum, um den ‘Timeflyer’ besser sehen zu können. Und dabei bemerkte ich es dann auch: Der Aschenbecher fehlte! An den beiden Drähten hing nur noch das Isolierband, doch vom Aschenbecher war keine Spur zu sehen.
Herr Fröbel, der mich beobachtet hatte, war meinem Blick gefolgt. “Ist was?” fragte er, als er neben mich trat.
Noch bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, kam Dr. Weißgerber zu uns herüber, und auch Dr. Degenhardt und Frau Dr. Ebenstreit waren hellhörig geworden.
“Stimmt was nicht? - Was ist denn los? - Ist vielleicht doch etwas schiefgegangen?” fragten sie.
“Nicht direkt,” erwiderte der Doktor, “das Experiment ist geglückt, das Gerät ist wieder da, nur..., der Aschenbecher ist nicht mit zurückgekommen.”
Jetzt erst bemerkten es auch die anderen. “Tatsächlich!” - “Der Aschenbecher ist nicht mehr da!” und “Spurlos ver-schwunden!” redeten sie durcheinander, und Herr Fröbel meinte: “Es sieht aus, als hätte ihn jemand ganz bewußt entfernt.”
Dr. Weißgerber gab auf einmal einen erstickten Laut von sich und schlug sich die Hand vor den Mund. Dann griff er so fest nach meinem Arm, daß es fast schmerzte.“Karin, ich hab’s,” sagte er.
Ich wußte nicht, was er meinte.
“Sie müssen sich doch daran erinnern. Es ist jetzt etwa vier Monate her...”
Ich sah ihn noch immer fragend an.
Er wandte sich an die Gäste und begann, ihnen zu erzählen, was sich vor vier Monaten zugetragen hatte.“Eines Morgens kam ich in mein Büro und sah einen seltsamen Apparat auf meinem Tisch stehen. Damals hatten wir noch nicht angefangen, diesen hier zusammenzusetzen, deshalb hatte ich keine Ahnung, was für ein Ding das sein sollte. Zuerst glaubte ich, einer der Praktikanten hätte sich einen Scherz mit mir erlaubt. Als ich dann aber den Aschenbecher daran kleben sah, vermutete ich, es könnte sich eher um das Werk von Kindern handeln. Ich war ziemlich verärgert, weil mir der Gedanke, Kinder könnten während meiner Abwesenheit in meinem Büro herumtollen, gar nicht gefiel. Ich wollte mir die Reinigungsfrau vorknöpfen und