Katerdämmerung. Petra Zeichner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Zeichner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016758
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Besitzer und die anderen menschlichen Bewohner hier im Haus wissen nicht, dass ich den Aufzug bedienen kann“, miaute er leise. „Und so soll es auch bleiben. Deshalb müssen wir vorsichtig sein.“

      Leos Augen leuchteten.

      „Wollen wir zusammen fahren?“, fragte er und balancierte auf den Hinterbeinen, um mehr sehen zu können.

      „Das geht nicht. Wir müssen nacheinander fahren, beide zusammen passen wir nicht rein. Wir versuchen es mit der Wohnung im zweiten Stock, die steht leer. Dann kannst du das Fahren lernen“, sagte Robin. Er hob eine Pfote.

      „Du musst hier draußen den zweiten Knopf, besser gesagt die zweite Verzierung von unten drücken. Dann hält der Aufzug im zweiten Stock und die Tür geht auf.“

      „Aber woher weiß ich, welches die richtige Tür ist?“

      „Du musst zählen, habe ich doch gesagt.“ Robins Miauen klang dumpf. Er stand schon mit dem Vorderteil in der kleinen Öffnung.

      „Ich kann nicht zählen“, sagte Leo, aber da war Robins Schwanzspitze schon im Dunkel verschwunden. Die Tür glitt zu.

      Leo stand alleine im Flur. Er lauschte. Alles ruhig. Ihm wurde unheimlich zumute. Das einzige Licht kam von einer kleinen Lampe mit einem dunkelgrünen Schirm. Es war schummrig. Zum Glück hatte er sich gemerkt, auf welches Holzstück Robin gedrückt hatte. Der Sprung auf das Regal war leicht. Er tat es seinem neuen Freund gleich und nach einer Weile glitt die Tür wieder auf. Leo trat an den Einstieg heran und streckte den Kopf hinein. „Robin?“ miaute er leise. Er erschrak. Sein Miauen klang in dem hohlen Fahrkorb lauter als gedacht. Keine Antwort. Unschlüssig peitschte er mit dem Schwanz. Dann setzte er eine Tatze auf den hölzernen Boden. Er knarrte. Leo erstarrte. Alles blieb ruhig. Er hob die linke Pfote – Leo war Linkspföter – und wollte auf den besagten Knopf drücken. Doch welcher war der zweite Knopf von unten? Er wusste es nicht. Also verließ er sich auf sein Glück und drückte einen. Die zugleitende Holztür schubste ihn hinein. Der hölzerne Korb setzte sich ruckelnd in Bewegung. Ging es hoch oder runter? Der Aufzug stoppte und die Tür glitt auf. Leo streckte den Kopf hinaus. Das Mondlicht erhellte die Rosenbeete und den Gang von der Haustür zu den Mülltonnen.

      „Robin?“ Keine Antwort.

      „Hier draußen kann er doch nicht sein“, begann er mit sich selbst zu sprechen. Wenn er mit sich selbst sprach, fühlte er sich sicherer. Und weil er im Allgemeinen ein ängstlicher Kater war, miaute er oft mit sich selbst.

      Er drückte erneut auf einen der Knöpfe. Der Aufzug fuhr nach oben. Ein Ruck und die Tür ging auf. Leo sprang in den Flur, streckte den Kopf in die Luft und witterte. Überall standen Dinge herum, Dinge, die Menschen benutzten. Schuhe, zwei Kommoden, eine Garderobe. Der Fahrstuhl schloss sich mit einem leisen Knarren.

      Aus einem der verschlossenen Zimmer drang ein Geräusch, als ob jemand einen schweren Stuhl zurückschieben würde. Der Kater versteckte sich hinter einem Mantel, der an der Garderobe hing. Nur seine Pfoten schauten unten heraus. Die Tür öffnete sich und ein Mann mit weißen Haaren und Falten im Gesicht trat in den Flur. Er machte das Licht an und blickte sich argwöhnisch um. Leo spähte durch ein Loch zwischen zwei Mantelfalten.

      „Ich hätte schwören können …“, sagte der Mann.

      Er ging hinkend in die Richtung der Garderobe, als in einem der Zimmer das Telefon klingelte. Der Mann zögerte. Wieder klingelte es. Er drehte um und hinkte in das Zimmer zurück. Das Klingeln hörte auf.

      „Mankowski!“, hörte Leo den Alten laut und energisch sagen.

      Leo schlich hinter dem Mantel hervor und äugte durch den Türspalt. Mankowski stand mit dem Rücken zum Flur im Wohnzimmer. Leo wollte zum Aufzug laufen. Da drehte sich Mankowski um und schlurfte in den dunklen Flur. Zum Glück schaute er nicht nach unten: Leo huschte, eng an die Wand gedrückt, ins Wohnzimmer hinter einen Sessel. Mankowski machte kehrt und ging zu einem Schrank, öffnete die obere Tür und zog eine Medikamentenschachtel heraus. Er füllte sie mit verschiedenen Pillen und Tabletten und stellte sie in den Schrank zurück.

