Katerdämmerung. Petra Zeichner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Zeichner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016758
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wurde der Korb in die Luft gehoben und die Perserin verschwand hinter der Tür, hinter der die Tierärztin wartete.

      Also hatte dieses Schicksal nicht nur Flora ereilt, sondern auch noch eine andere Katze in der Butzbacher Gegend. Wieso hatte sich diese Katze ebenso ungewöhnlich verhalten wie Flora? Robin stieß mit dem Kopf gegen die Stäbe seines Plastikkorbes. Er musste seine Nachforschungen forcieren. Wer wusste, wie viele ungeborene Katzenwelpen außerdem in Gefahr waren?

      Den Schwarz-Weißen hatte er nicht bekehren können. Andere Helfer mussten her.

      Der geheime Aufzug

      Ein ängstliches Miauen. Drei Jungen standen vor den offenen Türen des Mülltonnenhäuschens auf dem Parkplatz in der Johann-Sebastian-Bach-Straße und hielten Steine in den Händen. Einer warf einen Fußball in die Richtung, aus der es miaute.

      Robin hatte genug gesehen. Schlagartig hatte er den Griff der Tierärztin Eva Zack von heute Abend, der immer noch in seinen Nackenmuskeln saß, vergessen. Mit einem Satz war er auf dem Unterstand. Dann schlich er sich im Schutz der hereinbrechenden Nacht bis an das andere Ende. Direkt unter ihm standen die drei johlenden Jungen. Sie reichten mit ihren Köpfen noch nicht an das Dach heran. Einer griff nach einer Tonne und zog sie weg. Dahinter saß ein kleiner, roter Kater und jammerte. Noch bevor der dicke Junge mit dem Doppelkinn einen Stein warf, hatte sich Robin über ihm mit gesträubtem Rückenhaar und aufgebuschtem Schwanz zu seiner vollen Größe aufgerichtet und fauchte. Zwei der Jungen ließen erschreckt ihre Steine fallen, als sie den Kater über ihren Köpfen sahen. Der Dritte blickte sich unschlüssig zu seinen Kameraden um, die bereits den Rückzug angetreten hatten.

      „He, was ist los mit euch?“, rief er ihnen zu. „Habt ihr etwa Angst vor einer Katze?“

      „Nicht Katze, Kater!“, fauchte Robin noch lauter und duckte sich zum Sprung.

      Da wich auch der Dicke ein paar Schritte zurück und legte den Fußball auf den Boden. Er nahm Anlauf. In dem vierstöckigen Plattenbau am Ende des Fußweges, der von den Tonnen wegführte, wurde ein Fenster im Erdgeschoss geöffnet.

      „Was ist da draußen los?“ Eine Frau streckte ihren Kopf zum Fenster hinaus und schaute in die Richtung der Mülltonnen. „Matsche, bis du das schon wieder? Ärgerst du schon wieder meinen Leo? Lass´ ihn bloß in Ruhe, sonst …“

      „Scheiße“, nörgelte Matsche.

      „Blödes Viech“, sagte er in Richtung rotem Kater. „Blöder …“

      Doch als er zu Robin schaute, der noch immer sprungbereit auf dem Dach des Häuschens kauerte und knurrte, brachte er den Satz nicht zu Ende. Er hob seinen Fußball auf und lief hinter seinen beiden Freunden her. Gemeinsam verschwanden sie in dem Plattenbau.

      Bis hierher war Robin gelaufen – noch weiter als bis zu seinem Mauseloch am Reitstall – um den Kater zu treffen, von dem es im Revier hieß: An dem sei mehr dran, als es den Anschein habe; er sei jung, schnell und listig. Das hörte sich nach einem geeigneten Mitglied für sein Ermittlungsteam an. Als er den Roten jammern hörte, begann er zu zweifeln. Doch sollte sein Weg nicht umsonst gewesen sein.

      „Hallo!“, rief Robin deshalb vom Dach des Mülltonnenhäuschens.

      „Ja?“, piepste es von unten.

      „Alles in Ordnung?“

      „Nein“, wimmerte der rote Kater.

      Robin sprang auf die Tonne, die einer der Jungen nach vorne gezogen hatte. Sie kippte um. Der Kater landete mit einem Satz auf dem Boden. Doch bevor er sich dem Roten zuwenden konnte, sah er etwas anderes. Der Deckel der Tonne hatte sich im Sturz geöffnet. Herausgefallen war eine Mülltüte. Aber nicht sie erregte Robins Interesse, sondern das, was in ihr war: Ein Knäuel blutiger Katzenhaare. Robin nahm mit bebenden Nasenflügeln den Geruch des Blutes auf.