      Nachdem Mankowski den Schrank wieder verschlossen hatte, ging er aus dem Wohnzimmer, machte das Licht aus und schloss die Tür. Leo war eingeschlossen. Wie sollte er zum Aufzug kommen?

      Robin saß im zweiten Stock und wartete. Es war dunkel. Draußen hörte er eine Eule rufen. Er trabte über den Parkettfußboden, sprang auf das Fensterbrett im Erker und spähte in den Garten. Dann lief er zur gegenüberliegenden Wand und hieb seine Krallen in den Putz. Etliche Krümel rieselten herunter und vergrößerten den Haufen auf dem Boden.

      Leo kam nicht. Unruhig trabte Robin wieder zu dem Aufzug und lauschte durch die geschlossene Tür. Nichts. Er fuhr bis in den Garten. „Leo?“, miaute er nach draußen. Keine Antwort. Vielleicht war der Rote nach Hause gelaufen. Robin lief zu Leos Wohnsiedlung.

      Eine kleine Holztreppe, eigens für den roten Kater gezimmert, führte über das Balkongeländer zu Leos Wohnung. Es gab ein dumpfes Geräusch, als Robin mit gesenktem Kopf gegen die Katzenklappe stieß. Sie ging nicht auf. Er versuchte es noch einmal. Nichts bewegte sich.

      Es war dunkel und still. Außerdem roch es merkwürdig. Menschengerüche kannte Leo von Lotte. So roch es nicht. Es roch wie in dem verlassenen Mauseloch, das er kürzlich auf der Wiese in seinem Garten entdeckt hatte. Er erinnerte sich genau: Vorsichtig hatte er mit der Pfote in das Loch gelangt und war auf etwas Weiches, Pelziges gestoßen. Als er die Pfote wieder herauszog, hing an seinen Krallen eine tote Maus. Also roch es in Mankowskis Wohnzimmer nach toter Maus!

      Die Tür öffnete sich.

      „Ich werde schon senil“, sagte der alte Mann. „Ich wollte doch lüften.“

      Mit diesen Worten schlurfte er zur Balkontür und öffnete sie. Leo flitzte in den Flur.

      „Verdammt noch mal!“, fluchte Mankowski. „Jetzt hab´ ich die Katzen schon in der Wohnung.“ Leo schaute sich nach der hölzernen Verzierung um, auf die er nur zu gerne gedrückt hätte. Ein Stechen in seiner Flanke ließ ihn herumfahren. Mankowski stieß mit einem Besen nach ihm.

      „Euch werde ich lehren, mir nicht nur meine Rosenbeete zu verätzen, sondern mich auch noch bis in die Wohnung zu verfolgen“, schrie der Alte wütend und stieß bei jedem Wort mit dem Besen nach Leo. Der Kater flitzte von einer Ecke des Flurs in die andere, doch diesmal war auch sein Versteck hinter dem Mantel nicht sicher. Mankowski öffnete die Wohnungstür und schrie:

      „Hau´ ab, raus mit dir!“

      Leo ließ sich das nicht zweimal sagen und sauste in das Treppenhaus hinaus. Mit einer Behändigkeit, die Leo dem hinkenden Mann nicht zugetraut hatte, holte der mit dem Fuß aus und trat ihm in sein Hinterteil. Leo fauchte, strauchelte, fing sich wieder und rannte die Treppen in den dunklen Hausflur hinunter.

      Es wurde hell. Von unten rief eine Männerstimme:

      „Was ist da oben los? Könnt ihr bitte leiser sein, es ist schon nach elf.“

      „Ich bin´s ja nicht, der hier den Tam-Tam veranstaltet, das sind eure Viecher.“

      „Ach, Herr Mankowski, das sind keine Viecher, das sind liebenswerte Haustiere, das lernen Sie wohl nie.“

      „Ach, Herr Braunfels, haben Sie mir dann das liebenswerte Haustier mitten in die Wohnung gesetzt, ja?“, äffte Mankowski ihn nach.

      Im Erdgeschoss ging eine weitere Tür auf. „Also da hört doch alles auf“, rief eine erboste Frauenstimme aus dem Erdgeschoss. „Wissen Sie, wie spät es ist?“

      „Nach elf, Frau Schmitz“, riefen Mankowski und Jens Braunfels gleichzeitig nach unten.

      „Wollen Sie mich veräppeln?“, rief Kathrin Schmitz nach oben. „Unsere Kinder schlafen. Aber offensichtlich ist ihnen das egal, sie haben keine Kinder.“

      „Der Klügere gibt nach, ich wünsch Ihnen beiden eine gute Nacht“, rief Jens Braunfels und schloss die Tür.

      „Bringt eh nix“, murrte Mankowski. „Muss