      „Weißt du, woher das hier kommt?“, fragte er den Roten.

      Die Eingangstür des Plattenbaus fiel ins Schloss. Zwei der Jungen kamen mit schweren Tüten in den Händen auf die Mülltonnen zu. Der rote Kater, der zwischenzeitlich verstummt war, fing wieder an zu jammern.

      „Still!“, zischte ihn Robin an. „Komm mit!“ Den Roten im Schlepptau versteckte er sich hinter der Hecke. Nur ein Gehweg trennte sie von den Mülltonnen. Oben auf dem Dach hatte er sich größer und stärker als die Jungen gefühlt. Aber hier unten, das wusste er, konnte er keinem ernsthaften Angriff standhalten. Schon gar nicht mit einem verängstigten Jungkater an seiner Seite.

      Als die beiden Jungen zu der umgestürzten Tonne kamen, stutzten sie.

      „Krass. Sieht so aus, als ob es jemand der Katze gegeben hat“, sagte der eine und lachte.

      Hinter der Hecke unterdrückte Robin ein Knurren. Der kleine Rote hatte sich in die Hecke gerobbt und den Kopf zwischen seinen Vorderpfoten verborgen.

      „Was machst du da? Lass´ das liegen, was kümmert es uns?“, fuhr der Junge seinen Kumpel an, der im Begriff war, die Tonne aufzustellen.

      „Hast du eine Ahnung, was wieder los ist, wenn die Alte aus dem Erdgeschoss das hier sieht? Die denkt sofort, dass wir das waren.“

      „Na und? Ist mir egal. Die kann mich mal.“

      „Mich kann die auch. Aber die rennt zu meiner Mutter und meine Mutter macht mir die Hölle heiß. Nee, kein Bock.“

      Murrend half ihm sein Freund, die Tonne wieder aufzustellen und den Müll aufzusammeln.

      Dann warfen sie ihre Tüten hinterher, lehnten die kaputte Tür des Mülltonnenhäuschens an, ließen die Tonne auf dem Parkplatz stehen und verschwanden.

      Robin und der Rote warteten, bis sie die Haustür ins Schloss fallen hörten. Dann verließen sie ihre Deckung und gingen nach vorne. Sie betrachteten die Mülltonne.

      „Kennst du hier noch eine andere Katze?“, wiederholte Robin seine Frage von vorhin.

      „Hier gibt es noch eine Katze, die wohnt im fünften Stock, glaube ich. Sie geht aber nicht raus.“

      „Woher willst du dann wissen, dass sie dort lebt, wenn sie nicht rausgeht?“, fragte Robin und seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

      „Ich habe die Frau von dort oben ab und zu an den Mülltonnen gesehen. Sie hat etwas weggeworfen, das nach Futter roch.“

      Robin legte den Kopf schief. Offenbar verbarg sich in dem Roten doch mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.

      „Wie heißt du?“

      „Leo.“

      „Gut, ich heiße Robin. Du bist neu hier? Das hier ist MEIN Revier, seit Jahren schon, ich habe dich aber noch nie hier gesehen.“

      „Ich wohne schon seit fast einem Jahr hier im Erdgeschoss. Meine Besitzerin, Lotte, hat mich geholt, als ich noch ganz klein war. Aber sie hat mich zuerst nicht rausgelassen.“

      „Und warum lässt sie dich jetzt raus?“

      Leo schaute verschämt auf den Boden.

      „Na sag schon.“

      „Na ja, sie hat gesagt, sie kann mein Jammern nicht länger ertragen. Dann hat sie in die Balkontür ein Loch schneiden lassen, und jetzt ist dort eine Klappe, durch die ich rein und raus kann.“

      „Aber jammern tust du immer noch“, sagte Robin streng. Er fühlte sich verantwortlich für den Jüngling, nachdem er ihm geholfen hatte.

      Leo blickte Robin an. Dann schlug er die Augen nieder. „Ja, ich weiß, aber ich kann nichts dafür. Ich bin nicht so groß und stark wie du.“

      Dann schaute er plötzlich erschrocken auf seinen Retter. „Ach, das tut mir leid. Bei all dem habe ich ganz vergessen, dir zu danken.“

      Als Robin schwieg, piepste er:

      „Bitte, sei nicht böse.“

      „Großer